Martinas Woche 48 – 2019

Von neuer Kommission bis Klimanotstand

Straßburg – Berlin: Neue Kommission gewählt – 10 Punkte-Katalog – Östliche Partnerschaf – Israel & Palästina – Lux-Film-Preis – Kriegsgerät ohne Mehrwertsteuer – Haushalt steht – SPD bewegt sich – Zum Nikolaus im Café Sibylle

Parlament bestätigt neue Kommission und ruft den Klimanotstand aus

Einerseits, so möchte man sagen, wählt das Parlament eine durchwachsene EU-Kommission, bei der man allein schon bei der Aufrüstung weiß, wohin die politische Irrfahrt geht, andererseits zeigt das Parlament mit klarer Mehrheit, dass es eine andere Politik zur Abwendung des Klimawandels will. Immerhin. Die Plenumswoche in Strasbourg zeigt irgendwie, da ist noch Leben drin, da gibt es noch Bewegung in den politischen Auseinandersetzungen. Die linke Fraktion, die GUENGL hat der EU-Kommission die Stimmen verweigert, aber selbstredend zur großen Mehrheit des ökologischen Weckrufs beigetragen. In der übernächsten Woche findet nun überraschenderweise eine außerplanmäßige Plenarsitzung in Brüssel statt, bei der die neue Kommission ihre Klimapolitik im Detail vorstellen will.


10 Forderung an die EU-Kommission und den Europäischen Rat

Die EU sollte für unseren Planeten und für die große Mehrheit der Europäer*innen arbeiten – nicht für eine kleine Elite. Zu einem ehrgeizigen Fahrplan, um den Klimawandel zu bekämpfen, gehört eine Politik, die die wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in der EU bekämpft.

Unsere Fraktion, GUENGL, hat daher zehn Forderungen an die Regierenden in der EU, besonders an die neuen Kommission formuliert.

Östliche Partnerschaft voller offener Fragen

Martina Michels und Helmut Scholz, beide Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung EuroNEST | Foto: Jörg Bochmann

Am Dienstag  nachmittag gab es eine Debatte, die die Politik zur östlichen Partnerschaft unter die Lupe nahm. Sie war erwartungsgemäß durchzogen von Kritik an Russland und der Instrumentalisierung der Beziehungen zur südöstlichen Partnerschaft. Helmut Scholz goss hier entsprechend Wasser in den Wein und forderte eine sachliche Analyse aller Entwicklungen von der Rechtsstaatlichkeit bis zu ausbleibenden Arbeitsplätzen. Am Beispiel der Entwicklung in Moldawien hielt er fest: „Solange nicht Verfassungsrealität und unabhängige Justiz bei unseren östlichen Nachbarn real gewährleistet sind, wird das Misstrauen der Bevölkerung in ihre Regierungen bleiben – und damit die östliche Nachbarschaftspolitik auf Sand gebaut sein.“

Anfang Dezember wird in Tiblisi die parlamentarische Versammlung EURONEST tagen, in der Parlamentarier*innen der östlichen Nachbarschaft gemeinsam mit Parlamentarier*innen aus Brüssel die  Zusammenarbeit – von der Energiepolitik bis zur Bildung – ausloten.


Israel/Palästina: „Wie glaubhaft ist unsere Diplomatie im Nahen Osten?“

Gleich anschließend begann am Dienstag die Plenardebatte zur  „Situation in Israel und Palästina einschließlich der Siedlungspolitik“. Martina Michels sprach hier zu den aktuellen Herausforderungen einer umfassenden Nah-Ost-Politik, nachdem die scheidende hohe Vertreterin, Mogherini, durchaus ihr Scheitern und ein unbedingtes Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung eingeräumt hatte. Martinas Rede ist hier abruf- und nachlesbar.


Iran-Politik der EU ist Teil des Problems

sagt Cornelia Ernst in der Debatte und verneigt sich vor den getöteten Demonstrantinnen und Demonstranten. In ihrer Rede im Parlament geht sie auf die Mitverantwortung der EU für eine Politik ein, die Demonstrant*innen verfolgt und sich abschottet, den Nahen und Mittleren Osten mit destabilisiert.

Schon jetzt muss man konstatieren, dass das Regime Rohani – neben dem Aushebeln der Internetkommunikation – einer Strategie gegen die Protestierenden bedient, die sich auch besonders gegen Frauen richtet. Dies, so kann man es salopp sagen, hat er sich durchaus auch von anderen Autokraten abgeguckt, die gezielt das politische Auftreten von Frauen in der Öffentlichkeit angreifen.


Lux-Film-Preis: The Winner is…

der wunderbare mazedonische Film: God exists, her name is Petrunya, dem auch Martina ihre Stimme gegeben hatte. Auch die anderen beiden Finalisten sind absolut sehenswert. 

Allerdings, so schön die Bilder von der Preisverleihung sind, so sehr täuschen sie über ein beschämendes Desinteresse vieler Abgeordneter hinweg, die nach der vorherigen Abstimmung aus dem Saal verschwunden und zur Preisverleihung nicht wieder zurückgefunden hatten. Vor beinahe leerem Haus fand die Zeremonie der Preisverleihung statt, was hoffentlich dem Mut der europäischen Filmemacher*innen keinen Abbruch tut. Die Regie der parlamentarischen Tagesordnung hatte diesmal wohl etwas gepatzt, denn nach den Abstimmungen ist tatsächlich die oft ohnehin zu kurze Mittagspause und alle Würdigungen, Begrüßung besonderer Gäste finden normalerweise vor den Abstimmungen statt.  Wir haben uns trotzdem riesig gefreut und hoffen dass die Preisträger*innen ihr Publikum im Kinosessel finden.

EU Haushalt 2020 steht: Wohin soll denn die Reise gehen?

Der Haushalt 2020 steht, das Plenum des Europaparlaments hat den in der vergangenen Woche mit dem Rat der Mitgliedstaatenregierungen in nächtlicher Sitzung des Vermittlungsausschusses vereinbarten Kompromiss bestätigt. Für €168,688 Mrd. kann die EU im kommenden Jahr Verpflichtungen eingehen. Doch die Einigung hat ihre Tücken, die Martina Michels und Nora Schüttpelz hier aufgeschrieben haben.

Europaparlament stellt Kriegstransporte frei

Und auch die Grünen und Sozialdemokrat*innen stimmen dafür, muss man hier leider festhalten. „Für die Beschaffung eines Kinderwagens werden in der Bundesrepublik 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig, aber die Lieferung von Kriegsgeräten wird steuerfrei gestellt. Das ist ein Skandal, weil damit einmal mehr deutlich wird, dass die EU auf Militarisierung und Aufrüstung setzt, und eben nicht auf soziale Sicherheit und Gerechtigkeit“, kommentierte Özlem Demirel mit Martin Schirdewan diese Abstimmung am Dienstag. Auf Facebook schrieb unser Fraktionsvorsitzender Martin Schirdewan als Kommentar zur Abstimmungsgrafik: „Das Abstimmungsergebnis ist ein teures und folgenschweres Geschenk an die Rüstungslobby. Es wurde wieder einmal die Militarisierung der EU durch die Hintertür vorangetrieben und die anderen Fraktionen laufen brav wie Zinnsoldaten mit. Aufrüstung ist das Gegenteil dessen, was politisch nötig ist.“

SPD hat die nächste Führungsspitze gewählt

Man sah schon den Scholzzug des unermüdlichen „Weiter So“ lostuckern, doch eine knappe Mehrheit der abstimmenden SPD-Mitgliedschaft hat sich anders entschieden, für ein Signal, dass sozialdemokratische Politik eine inhaltliche Erneuerung braucht. Mit den Kritiker*innen der Großen Koalition Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans steht nun demnächst ein Team an der Spitze, das die Profilierung der SPD, eine strategische Neuaufstellung und eine sozialere SPD repräsentieren soll. Die Medien reiben sich jetzt verwundert die Augen und rufen nun das Ende der Koalition herbei, obwohl dies vielleicht nicht die nachhaltige Lösung für eine Erneuerung der SPD sein muss. Profilieren kann man sich durchaus auch innerhalb der Regierungsverantwortung, wenn man strategisch mit einbezieht, wem ein jähes Ende der Großen Koalition derzeit auch in die Hände spielt, von Blackrock-Merz bis zur gerade in Braunschweig auf moderat machende Rechtsaussentruppe von der AfD.

Wir wünschen jedenfalls dem neuen Führungsteam viel Erfolg, kluge Entscheidungen und klare Schritte für eine Erneuerung der Sozialdemokratie.

TIPP für alle Berlinerinnen und Berliner – 6.12. im Café Sibylle

Es ist wieder soweit. Martina Michels lädt ein zur alljährlichen Jahresabschlussveranstaltung mit Europäischer Politik, Begegnung und Kultur. Gern könnt ihr vorbeikommen. Diesmal wollen wir uns noch einmal verständigen, was das Parlament im September bewog, eine wirklich üble Resolution zur Erinnerungskultur zu verabschieden und was dies mit aktueller Politik zu tun hat, wo immer wir gerade sind. Deshalb haben wir auch Anne Helm aus dem Berliner Abgeordnetenhaus mit zum Gespräch gebeten. Bitte meldet euch in unserem Berliner Büro an, damit wir den Überblick behalten.