REGI NEWS Januar – 2024

Grenzregionen – Nachhaltige Waldbrandbekämpfung – Zukunft der Kohäsionspolitik

Martina Michels, Nora Schüttpelz

REGI begrüßt neuen Vorschlag zur Beseitigung von Hindernissen bei der Zusammenarbeit von Grenzregionen 

Der REGI begrüßt einen Vorschlag der Kommission, mit dessen Hilfe rechtliche und Verwaltungs-Hindernisse, die Grenzregionen in der die Zusammenarbeit erschweren, beseitigt werden können. Ein Beispiel: für den Bau und Anbindung einer Brücke über die Neisse in der Grenzregion Deutschland-Polen-Tschechien braucht es drei Baugenehmigungen – nämlich eine aus jedem beteiligten Land – für ein und dasselbe Stück Infrastruktur. Zudem gibt es in den drei Ländern unterschiedliche Anforderungen an die Berufsqualifikationen, die die Ingenieure nachweisen müssen, obgleich sie an ein und demselben Projekt arbeiten. In Zukunft sollen die drei Grenzregionen Unterstützung dabei erhalten, diese Hindernisse unbürokratisch auszuräumen.

Bereits 2018 hatte es einen ersten Vorschlag für solche Vereinfachung der Zusammenarbeit gegeben, für den im Rat der Mitgliedstaaten jedoch jahrelang keine Einigung erzielt werden konnte, weil jeder Staat auf seine nationale Gesetzgebung pocht. Das Europaparlament hingegen hat das Thema immer wieder aufgerufen und im vergangenen September eine Legislativinitiative namens BridgeEU vorgelegt. Der neue Kommissionsvorschlag von Ende Dezember 2023 fußt darauf.

Binnengrenzregionen umfassen 40 % des Territoriums der EU und machen 30 % der EU-Bevölkerung aus. Die Kommission geht davon aus, dass die Beseitigung von nur 20 % der grenzüberschreitenden Hindernisse das regionale Bruttoinlandsprodukt um bis zu 2 % steigern und über 1 Million Arbeitsplätze schaffen würde.

Der neue Gesetzesvorschlag baut auf der BridgeEU-Idee des EP auf, dass die Mitgliedstaaten eine grenzüberschreitende Koordinierungsstelle einrichten, deren Aufgabe es sein wird, Anfragen von Interessenträgern über zu beseitigende Hindernisse zu bewerten und als Verbindung zwischen nationalen Behörden zu fungieren. Sobald ein grenzüberschreitendes Hindernis identifiziert wird und den Nachbarn kein anderes Instrument – wie beispielsweise ein bilaterales Abkommen –  zur Verfügung steht, können sie das neue Verfahren anwenden, ein freiwilliges Verfahren zur Beseitigung administrativer und rechtlicher Hindernisse. Während alle Anfragen von den nationalen Behörden beantwortet werden müssen, hängt die tatsächliche Beseitigung des Hindernisses von der Entscheidung der nationalen Behörden ab. Die Kommission möchte außerdem ein Netzwerk grenzüberschreitender Koordinierungsstellen einrichten, um den Austausch bewährter Verfahren zu erleichtern.

Zusätzlicher Verwaltungsaufwand oder zusätzliche Kosten sollen vermieden werden, Vereinfachung für alle Seiten ist das Ziel. Wichtig ist nun die gute und schnelle Zusammenarbeit von EP, Rat und Kommission, um die Verabschiedung des Gesetzes bis April, also vor dem Ende dieser Legislaturperiode sicherzustellen.

Studie zur Nutzung der Kohäsionsfonds bei der Bekämpfung von Waldbränden

Das Jahr 2022 verzeichnete einen deutlichen Anstieg der Waldbrände in ganz Europa. Frankreich, Spanien, Rumänien, Deutschland, Tschechien und Slowenien waren besonders betroffen. Insgesamt verbrannte in der Eu eine Gesamtfläche, die mehr als das Dreifache der Größe Luxemburgs beträgt. Anhaltende Hitzewellen, Dürren, besonders im Frühjahr, und starke oder ungewöhnliche Windmuster haben die ausgebrochenen Feuer noch verschärft. 2022 war zudem das trockenste Jahr in der jüngeren Geschichte. Außerdem waren Regionen mit nicht detonierten Kampfmitteln („Blindgänger“) unter anderem in Slowenien und Deutschland sind einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt. Also gerade Länder und Regionen, die traditionell ein geringes Risiko für Waldbrände hatten, sahen sich mit großflächigen Bränden konfrontiert. Auch in Natura2000 Naturschutzgebiete brannte es überdurchschnittlich häufig, gesonderte Brandbewältigungsstrategien gibt es für sie nicht. Die Ukraine war 2022 das am zweithäufigste von Bränden betroffene Land Europas.

Die EU-Kohäsionspolitik, mit ihren verschiedenen Fonds unterstützt das Risikomanagement gegen Waldbrände. Das Risiko extremer Waldbrände konnte mittels dieser Hilfen verringert und die Reaktionssysteme, das Landschaftsmanagement und das Risikobewusstsein zu verbessert werden. Doch bislang sind die verschiedenen Finanzierungsinstrumente und Krisenmanagementstrategien noch zu wenig miteinander abgestimmt, Investitionen stark auf Reaktion und Rekonstruktion ausgerichtet. Dem Bedarf an langfristigem und nachhaltigem Resilienzaufbau, Ausbildung und Schulung, Naturschutz und der Prävention mithilfe von Experten aus sich ergänzenden Fachbereichen wird zu oft noch unzureichend Rechnung getragen.

Die im REGI vorgestellte Studie bietet eine Übersicht über vorhandene Instrumente, neue Risiken und Verbesserungsmöglichkeiten bei der europäischen und internationalen Waldbrandbekämpfung. Sie erläutert Ansätze zur Verbesserungen der Effizienz der Kohäsionspolitik bei der Unterstützung von Brandmanagement, zu Steuerung von Waldbrand-Finanzierungsinstrumenten sowie zur praktischen Anwendung von Waldbrand-bezogenen Fördermechanismen

Zukunft der Kohäsionspolitik Aussprache mit der Kommission und der Belgischen Ratspräsidentschaft

Längere Aussprachen zur Zukunft der Kohäsionspolitik und konkret zu den entsprechenden Vorhaben der kommenden Monate führte der REGI-Ausschuss in dieser Woche mit Themis Christophidou, Generaldirektorin  für Regionalpolitik in der EU-Kommission, und Elio Di Rupo, Ministerpräsident der Wallonie, der dismal jedoch die aktuelle belgische EU-Ratspräsidentschaft repräsentierte. Beide bestätigten ihre Auffassung, dass die Kohäsionspolitik eine zentrale Investitionspolitik der EU ist, die beständig und auch in turbulenten Zeiten nützt und liefert. Beiden ist ebenso bewußt, dass diese Politik und vor allem ihr EU-Haushaltsanteil stets und ständig Gegenstand kontroverser Diskussionen ist.

Während die Strukturfonds eigentlich mittel- und langfristige regionale Entwicklung und Angleichung der Lebensverhältnisse überall in der EU fördern sollen, sind sie in den vergangenen Jahren der Vielfach- und Dauerkrisen immer häufiger auch als Notfall-Reserve verwendet worden. Man denke an die Hilfsprogramme zur Bewältigung der Gesundheitskrise in den Corona-Jahren und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau, für die Unterstützung der Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Ukraine-Flüchtlingen oder im Rahmen der Inflations- und Energiepreiskrise.

Ganz aktuell steht die Finanzierung der industriepolitischen Maßnahmenpakete der EU zur Debatte, die keineswegs gesichert ist. Vom großangekündigten „EU-Souveränitätsfonds“ als Antwort auf das US-amerikanische Investitionsprogramm IRA (inflation reduction act), ist inzwischen nur noch das STEP-Vorhaben übrig (wir berichteten bereits mehrfach über dieses „Schrittchen“). Nun wurden im Dezember 2023 auch noch die 10Mrd.Euro frisches Geld, die die EU-Kommission forderte von den Mitgliedstaaten auf 1,5Mrd Euro eingedampft. Das bedeutet, dass für Investitionen in Zukunftstechnologien wie Solar- und Thermalenergie, Speichertechnologien, moderne Netzwerke, Biotechnologien, Digitalisierung usw. fast nur noch die EU-Strukturfonds übrigbleiben würden, um die Mitgliedstaaten und Regionen beim nötigen industriellen Wandel zu unterstützen.

Prinzipiell ist der Anspruch, den grünen und digitalen Wandel auch in der Industriewelt zu meistern an vielen Stellen mit den Grundsätzen der Kohäsionspolitik vereinbar – an anderen jedoch weniger. Bei groß angelegter Industrieförderung geht es eben nicht immer darum, vor allem die Entwicklungsunterschiede auszugleichen, also die ärmsten Regionen zu bevorzugen, vor allem KMU zu fördern und die Kommunen und Bürger*innen an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Auch steht bei Industrieförderung selbst nach moderneren Maßstäben eben nicht immer die Klimafreundlichkeit im Vordergrund. Gelder aus den Strukturfonds immer wieder umzuwidmen, weil sie vermeintlich einfach „da sind“, könnte die langfristigen Ausgleichs-, Entwicklungs-, aber auch Umweltschutzziele also massiv unterlaufen. Die meisten EU-Politiker*innen wissen das natürlich, aber bei der Verteilung von Haushaltsmitteln scheiden sich eben die Interessen und Prioritäten.

Es bleibt also spannend, wie die Debatte um den mehrjährigen EU-Haushalt am 1. Februar (Sondertagung des Rates) und die Zukunft der EU-Kohäsionspolitik weitergeht. Um den 9.-10. März dieses Jahres wird der 9. Kohäsionsbericht der EU-Kommission erwartet. Darin sollen Fortschritte bei der Verwirklichung des EU-Konvergenzziels sowie mögliche Hindernisse und strukturelle Herausforderungen, die sich auf den Zusammenhalt auswirken, aufgezeigt werden und Bilanz über die in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen gezogen. Die Ergebnisse werden dann natürlich in die laufenden Überlegungen einfließen, wie am besten auf kurz- und langfristige Herausforderungen für den Zusammenhalt in der EU reagiert werden kann und wie die politischen Strategien und die Instrumente der EU – also vor allem auch die Strukturfonds entsprechend angepasst werden können. Ende 2023 erfolgte dazu der letzte Aufruf für Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft, die hier nachgelesen werden können.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.