REGI NEWS – Januar 2021

Martina Michels, Nora Schüttpelz

Brexit – PEACE PLUS – Strukturfonds – Just Transition Fonds

BREXIT und Kohäsionspolitik

Während seiner ersten Sitzung im neuen Jahre debattierte der REGI-Ausschusses – ebenso wie viele andere Ausschüsse – in dieser Woche über die Einigung mit Großbritannien, die am Weihnachtstag doch noch erreicht und mit der ein vollständig chaotischer Brexit abgewendet werden konnte. – Auch wenn die Bilder von Staus am Channel Tunnel etwas anderes nahelegten und manch eine Familie von Zollnahforderungen für Weihnachtspakete der lieben Verwandten aus dem Königreich böse überrascht wurden.

Im REGI wurde hinsichtlich des Abkommens von allen Seiten begrüßt, dass es auch in Zukunft ein „PEACE“ Programm im Rahmen von INTERREG geben soll und die EU, Irland und das Vereinigte Königreich ihre Zusage für entsprechende finanzielle Beiträge für PEACE PLUS bestätigt haben.

Andererseits hat sich Großbritannien bereits gegen eine Beteiligung an anderen grenzüberschreitenden INTERREG Programmen ausgesprochen. Möglichkeiten dazu bestehen durchaus und wurde oder wird auch von anderen Drittstaaten von der Ukraine, über Serbien und die Schweiz bis Norwegen und sogar in der Karibik wahrgenommen.  

Darüber hinaus beschäftigt sich der Ausschuss in den kommenden Wochen mit dem Gesetz über eine Reserve zur Anpassung an den Brexit“. Mit insgesamt 4 Milliarden Euro sollen vor allem diejenigen Mitgliedstaaten, Regionen und Sektoren unterstützt werden, die am stärksten von den negativen Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU betroffen sind, um die Auswirkungen auf den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt abzufedern. Gewinner gibt es durch den Brexit schließlich sicherlich nicht.

Irland als direkter Nachbarstaat und mit seiner Grenze zum Norden von Irland teilt natürlich die engsten Verbindungen und Abhängigkeiten mit UK. Das Land wird daher aller Voraussicht nach die höchste Unterstützungssumme erhalten können, nach Berechnungen der Kommission ca. 1,052 Mrd. EUR (aktuelle Preise). Doch auch die Niederlande, die mit etwa 757,4 Mio. EUR rechnen können, Deutschland (455,4 Mio. EUR), Frankreich (420,8 Mio. EUR) und Belgien (324,1 Mio. EUR) haben entweder enge Handelsbeziehungen oder betrieben bislang viel Fischerei in britischen Gewässern.

In einem möglichst unbürokratischen und flexiblen Verfahren sollen jedoch alle Mitgliedstaaten Gelder beantragen können, um Unternehmen und Wirtschaftssektoren, Arbeitnehmern, Regionen und lokalen Gemeinschaften zu helfen, die unter den Folgen des Endes der Übergangszeit zu leiden haben. Zu den förderfähigen Maßnahmen kann Folgendes gehören:

– Hilfe für Wirtschaftssektoren, Unternehmen und lokale Gemeinschaften, einschließlich solcher, die von der Fischerei in britischen Gewässern abhängig sind;

– Unterstützung für die Beschäftigung und die Wiedereingliederung von aus dem Vereinigten Königreich zurückkehrenden Bürgern in den Arbeitsmarkt, unter anderem durch Kurzarbeitsprogramme, Umschulung und Ausbildung;

– Gewährleistung des Funktionierens von Grenz-, Zoll-, Gesundheits-, Pflanzenschutz- und Sicherheitskontrollen, Fischereikontrollen, Zertifizierungs- und Zulassungsregelungen sowie Kommunikations-, Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen für Bürger und Unternehmen.

Während der Präsentation des Gesetzesvorschlags durch die EU-Kommission und anschließender Debatte im Ausschuss wurde deutlich, dass das Ziel und der Gesetzesentwurf auf breiteste Zustimmung stößt. Doch auch einige Fragen wurden aufgeworfen. Beispielsweise fragte Martina Michels (ab Minute 15:58:07), unsere Obfrau im REGI-Ausschuss gezielt nach der Rolle, die die Regionen und Kommunen bei der Verteilung, Verwaltung und Verwendung der Mittel spielen werden. Denn zunächst soll, so der Gesetzesentwurf, das Geld an die Zentralregierungen der Mitgliedstaaten ausgegeben werden, die es dann intern verteilen. Bei den „normalen“ Struktur- und Regionalfonds hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Verantwortungsträger „vor Ort“ in allen Planungs- und Umsetzungsphasen mitreden sollten, damit die Hilfen auch dort ankommen, wo sie wirklich gebraucht werden.  Für die Brexit-Reserve soll dieses „Partnerschaftsprinzip“ so nicht gelten, um Verzögerungen bei der Bereitstellung der Mittel zu vermeiden, die für Maßnahmen rückwirkend vom Juli 2020 und nur bis Ende 2022 zur Verfügung stehen. Immerhin muss jeder Mitgliedstaat im Nachhinein nachweisen, dass die Mittel gezielt vor Ort da eingesetzt wurden, wo die mit dem Brexit verbundenen Probleme am gravierendsten waren. Ob und wie hier noch nachgebessert werden muss, ist sicherlich eine der im REGI zu diskutierenden Fragen.  Spätestens im Juni wollen Rat und Parlament das Gesetz verabschiedet haben. Wir werden weiter berichten.

Martina Michels, einmal mehr aus dem Home Office | Foto: Nora Schüttpelz

Gibt es eine Finanzierungslücke in der Kohäsionspolitik 2021–2027?

Schriftliche Anfrage an die EU-Kommission

Da absehbar war, dass eine Einigung zum Mehrjährigen EU-Finanzrahmen erst sehr spät zwischen Europaparlament und Rat zu erwarten war, hat Martina Michels am 9. November 2020 gemeinsam mit anderen MdEP eine Anfrage an die EU-Kommission gestellt, wie und ob eine Finanzierungslücke in der EU-Kohäsionspolitik abzuwenden ist.  Kurz vor der Weihnachtspause traf die Antwort der Kommissarin ein. Frage und Antwort sind hier auf unserer Website zu finden.

Setzt Deutschland EU-Hilfen für den Kohleausstieg richtig um?

Schriftliche Anfrage an die EU-Kommission

Nachdem in den Trilogverhandlungen über den Just Transition Fonds im Dezember 2020 eine vorläufige Einigung erreicht werden konnte (wir berichteten), sollte einer zügigen Umsetzung in den Mitgliedsstaaten unter Wahrung des Partnerschaftsprinzips nichts mehr im Wege stehen. Anhand von Antworten der Bundesregierung (demnächst hier) bzw. der sächsischen Landesregierung auf Anfragen der Linksfraktion im Bundestag und im sächsischen Landtag scheint es allerdings, dass die Bunderegierung die betroffenen Regionen völlig ungenügend in die Ausarbeitung der Umsetzungspläne einbindet. Auch könnte man befürchten, dass vorgesehenen EU-Hilfen nicht wirklich zusätzlich zu den bereits getätigten finanziellen Zusagen der Bundesregierung einzusetzen plant. Martina Michels und Cornelia Ernst haben die EU-Kommission gefragt, wie sie zu diesen Befürchtungen steht. Die Frage wird in Kürze auch auf der Website des Europaparlaments veröffentlicht werden, ebenso die Antwort.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.