Mehr Kampfgeist für starke Regionalpolitik und politische Kurskorrekturen, bitte!

Der Ausschuss für regionale Entwicklung (REGI) stellte kritische Nachfragen zur Zukunft der Regional- und Förderpolitik an Elisa Ferreira, die designierte Kommissarin für das Portfolio ‚Kohäsion und Reformen‘. Nach der Anhörung konstatiert Martina Michels, Koordinatorin der GUE/NGL im REGI-Ausschuss und regionalpolitische Sprecherin der LINKEN. im Europaparlament:

„Ich erwarte von einer Kommissarin, dass sie sich für ihr Politikfeld begeistert. Die für Kohäsionspolitik zuständige Kommissarin muss die vertraglichen Ziele des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts und der Solidarität gegen die Unterordnung unter Maßnahmen der Haushaltsdisziplin und die Gewinninteressen des Marktes verteidigen. Ihre Aufgabe in der Kommission ist es, diese Ziele durch alle Fachbereiche hindurch nach vorn zu stellen: Die Lebensbedingungen für alle und überall in der EU zu verbessern und anzunähern. Für mich gehört dazu auch, den sozial-ökologischen Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft zu diesem Zweck voranzubringen, statt immer wieder vor allem Wettbewerbsfähigkeit zu betonen.“

„Auch nach der Anhörung mit Frau Ferreira bin ich nicht vollends überzeugt von der Kandidatin. Erfreulich ist die vorsichtige Zusage, sich für einen ‚möglichst hohen Haushalt‘ für Kohäsion einzusetzen, für gemäßigtes Vorgehen bei Defizitverfahren und Offenheit für künftige Verhandlungen über eine goldene Regel bei der Berechnung von Haushaltsdefiziten. Auch begrüße ich die Zusage auf meine Frage hin, sich für stärkere Einbeziehung des Europäischen Parlaments bei den länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesterseinzusetzen sowie die Aussage, dass entsprechende Reformen keinem Land aufgezwungen werden sollten.“

„Am Ende aber stellt Ferreira leider die bisherige Denk- und Handlungsweise der Kommission an keiner Stelle ernsthaft infrage. Kampfgeist für Kurskorrekturen fehlt. Hier muss das Europaparlament und allen voran unser Ausschuss am Ball bleiben und immer wieder nachhaken.“

„Enttäuscht haben vor allem auch die schriftlichen Antworten von Frau Ferreira, und die zählen natürlich auch bei der Bewertung. Darin äußert sie eben keinen Zweifel an den Haushaltsvorschlägen der Vorgängerkommission und bezeichnet die Kürzungen um 10% – für einige Mitgliedstaaten sogar noch höher – als ‚moderat und verhältnismäßig‘. Ihre Begründung für die von der bisherigen Kommission gleichzeitig vorgeschlagene Reduzierung der Ko-Finanzierungssätze ist ebenfalls nicht überzeugend. Wie können beide Kürzungen zusammengenommen zu höheren öffentlichen Investitionen der ohnehin finanzschwachen Regionen und Gemeinden führen? Darüber hinaus ließen die Antworten darauf schließen, dass Frau Ferreira eine stärkere Verbindung zwischen Haushaltsdisziplin und der Kohäsionspolitik uneingeschränkt unterstützt und die makroökonomischen Bedingungen für ‚ausgewogen‘ und produktiv hält – wogegen sie sich als Europaabgeordnete noch vehement ausgesprochen hatte.“
 

Das Video der Anhörung findet sich hier,

schriftliche Fragen des REGI-Ausschusses und Antworten der Kandidatin hier,

Aufgabenbeschreibung für das Portfolio ‚Kohäsion und Reformen‘ hier.

Die Anhörung wurde vom Vorsitzenden des REGI-Ausschusses Younous Omarjee (GUE/NGL) geleitet. der Haushaltsausschuss (BUDG) und der Wirtschaftsausschuss (ECON) waren als assoziierte Ausschüsse beteiligt. Für die Linksfraktion GUE/NGL sprachen ihre Koordinatorin im REGI, Martina Michels und ihr Koordinator im ECON José Gusmão.

Auf der Grundlage der Empfehlungen der Fachausschüsse werden die Fraktionsvorsitzenden am 17. Oktober entscheiden, ob das Parlament hinreichende Informationen über alle Kandidat*innen für die neue Kommission erhalten hat, um den Anhörungsprozess abzuschließen. In diesem Fall wird das Plenum am 23. Oktober in Straßburg darüber abstimmen, ob es dem Kommissionskollegium zustimmt.

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Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.