EU-Investitionspaket plus – ein weiterer Tippelschritt

Martina Michels, Nora Schüttpelz

Nachdem das Europaparlament am 26.3. einem ersten Krisenbewältigungspaket zugestimmt hatte, legte die Europäische Kommission in dieser Woche einen Ergänzungsvorschlag vor, damit Gelder aus den Europäischen Strukturfonds leichter und unbürokratischer einsetzbar wird. 

Der Regionalausschuss des Europaparlaments hatte vorab am Dienstag seine Anforderungen an die Weiterentwicklung des Investitionspakets der EU vorgestellt.

Den kurzfristig dringendsten scheint das neue Paket entsprechen zu können: 100% EU-Finanzierung für krisenbedingte Investitionen für ein Jahr (Juli 2020 bis Juni 2021); Aussetzen der thematischen Prioritätenvorgaben; Transfer von Geldern zwischen verschiedenen Fonds (EFRE, ESF und Kohäsionsfonds) und auch zwischen Regionen unterschiedlicher Kategorien, also unterschiedlicher Wirtschaftskraft; Vereinfachung der Prüfverfahren vor und nach der Fördermaßnahme; Verlängerung der Fristen für Durchführungsberichte.

Im Detail gibt es jedoch mindestens Grund zu kritischen Nachfragen:

  • 100% EU-Kofinanzierung ist natürlich gut, finanzschwache und in der Krise vom Einbruch der Steuereinnahmen und Mehrausgaben weiter geschwächte Kommunen und Regionen müssen können Gelder aus den Strukturfonds ohne Eigenmittel in Anspruch nehmen. Doch insgesamt erhält jedes Land nicht mehr als geplant. Denn auch diesmal steckt kein echtes neues Geld drin, sondern es geht um das Vorziehen von Ausgaben, die Ausnutzung aller Reserven und die vereinfachte Umwidmung von Mitteln für kurzfristig dringende Investitionen. Die „Mobilisierung von 50 und 60 Milliarden Euro“, die die Regionalkommissarin verspricht, entspricht also der Hoffnung, schon vorhandenes Geld schneller einsetzen zu können.
  • Schwerer wiegt die Bestimmung, dass unbegrenzt Mittel zwischen den verschiedenen Fonds verschieben zu können und dabei auch Geld zwischen reichen und ärmeren Regionen zu verschieben – zulasten letzterer. In vielen Ländern, wie Italien sind  wirtschaftlich wohlhabende und dichte besiedelte Regionen besonders hart betroffen, haben aber ihre (sowieso geringeren) EU-Mittel bereits ausgegeben oder vollständig gebunden. Unter normalen Bedingungen stünden ihnen weniger Mittel aus den Strukturfonds zu.  Wenn Mitgliedstaaten nun entscheiden dürften, zeitweise unbegrenzt Gelder, die für die ärmsten Regionen in ihrem Land vorgesehen waren zwecks Krisenbewältigung in die reicheren, aber stärker betroffenen umzuleiten, ist das zwar auch Solidarität, widerspricht aber eigentlich dem Grundgedanken der „Kohäsion“, also der Angleichung der Lebensverhältnisse. Normalerweise können nur maximal 15% der Mittel zwischen Regionenkategorien verschoben werden.
  • Thematische Konzentration heißt, die Mitgliedstaaten müssen unter Normalbedingungen bestimmte Mindestanteile der ihnen zugestandenen Fördermittel bestimmten gemeinschaftlich beschlossenen EU-Prioritäten zuweisen: z. B. für kohlenstoffarme Wirtschaft, Forschung und Innovation sowie die soziale Eingliederung. Dank der Notfallbestimmungen würden die Mitgliedstaaten von dieser Verpflichtung befreit, könnten Ressourcen in Bereiche hinleiten, wo sie akut benötigt werden. Auch das ist erst einmal nachvollziehbar. Die gegenwärtigen Bemühungen konzentrieren sich zu Recht auf die Bewältigung der unmittelbaren Herausforderungen der Pandemie. Doch der unmittelbar nächste Schritt muss der nachhaltige Wiederaufbau unserer Regionen und Städte sein. Das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein und den Europäischen Green Deal insgesamt sozial gerecht umzusetzen, muss Teil der Strategie sein, wie wir unsere Volkswirtschaften überall in der EU nachhaltig wieder aufbauen. Der REGI-Ausschuss hatte folgerichtig auch betont, dass Kürzungsabsichten zur Kohäsionspolitik grundsätzlich nicht akzeptabel sind, angesichts dieser zusätzlichen Herausforderung aber noch weniger.

Dieser Vorschlag zur Änderung bestehender Verordnungen ist allerdings verschieden von einem, am selben Tag veröffentlichten europäischen Plan zur Stärkung der Kurzarbeit SURE.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.