Bedrohte Medienfreiheit

Vor allem Medienkonzerne und Autokraten gefährden die Pressefreiheit in Europa, meint Martina Michels

Von Martina Michels – Neues Deutschland

Vermummt, aggressiv, skrupellos. So stürzten sich 15 Gewalttäter*innen brutal am 1. Mai auf ZDF-Fernsehleute. Ohne Vorwarnung prügelten und traten sie auf das Team der »heute show« ein. Bei diesem Angriff auf dem Berliner Alexanderplatz wurden sechs Menschen verletzt. Diese feige Tat mitten in Deutschland ist ein Angriff auf unsere Demokratie, auf unsere Freiheit. Denn keine Demokratie ohne freie Medien! Immer öfter werden Journalist*innen bei Demonstration Opfer von Gewalt, im Netz sind psychische Angriffe trauriger Alltag. In anderen EU-Staaten wird sogar gemordet: die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia wurde aus dem Leben gebombt, der Slowake Jan Kuciak wurde kaltblütig hingerichtet. Der Schutz in Europa reicht nicht, damit Journalist*innen angstfrei arbeiten können. Das muss sich sofort ändern.

Medienfreiheit dreht sich nicht nur um die Sicherheit der Menschen, die uns alle informieren und unterhalten. Medienfreiheit in einer Demokratie heißt auch: Wir brauchen unterschiedliche Meinungen. Diese gibt es nicht mehr, wenn nur ein paar Medien-Konzerne zu viele Marktanteile haben. Genau diese Gefahr besteht in Europa. Laut einer Studie der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle teilten sich 2016 nur 13 Medienunternehmen den Markt. »Länderübergreifende Rundfunkgruppen« seien entstanden, weil große Konzerne nutzen konnten, dass die europäischen Fernsehmärkte privatisiert wurden und der öffentlich-rechtliche Rundfunk oft zu schwach war. Bestes Beispiel: RTL – ein führender Medienkonzern in 17 europäischen Ländern. Das ist Marktmacht, zum Nachteil aller Bürger*innen. Die EU-Politik verhindert nicht, dass Konzerne marktbeherrschend werden. Sie greift erst ein, wenn diese Stellung missbraucht wird. Leider ist es dann für die Medienvielfalt meist zu spät. Denn um die schwindende Medienvielfalt richtig zu erfassen, reichen Marktanalysen, Werbeanteile und Zuschauerzahlen nicht aus. Wir brauchen Inhaltsanalysen der Programme, Sendearten und Nachrichten. Diese sucht man jedoch vergebens.

Die EU müsste viel mehr tun, um das Grundrecht der Presse- und Medienfreiheit zu schützen. Die jetzige Ausnahmesituation durch die Coronakrise zeigt und verstärkt bestehende Probleme. So ist die Medienfreiheit nicht nur in Ungarn in Gefahr, wo Premier Orbán längst 78 Prozent aller Nachrichten kontrolliert.