Urheberrechtsreform: Chance verpasst – Freiheit im Netz beschnitten

438 Abgeordnete haben heute bei 226 Gegenstimmen und 39 Enthaltungen ihre Zustimmung zum Bericht für eine EU-Urheberrechtsreform im digitalen Zeitalter erteilt. Damit liegen nun Ergebnisse, bei denen der Berichterstatter Axel Voss (CDU) sogar gegen den Koalitionsvertrag in Deutschland stimmte, auf dem Tisch. Martina Michels, zuständige Unterhändlerin der EP-Linksfraktion GUE/NGL im Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT), hält zu diesem Ausgang der heutigen Abstimmung über die Parlamentsposition zur europäischen Copyrightreform fest:

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„Die verabschiedete Reform des Urheberrechts im digitalen Zeitalter begründet eine rückwärtsgewandte Urheberrechtsdebatte, unnötige Presseverlegerrechte (Artikel 11), die schon in Deutschland und Spanien in der Praxis versagt haben, und bedroht die Garantie von Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Kunstfreiheit im Internet durch die sogenannten Upload Filter (Artikel 13).“

„Beide Vorschläge sind ungeeignet, die Krise der Printmedien aufzuhalten, besseren Journalismus zu befördern und Kreative im Netz fair zu bezahlen. Nirgends haben das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR) oder Upload-Filter die Lage der eigentlichen Urheberinnen und Urheber verbessert. Im Gegenteil hat es den Verlegern sogar geschadet und ist ein Desaster für Nutzerinnen und Nutzer. Es geht nicht darum, dass alles kostenlos ist, wie es gern unterstellt wird. Doch zur freien Netzstruktur gehören Referenzen, Ausschnitte, Zitate und zum freien Kommunizieren gehören auch Parodien und Remixe. Upload-Filter können dies jedoch nachweislich nicht vom Original unterscheiden. Sie blocken legitime Meinungen bei denen jeder Streitbeilegungsmechanismus zu spät kommt.“

„Es gibt Verbesserungen für Kreative, die in den Artikeln 14 – 16 vorgeschlagen wurden. Die Ausnahmen für Bildung, Kultur, Wissenschaft sind sinnvoll, aber ausbaufähig und Artikel zum Umgang mit den verwaisten Werken sind für Gedächtnisinstitutionen (Bibliotheken, Archive, Museen) sinnvoll. Dies ist allerdings nicht ausreichend, um dem Vorschlag insgesamt zuzustimmen.“

Martina Michels abschließend: „Absurderweise war der eindeutige Gewinner des Leistungsschutzrechts für Presseverleger in Deutschland ausgerechnet Google selbst. Sinnvoller wäre es, Google endlich angemessen zu besteuern und das Geld, statt direkt in die Taschen der Zeitungsverleger laufen zu lassen, besser in Medien- und Netzkompetenzen und unabhängigen Journalismus zu investieren. Eine Digitalsteuer ist allemal besser als ein gesondertes Leistungsschutzrecht für Presseverleger, die selbst in den vergangenen Jahren nicht in ihre Printsparten investiert haben.“

„Kurz vor der Abstimmung das Leistungsschutzrecht zu einer Frage von Leben und Tod von Journalistinnen und Journalisten zu machen, grenzt an Unlauterkeit und Blindheit gegenüber besseren Lösungen, Journalistinnen und Journalisten zu fördern, zu schützen und sie und ihre Recherchen gut zu bezahlen. Mit dem Leistungsschutzrecht wird das alles nicht erfüllt werden.“

„Ebenso ist bis heute das Einkommen von Musiker*innen und Autor*innen durch die vorhandenen upload-Filter nicht gestiegen. Die upload-Filter haben bisher nur nachweislich Meinungsvielfalt verhindert. Mit ihnen würden diese Zensurmöglichkeiten – auch demnächst beim Kampf gegen fake-news und Terrorismus – per Gesetz in privatwirtschaftliche Hände gegeben werden, statt sie abzuschaffen. Bei der europäischen Harmonisierung des Urheberrechts sind wir wieder keinen Schritt weiterkommen. Heute wurde nur die Freiheit im Internet an die große Kreativindustrie und an Springer & Co. verscherbelt.”

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.