Netzneutralität: Regulierungsbehörde bügelt Versäumnisse der Kommission aus

Foto: Louise Schmidt

Gestern veröffentlichte BEREC, das Gremium Europäischer Regulierungsstellen, Richtlinien für die Implementierung der EU-Verordnung zur Netzneutralität.

Im vergangenen Oktober einigte sich das Europäische Parlament auf eine Fassung der EU-Telekommunikationsverordnung (Telecoms Single Market, TSM), in der die Netzneutralität ein wesentlicher Bestandteil ist, doch eine unmissverständliche Festschreibung suchte man vergebens, offenbar auf Druck vieler Lobbyisten. Da der verabschiedete Text ohne Interpretation praktisch unanwendbar war, hatte die Regulierungsbehörde BEREC (Body of European Regulators of Electronic Communications) bis gestern den Auftrag, die entstandenen Schlupflöcher interpretatorisch wieder zu schließen. Das Ergebnis ist weitestgehend ein Teilerfolg für das freie Internet. Dazu Martina Michels, kulturpolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE im Europaparlament:

„In erster Linie ist die gestrige Bekanntgabe ein Etappensieg für das Prinzip des freien Internets, für die politische Durchsetzung des demokratischen Prinzips, dass jede und jeder im Netz gleich behandelt wird. Dieses Grundprinzip einer sozial gerechten und pluralen Netzpolitik weckte immer wieder Begehrlichkeiten, es zu Gunsten von zusätzlichen Profiten für die Telekommunikationsunternehmen zu sabotieren und zahlungskräftigen Unternehmen eine Überholspur im Internet zu offerieren. Mit den Leitlinien der BEREC ist diesen Bestrebungen von Telekom, Telefónica und Co. eine weitgehende Absage erteilt worden. Es wurde konkret das Prinzip der Nichtdiskriminierung festgeschrieben, verbunden mit dem essentiellen Verweis auf die Wahrung der Meinungs- und Informationsfreiheit.

Die BEREC handelte im Rahmen der vorliegenden Verordnung, sodass nicht alle Unzulänglichkeiten der ursprünglichen Richtlinie beseitigt wurden. Weiterhin werden wir uns mit den umstrittenen Spezialdiensten und dem sogenannten „Zero-Rating“ befassen müssen, d.h. der Reduzierung des Internets auf einen einzelnen Anbieter wie beispielsweise facebook. Ein Verbot dieser Praxis ist in Einzelfällen theoretisch noch immer möglich, wenn nationale Regulierungsbehörden dies so entscheiden. Ein gemeinsamer, harmonisierter Binnenmarkt sieht anders aus.“

Martina Michels abschließend: „Dass es die Gesetzgeber der EU überhaupt erst so weit haben kommen lassen, ist das eigentliche Problem. Die Regulierungsbehörde bügelte deren Versäumnisse aus und nutze dabei das Engagement der Zivilgesellschaft, indem sie eine öffentliche Konsultation für Privatpersonen, NGOs, Start-Ups und die Industrie einrichtete. Besonders aktiv waren in dieser politischen Auseinandersetzung die AktivistInnen hinter SaveTheInternet.eu, die sich mit 500.000 Einträgen deutlich für Netzneutralität einsetzten.

Der Etappensieg durch die BEREC sollte uns nicht dazu verleiten, die Hände in den Schoß zu legen. Wir können davon ausgehen, dass die Telekommunikationsunternehmen, die mit ihrem G5 Manifesto im Juli 2016 eine deutliche Ansage an die europäische Politik gestartet haben, an ihren profitablen Vorstellungen eines Mehrklasseninternets festhalten werden. Wir bleiben dabei: Netzpolitik ist kein alleiniges Thema der Telekommunikationsunternehmen, der Informations- und Kommunikationsindustrie. Es geht darum, wie wir heute lernen, kommunizieren, uns ein Bild von der Welt machen und informieren können. Es geht um den Zustand unserer Demokratie.“