Ab Sommer ohne Roaminggebühren durch Europa?

Oder: Was hat die Abschaffung von Roaminggebühren mit Netzneutralität zu tun?

Ab Sommer ohne Roaminggebühren durch Europa?

Die Fraktion debattierte gestern sachlich und kostrovers die im Plenum in der nächsten Woche anstehende Abstimmung zur Abschaffung der Roaminggebühren. Sie beleuchete auch Hintergründe, die hinter dem sinnvollen politischen Ziel verborgen sind: die Angriffe auf die Netzneutralität. Martina Michels trug Gründe vor, warum sie zustimmen wird, obwohl sie auch sieht, welche Konflikte die politischen Auseinandersetzungen mit der Telekombranche begleiten. Das ist nicht weniger als ständige Angriffe auf die Netzneutralität oder die Weigerung, beim G5-Ausbau ein gutes Stück der Investitionen mit zu tragen.

Gestern debattierte die Fraktion einen Bericht der finnischen Sozialdemokratin Kumpula-Natri aus dem Industrieausschuss, indem die u. a. die Abschaffung der Roaminggebühren verhandelt wird. Die Debatte entstand aufgrund der großen Bedenken unseres GUENGL-Scattenberichterstatters, João Ferreira von der PCP, der  zurecht die Frage stellte: „Wer wird den Wegfall der Roaminggebühren bezahlen?“ Seiner Meinung nach werden dies die Bürgerinnen und Bürger der südlichen Länder Europas sein, die saisonal mit vielen Touristinnen und Touristen leben. Ihre Inlandanbieter werden die Gebürhen erhöhen.

Martina Michels und ihre finnische Fraktionskollegin Merja
Kyllönen
 (Vasemmistoliitto, Finnland) teilten diese Bedenken nicht, machten allerdings gleichermaßen auf Konfliktlagen aufmerksam, die hinter dem frommen Wunsch und der sinnvollen politischen Zielstellung – der Abschaffung der Roaminggebühren – stehen.

Martina warf in der Debatte ein: „Roaminggebühren sind eigentlich eine Schwester des Geoblockings. Und Geoblocking ist weitgehend eine Vermarktungsstrategie der großen Marktplayer gegenüber den Verbrauchern, die sich grenzüberschreitend in Europa bewegen wollen oder müssen. Es geht nicht nur um die Touristinnen und Touristen, sondern auch um die vielen Berufspendler in den Grenzregionen, die sich nicht alle mit zwei Sinkarten ausstatten. Hinter der Grenze unseres Landes, in dem wir wohnen, zahlen wir erneut und oft mehr für Dienste, das Roaming beim Anrufen und sms-Versenden.“

„Wir wollten – allein aus Sicht der Verbraucher immer -, dass Roaminggebühren abgeschafft werden.“, so Martina weiter. „Auch wenn Roaming mit den jetzigen Vorschlägen der Kommission nicht ganz verschwinden wird, wir sind ein Stück weiter. Ich begrüße das.“

Martina ging, mit der Frage unseres Berichterstatters mit: „Wer trägt eigentlich die Kosten für die Abschaffung der Roaming-Gebühren?“. Doch diese Argumentation, dass dann alles auf die Endkunden umgelegt wird, was nie ganz von der Hand zu weisen ist, das kennen wir schon von der energetischen Gebäudesanierung. Es bedeutet letztlich. Wir bewegen uns politisch nie, weil die Verhältnisse sind, wie sie sind. So kommen wir aber letztlich auch nicht weiter, befand sie einleitend.

Deshalb erläuterte Martina: Der Kommissionsvorschlag zielt gerade darauf, die Großmarktanbieter zu niedrigen Preisen zu zwingen und hat für die kleineren Endanbieter – wobei das real nicht nur kleine Unternehmen sind – einen Sicherungsmechanismen vorgeschlagen, eine Tragfähigkeitsklausel: Bei Verlust von mehr als 3 % Gewinn gibt es das Recht weiterhin Roaminggebühren zu erheben.“

Zweitens äußerte der Schattenberichterstatter unserer Fraktion auch große Bedenken zur Aufwertung der BEREC gegenüber nationalen Regulierungsbehörden. Er sieht dies als Schritt in eine weitere Marktliberalisierung. „Das ist nach meiner Auffassung genau anders herum.“, befand Martina. „Die großen Telekommunikationsunternehmen würden lieber heute als morgen die unabhängige Aufsichtsbehörde BEREC schwächen. Sie steht gerade für Marktregulierung und nicht für Liberalisierung.“

„Die BEREC ist, wenn man so will, der letzten großen Ritter für den Erhalt der Netzneutralität.“, erinnerte sie dann. „Sie ist der einzige unabhängige Regulierer der Telekombranche auf europäischer Ebene. Aus regionalpolitischer Perspektive ergänzte sie: „Ich bin – auch wegen des G5-Ausbaus – sehr dafür, dass die Stellung der BEREC sogar gestärkt wird. Und ich sage auch warum: Am 30. August 2016 hatte die BEREC Richtlinien für die Implementierung der EU-Verordnung zur Netzneutralität herausgegeben. Damit hat diese Regulierungsbehörde  BEREC die größten Kniefälle der Kommission vor den Großunternehmen ausgebügelt. Hinter den Richtigstellungen der BEREC gegenüber der TSM-Richtlinie der Kommission, standen immerhin auch 500.000 Unterschriften, gesammelt von NGOs, Bürgerinnen und Bürgern. Das können wir als Linke nicht einfach ignorieren.“ 

Abschließend – und da waren sich die Diskutanten wieder völlig einig, kam man auch zu den Schwachstellen des Berichtes – oder besser hinterm Bericht – und einem Hintergrund der Kommissionsvorschläge, den einige – vor allem die großen Telekomunternehmen – würden lieber im Dunkeln belassen. Martina Michels kommentierte: „Des Pudels Kern war und ist die Debatte um die Datenobergrenzen. Was verbirgt sich dahinter?  Machen wir uns nichts vor: Roaminggebühren waren das Bonbon an die Verbraucher  – und die Politik -, um von den Versuchen der Telekombranche abzulenken, die Netzneutralität zu durchlöchern, denn genau dies hatte sie im Gegenzug verlangt. Und so viel die BEREC hier repariert hat: Wir werden uns weiter mit zero-rating und den gefährlichen Spezialdiensten herumschlagen, die alle Einfallstore ins 2-oder Mehr-Klasseninternet sind. Da müssen wir weiterkämpfen. 

Deshalb können wir aber nicht jetzt gegen die Abschaffung von Roaminggebühren stimmen.“, so Martinas Fazit. In der nächsten Woche wird in Straßburg dann abgestimmt, die Fraktion wird sich sicher dazu am Montag nich einmal austauschen.