WDR setzt Rotstift bei der kulturellen Vielfalt an!

Foto: Louise Schmidt

Martina Michels, kulturpolitische Sprecherin und Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung des Europaparlaments (CULT), kommentiert die Entscheidung des WDR-Rundfunkrates, das Programmschema des WDR-Senders Funkhaus Europa grundlegend zu verändern.

„Ich war überrascht und etwas perplex, als ich zum ersten Mal von dem Vorhaben hörte, die Programmsparten des Senders zu rationieren. Das Funkhaus Europa zeichnete sich u. a. durch sprachliche Vielfalt aus. Man schenkte anderen Sendeformaten nicht nur ein Randprogramm, sondern definierte sich durch türkisch-, russisch- oder polnisch-sprachige Programme. Das betraf Nachrichten genau wie die Erweiterung des Horizonts bei der Musikauswahl.

In einer Medienlandschaft, die seit Jahrzehnten immer einheitlicher wird, war dieser ursprüngliche Ansatz des Funkhaus Europas ein dringend benötigtes Angebot für die vielfältige Zusammensetzung der Hörerinnen und Hörer. Nicht die Quote entschied, sondern der öffentliche Auftrag, der die vielfältige Wirklichkeit angemessen repräsentieren sollte. In Zeiten der humanitären Krise in Europa, einer gefährlichen EU- und Europa-Skepsis, die herrschende Politik durch ihre reale Handlungsunfähigkeit weiter nährt und angesichts der hunderttausenden Menschen, die im deutschsprachigen Raum nicht nur Schutz, sondern eine neue, zumindest temporäre Lebensperspektive suchen, ist ein solch vielfältiges Programm nötiger denn je. Es ist ein notwendiges Labor für offene Gesellschaften von morgen, die die wirklichen Probleme der sozialen und kulturellen Integration diskutieren und auch anpacken.

Doch wie schon beim Sendeplatz und Format der EU-Berichterstattung, möchte der ehemalige Tagesthemen-Chef und jetzige Intendant der größten Landes-Rundfunkanstalt, Tom Buhrow, nun den Rotstift beim Funkhaus Europa ansetzen und 900.000 Euro einsparen.

Allein die Tatsache, dass an kultureller Vielfalt gespart werden soll, ist ein Armutszeugnis! Die Vielfalt des Programms soll gestutzt und gekürzt werden, beispielsweise soll das türkische Programm von acht auf nur zwei Stunden radikal zurückgeschraubt werden. Zudem sollen sich die muttersprachlichen Formate künftig die Sendezeit untereinander teilen – darunter Magazine auf Russisch, Italienisch und Polnisch – also aus vier mache eins.

Ähnliche Kürzungen sollen auch den Sendungen auf Bosnisch, Kroatisch oder Kurdisch widerfahren. Da tröstet es nicht, wenn das arabisch-sprachige Programm einen täglichen Sendeplatz erhalten soll, so doch andererseits alle anderen Kulturen gegeneinander ausgespielt werden. Diese Entscheidung des Rundfunkrates untergräbt in der Konsequenz die Daseinsberechtigung der öffentlich-rechtlichen, steuerfinanzierten Angebote und sägt damit am Ast der eigenen Akzeptanz beim Publikum. Es braucht nicht einen weiteren, austauschbaren mainstream-Sender, der sich zuerst von Werbeplätzen und Einschaltquoten abhängig macht. Davon hat die deutsche Medienlandschaft längst genug.

Was der sprachlichen Vielfalt angetan wird, soll gleichermaßen bei den Musikprogrammen passieren, als ob wir nicht schon von einer „reichen Auswahl“ an dem immergleichen Dudelfunk umgeben sind. Das ist ein nicht nachvollziehbarer Schritt des Intendanten und grenzt eigentlich an einen Skandal, denn das Funkhaus Europa besaß mit diesem Angebot ein Alleinstellungsmerkmal in einem von immer mehr Privat- und öffentlich-rechtlichen Mainstream Sendern geprägten und dominierten Umfeld.

Wir brauchen nicht weniger sondern mehr Vielfalt. Ein Radiosender wie das Funkhaus Europa soll 900.000 Euro einsparen und sein Programm grundlegend ändern, während mit den GEZ-Gebühren erst kürzlich wieder mehr als 50.000.000 Euro für die Übertragungsrechte der Fußball-Champions-League der Männer aufgewendet werden. Tom Buhrows Intendanz und solche Entscheidungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wirken wie aus der Zeit gefallen.“