Martinas Wochen 8 & 9 – 2019

Feminist Forum 2019 in Brüssel | Foto: GUE/NGL Press Unit

Brüssel – Bonn – Berlin: Wirtschaftsdemokratie und Medienfreiheit – Frauenstreik – Uploadfilter – Europawahlen – Europa vor Ort – Israel – Türkei

Ende Mai sind Europawahlen, so dass derzeit die Ausschüsse des Europäischen Parlaments unter Hochdruck letzte Abstimmungen und Berichte behandeln. Die Miniplenen in Strasbourg und die Plenarwochen in Brüssel sind entsprechend vollgestopft. „Europa vor Ort“ bekommt ebenso eine erhöhte Aufmerksamkeit, in Veranstaltungen und auf der Strasse, sei es bei den freitäglichen Umweltdemonstrationen der Schülerinnen und Schüler oder bei Protesten gegen die EU-Urheberrechtsreform, die vor allem die Kreativität von Nutzerinnen und Nutzer, aber auch übliche Gebrauchsweisen, wie Zitate und Memes, Berichte und Livestreams, letztlich eine freie Kommunikation im Internet bedroht. DIE LINKE im Europaparlament ist seit Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge 2016 gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Art. 11) und gegen verbindliche Uploadfilter (Art. 13) aktiv. Schon im Juli 2017 hat Martina gegen die beiden Artikel im Kulturausschuss (wir ihre damalige Pressemeldung) gestimmt, lange bevor der Konflikt ins Plenum kam und lange bevor er die Straßen erreicht hat. Zum 23. März 2019 ist zu einem weiteren europäischen Aktionstag aufgerufen und wir werden natürlich dabei sein. 

Martina sprach über die EU-Urheberrechtsreform in Bonn am 22.2.2019, was in nah und fern intensiv verfolgt wurde | Foto: Cornelia Möhring

Zwei Wochen „ohne Pause“ liegen hinter Martina, denn am vergangenen Wochenende diskutierte DIE LINKE in Bonn auf ihrem Europaparteitag das Programm, wählte die Liste der Abgeordneten, die für das Europäische Parlament kandieren. Und natürlich waren bisherige Abgeordnete mit einem Bericht und ihren Erfahren gefragt.

Martina hatte in der Woche zuvor eine wichtige Abstimmung zum Programm Creative Europe 2021 – 2017 im Kulturausschuss, die auch noch den Plenum im März oder April erreichen wird. Dann werden wir dazu ausführlich berichten.

Sie sich mit der Bürgermeisterin aus Cizre, Leyla Imret, die derzeit in Deutschland im Exil ist.

Nach Brüssel waren wiederum in der vergangenen Woche Vertreterinnen und Vertreter von „Break The Silence“ aus Israel zu Gast, eine Organisation, die ehemaligen Soldatinnen und Soldaten ermöglichst ihre Erfahrungen in den besetzten Gebieten aufzuarbeiten. 

In der kommenden Woche ist europaweit Frauenstreik. Seinen jüngere Geschichte beginnt 1975Warum Streik? Wir sind auf jeden Fall dabei und auch in Brüssel sind viele bei Feminist Forum zu Gast.

Zwischen zwei Wochen in Brüssel: LINKE beschließt in Bonn ihr Europawahlprogramm

10 der 24 linken Kandidat*innen für die Europawahl | Foto: Ulrich Lamberz

Der Parteitag in Bonn war von einer freundlichen Diskussionskultur geprägt und markierte zumindest viele offene Fragen, die die LINKE auf dem Weg einer eingreifenden Europapolitik in Zukunft wird beantworten müssen, sowohl strategischer und bündnispolitischer Natur als auch wenn es um programmatische Tiefe geht, so dass aus radikaler Kritik in Zukunft mehr konkrete Vorschläge erwachsen, die Wählerinnen und Wähler plausibel und interessant finden. Der Anfang ist gemacht und es dürfte nun vorbei sein, dass auf Positionen zur Europapolitik mit der unterkomplexe Frage reagiert wird: „Bist Du für oder gegen die EU?“. Eine gute Zusammenfassung des Parteitags, dem zwar ein Blick auf das Frauenplenum mangels Teilnahme fehlte, hat Alban Werner bei Sozialismus. de geschrieben. Ein Teil der medialen Widerspiegelung hat der OXI-blog zusammengefasst.

Das andere Israel: Ausstellung in Brüssel

Breaking the Silence präsentierte in dieser Woche im Europäischen Parlament eine Fotoausstellung. Die Organisation sammelt und publiziert Zeugenaussagen von IDF-Soldaten, die seit der 2. Intifada im Jahr 2000 bis heute in den besetzten palästinensischen Gebieten gedient haben. Es geht darum, den Alltag in den Gebieten ins öffentliche Bewusstsein zu tragen und öffentliche Debatten über den Preis militärischer Kontrolle einer Zivilbevölkerung auszulösen. Zum Hintergrund ist hier ein umfassender Bericht zum Anliegen der Ausstellung.

Europa vor Ort – Berlin-Baumschulenweg

Europa vor Ort am 28. Februar in Berlin | Foto: Peter Cichorius

Am Donnerstag, den 28.Februar, war Martina zu einer öffentlichen Bürgerversammlung in Berlin-Baumschulenweg im Domizil eingeladen. In einer lebhaften Diskussion, moderiert von Fabian Wisotzky, wurden vor allem Fragen zur Militärisierung der EU, den Beziehungen zur Türkei und der verfehlten Flüchtlingspolitik, sowie zur Ökologie erörtert. Gleichzeitig bewegte der Brexit und die Fördermittelpolitik und es wurde diskutiert, wie Länder und Kommunen bei den politischen Ausrichtungen der Struktur- und Regionalpolitik eingebunden sind und mehr öffentliche Kontrolle bei der Mittelvergabe ausgeübt werden kann. Martina berichtete, dass Förderregionen auch vor Ort auf Studienreisen geprüft werden und dabei die Mitsprache der geförderten Projekte konkret wird, Kritiken ganz unmittelbar Abgeordnete erreichen, aber auch Vertreterinnen und Vertreter der EU-Kommission. Mit Martinas Aufruf: „Wir müssen uns zu Europa bekennen, um es zu verändern!“ endete der sehr lebhafte Abend, bei dem u. a. auch Christa Luft sich in die Debatte einmischte.

Demonstrationen: Friday for Future und Save The Internet – Die Jugend zeigt Gesicht für Europas weltoffene Zukunft

Was ist los? Schülerinnen und Schüler werden von konservativen Politikerinnen und Politikern als Schulschwänzer bezeichnet. Europaabgeordnete, wie der Satiriker der Partei DIE PARTEI, Martin Sonneborn, bietet hingegen den jungen Menschen fertige Entschuldigungszettel an, die sie für ihre freitägliche Selbstermächtigung, bei der sie für ihre Zukunft auf die Straße gehen, nutzen können. Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg initiierte Streiks gegen den Klimawandel, die inzwischen zu einer internationalen Bewegung Fridays For Future geworden sind. 

Gestaltung: Uwe Stümke

Zugleich gehen inzwischen den dritten Samstag in Folge mehrheitlich junge Menschen gegen die EU-Urheberrechtsreform, gegen verbindliche Uploadfilterauf die Straße, zuerst in Köln, inzwischen auch in Berlin. Wer hätte gedacht, dass eine derart sperrige Materie, die offenbar auch dem konservativen Berichterstatter Axel Voss allerhand Schwierigkeiten bereitet, mehr als eine kleine Netzgemeinde anspricht. Uns freut dies ungemein und wir unterstützen diese Proteste so gut wir können. All unsere linken Abgeordneten haben inzwischen auf der www.pledge2019.eu unterschrieben, dass sie gegen den Art. 13, gegen die verbindliche Inhaltserkennungssoftaware stimmen werden, wenn das Ergebnis des Trilogs zwischen dem Europäischen Rat, der Kommission und dem Parlament, erneut zur Abstimmung ins Parlament kommt, denn sie sind zuerst Zensurinstrumente und könne überdies auch zu einer Überwachungsstruktur ausgebaut werden. Alle angemeldeten Demonstrationen für den europaweiten Aktionstag am 23.3.2019könnt ihr hier bei der SaveTheInternet Kampagne finden. Martina hatte die Positionen nochmal in ihrem Pressekommentar nach dem Trilogergebnis zusammengefasst. Derzeit überstürzen sich die Informationen zu den Uploadfiltern in allen Medien und zur gesamten Urheberrechtsreform. Da manch Presseverleger hier eher Lobbyist denn objektiver Berichterstatter ist, ist das sachkundig machen hier oberste Pflicht. 

In der vergangenen Woche verwirrte sogar die Homepage des Europaparlaments mit einem einseitigen Video zur Urheberrechtsreform und der falschen Meldung, dass die Entscheidung nun schon gefallen sei. Dem ist nicht so, weshalb wir auch ordentlich Druck machen werden und auf www.pledge2019.eu könnt ihr sehen, wie sich eure Abgeordneten bei der kommenden Abstimmung entscheiden werden und wer noch keine Entscheidung getroffen hat.

Wir einen Überblick über die gesamte dreijährige Geschichte der EU-Urheberrechtsreformhaben will, kann bei Netzpolitik.org eine gute Zusammenfassung finden und auch weitere aktuelle Berichterstattungen.

Türkei vor den Kommunalwahlen: Treffen mit Leyla Imret in Bonn

Leyla Imret, Bonn 22.2.2019 | Foto: Konstanze Kriese

Voraussichtlich am 31. März werden in der Türkei Kommunalwahlen (Mahallî İdareler Genel Seçimleri) stattfinden und die Vorboten sind wieder in als Verhaftungswellen innerhalb der Türkei spürbar. Erdogans Nervosität ist zur zeit beinahe greifbarer als seine Allmachtsfantasien, wenn er jede Richtung seiner Opposition wieder des Terrors verdächtigt und politische Auseinandersetzungen um seinen despotischen Kurs mit strikten Drohungen und Verfolgungen beantwortet. Kurdinnen und Kurden sind eine der Minderheiten, die unter dieser Entwicklung am meisten leiden. Leyla Güven, die jetzt soviel Tage im Hungerstreik ist, dass ihre Entscheidung kaum noch zugetragen, wenn auch zu respektieren ist, wurde zwar aus der Haft entlassen, doch die Lage ändert sich kein bisschen. Sie und andere noch immer in Haft gequälte Menschen brauchen mehr internationale Unterstützung.

Darum warb Leyla Imret, die einstige Bürgermeister aus Cizre, die selbst im Exil in Deutschland lebt, am 22. und 23.2. in Bonn. Bundestagsabgeordnete und Europaabgeordnete, wie Martina, versprochen ihr, nicht locker zu lassen, weiter Prozess- und Wahlbeobachtungen zu organisieren und die Solidarität mit Leyla Güven mehr öffentlich zu machen. 

Wirtschaftsdemokratie, Medienfreiheit und Whistleblowerschutz: Die Wirklichkeit ist düsterer als jeder Krimi

Die deutsche Bundesregierung blockiert bei der Schließung von Steuerschlupflöchern und auch, wenn Menschen Kriminalität, im großen Stil die damit in Zusammenhang steht, aufdecken. Ob Lux Leaksoder Panama Papers, es traf immer Journalist*innen, die kriminalisiert wurden oder gar ermordet wurden, weil sie etwas auf der Spur waren, was sich Banken und Konzerne gern als „Verrat von Geschäftsgeheimnissen“ gesetzlich schützen lassen würden. Es wäre ein Schlag gegen eine weit verstandene Form notwendiger Wirtschaftsdemokratie, sollte sich diese politische Linie durchsetzen, die vor allen in Deutschland derzeit seltsame Blüten treibt. Es ließt sich wie ein Stoff für einen Kriminalroman, doch es ist bitterer Ernst, der in die politische Öffentlichkeit gehört: Deutschland will sogar das Strafgesetz gegen Journalistinnen und Journalisten einsetzen. Dass Deutschland dann zeitgleich beim europaweiten Whistleblwoerschutz blockiert, erscheint dann fast nur noch wie eine finstere Fussnote. 

Dass hier allerhand bei der derzeitigen Spitzenkandidatin der SPD für das Europaparlament zusammenläuft, der eloquenten Ministerin Katarina Barley, die uns schon beim faulen „Kompromiss“ zum § 219a („Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche) und bei der Zustimmung Deutschlands zu Art. 13, zu den Uploadfiltern (s.o.) auffiel, ist mehr als eine Enttäuschung auf der ganzen Linie.   

Was sonst noch passierte? 

Der Oscar wurde u. a. an Olivia Colman vergeben für ihre extravagante Darstellung der Königin Anne in der grotesken Dramakömodie „The Favourite“, bei der so manches entfernt an Unterhausdebatten der Gegenwart erinnert. Ein sehr empfehlenswerter Film. Und wenn noch jemand behauptet, sie hätte ihr Talent zuvor in Dr. Who vergeudet, der hat es wohl nie gesehen.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.