Martinas Woche 47 – 2019

Foto: Jörg Bochmann

Auf dem Wege ins Novemberplenum in Strasbourg

Brüssel – Helsinki – Berlin: Haushalt 2020 – Studientage – Linke und Kultur – HDP in Berlin zu Gast

Diese Woche reiste die GUENGL-Fraktion und damit auch Martina nach Helsinki zu Studientagen, auf denen Energiepolitik, Gleichstellung, Bildung und vieles mehr zur Debatte stand. In Berlin tagte eine zweitägige Kulturwerkstatt, die von Digitalisierung und Kultur bis zu Kultur und Migration eine recht umfassenden und strategischen Blick auf Kulturpolitik wagte. Am Samstag waren kurdische Politikerinnen und Politiker waren zu Gast in Berlin bei der Linken, um eine internationale Aufklärung des Mordes an Hevrin Khalaf zu fordern. 

EU-Haushalt: Aufrüstung und Abschottung statt Dialog und Kultur

Özlem Alev Demirel | Foto: Oliver Hansen (GUE/NG)

Ob die Grenzschutzagentur FRONTEX oder das Forschungsprogramme wie Horizon 2020, die Haushaltsansätze der drei Gesetzgeber der Europäischen Union, stehen auf Rüstung und Abschottung statt globaler und sozialer Gerechtigkeit. Am Ende sind Haushalte Zahlen, in die die ganze Politik praktisch gegossen wurde, egal wie gerade die Sonntagsreden ausfallen. Özlem Demirel kommentierte diese Woche diese Verhandlungsergebnisse.

Wir wollen, obwohl wir das Thema – Linke und Kultur – noch einmal in dieser „Martinas Woche“ weiter unten behandeln, an dieser Stelle noch ein paar andere Haushaltszahlen hinzufügen, die es in sich haben: Für die Kulturwerkstatt der Linken hatten wir einmal zusammengestellt, wie klein und unbedeutend sich das einzige EU-Kulturprogramm ausnimmt, wenn man es in Beziehung zu anderen Ausgaben stellt.

Klar ist Kultur im klassischen Sinne kein Politikfeld, dass die EU außer über Pilotprojekte wirklich groß berührt. Sie greift damit – ähnlich der Bildung – nicht in die Hoheit der Mitgliedstaaten ein, die bei diesem Politikfeld aus unterschiedlichen Gründen hochgehalten wird. Es gibt zwar neben der eher marginalen EU-Kulturpolitik trotzdem EU-Förderflagschiffe wie Erasmus+. Die haben mit ihren bisherigen 14 Mrd. Euro im Haushalt (verteilt über 7 Jahre) und die Aufstockung um eventuell das Dreifache für 2021 – 2027 ist durchaus in Aussicht, durchaus Einfluss auf die kulturelle Entwicklung, den demokratischen Dialog innerhalb Europas. Es gibt auch andere Politiken, wie zum Beispiel die Urheberrechtsrichtlinie oder Audio-Visuelle Mediendienste-Richtlinie usw., die Einfluss auf die europäischen Kulturlandschaften haben. 

Doch wir wollen an dieser Stelle einfach mal folgende Zahlen festhalten: Das Programm Creative Europe hatte 1,4 Mrd. € in 7 Jahren – 2014-2020 (bis 2017 waren auch Projekte aus der Türkei noch als Begünstigte möglich, dann hat die Türkei selbst erklärt, dass sie sich nicht mehr an diesem Programm beteiligt). Nun ein paar andere Zahlen: Knapp 60 Mrd. € pro Jahr (!) wiegen die Agrar- und Fischereisubventionen und wir wissen, wen das wirklich reich macht und wie es globale Märkte verzerrt, den Ländern des globalen Südens den Marktzugang abschneidet. 6 Mrd. € hatte der Europäische Rat für die Abwehr von Flüchtenden in ihrem Türkei-Deal außer der Reihe beschlossen und an die Türkei von 2016 – 2018 weitgehend ausgereicht. Hier sind zwar die Hälfte der Gelder aus den Mitgliedstaaten dazu gekommen, trotzdem ist insgesamt die politische Prioritätensetzung erschlagend, wenn man vergleicht, wieviel man für den kulturellen, demokratischen Dialog überhaupt am Ende in Haushaltsansätzen wiederfindet

Helsinki: Was macht eine Fraktion, wenn sie sich sich Zeit für Studientage nimmt?

Foto: Jörg Bochmann

Diese Woche reisten unsere Abgeordneten auf Einladung der finnischen Mitglieder der GUE/NGL-Fraktion in Finnlands Hauptstadt Helsinki. Dort fanden von Dienstag bis Donnerstag unter dem Titel „Eine sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Gesellschaft“ die Studientagen statt. Das Congress Center auf der direkt am Stadtzentrum gelegenen Insel Katajanokka war ein idealer Standort, sowohl zum Tagen als auch zu kurzen Wegen am Wasser in den Pausen, bei den interessanten Gästen und dem Debattenstoff also rundum ideal. Auf dem Program stand Energiepolitik und Vergesellschaftung, Bildung und Geschlechtergerechtigkeit, die Besichtigung von Kraftwerken, dem Parlament und auch einer Sauna, von der aus man direkt in die Ostsee kam. Jörg Bochmann hat mit Martina für uns berichtet.

Linke und Kultur – eine Werkstatt mit vielen offenen Fragen

Am Freitag und Samstag hatte die Ständige Kulturpolitische Konferenz (SKK) der Partei DIE LINKE zu einer Werkstatt neben ihren bundesweiten Mitgliedern auch die Kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher, sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Kulturwerkstatt geladen. Dabei stand zum Auftakt eines unserer Leib und Magen-Themen auf dem Programm: Wie weiter mit dem Kulturellen Erbe, der Digitalisierung in Stiftungen, Museen, Portalen, Sammlungen? Dazu waren Expertinnen von „Coding da Vinci“ geladen. Auch andere Fragen der Digitalisierung wurden gewälzt und wenn es die einfachsten waren, wie der schleppende Breitbandausbau oder vorsintflutliche Ausstattung in vielen regionalen Kulturinstitutionen. Weiterhin ging es um Kultur und Migration, um Kulturförderung und Finanzierung und es gab verständlicherweise am Ende der zweitägigen Werkstatt beinahe mehr Fragen als Antworten. Was aber schon einmal ganz fest mitgenommen werden konnte, war eine gemeinsame Haltung zum Staatsziel Kultur, zur Kultur als Gemeinschaftsaufgabe und damit einem Kooperationsgebot und ein klares Bekenntnis zu Kultur als Pflichtaufgabe in der Kommune. Auch wenn das grad ziemlich trocken klingt, ist darin schon das Bohren dicker Bretter für die nächsten Jahrzehnte enthalten, denn noch immer verschwinden gerade bei knappen Haushalten eigentlich Selbstverständlichkeiten einer Art kulturellen Grundversorgung und werden gern gegen die realen Pflichtaufgaben in der Sozialpolitik oder der Jugendpolitik ausgespielt. Da wir am zweiten Tag im der Berliner Brotfabrik tagten, hatten wir dort alles noch einmal jenseits der politischen Debatte vor Augen. Eine Kultureinrichtungen, die es seit Jahrzehnten gibt, arbeitet ohne jede institutionelle Förderung. Das ist kurz ein Skandal, aber diese Feststellungen hilft niemandem weiter und zielt eher darauf, dass Kulturpolitik einen anderen Stellenwert in Haushalten, in Politiken ganzer Parteien und Parlamente und auch auf der Strasse erkämpfen muss, denn allein eines der großen Probleme ist und bleibt die Sicherung von Räumen.

Und da kann sich insgesamt dann am Ende die Linke selbst an die Nase fassen. Ein strategisches Highlight sind die Voraussetzungen für dem demokratischen Dialog in unserer Gesellschaft, quasi eine gute kulturelle Infrastruktur nicht gerade. Zeit wird es also in den eigenen Reihen hier mehr Klarheit zu schaffen.     

Stoppt den Krieg in Nordsyrien: HDP-Vertreterinnen waren in Berlin zu Gast

Am Samstag fand ebenfalls der Berliner Landesparteitag statt, auf dem Martina über den Start der Linken in Brüssel seit der neuen Legislatur berichtete und sich zugleich bei einer solidarischen Aktion beteiligte, als Leyla Imret, die Co-Vorsitzende der HDP in Deutschland als Gastrednerin sprach. Immerhin mehren sich  Beweise und Stimmen, dass in Nordsyrien nicht nur die Invasion der Türkei als völkerrechtswidriger Akt verurteilt wird. Auch Kriegsverbrechen an Zivilistinnen und Zivilisten wurden insbesondere von Amnesty International, der österreichischen Sektion, in die Öffentlichkeit gebracht. Schon in den ersten Tages dieses unsäglichen Krieges wurde die Politikerin Hevrin Khalaf, die insbesondere für friedliche Versöhnung stand, von dschihadistischen Söldnern im Dienste der Türkei am 12. Oktober 2019 getötet. Die Forderung – siehe Banner – nach einer internationalen Aufklärung dieses Kriegsverbrechens ist das Mindeste.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.