Martinas Woche 10 – 2020. Kommentar zum EU-Gipfel: „Mit Verlaub: Ich muss kotzen!“

Seebrücke-Demonstation „Öffnet die Grenzen“ - 7. März, Berlin | Foto: Uwe Stümke

Martina Michels, Konstanze Kriese

EU-Ratsgipfel – Frauenrechte – Israel – Greta Thunberg zu Gast – Berlin – Frauenrechte

Zum Wochenauftakt war Martina Michels in einem Charlottenburger Gymnasium zu Gast und eilte gleich danach nach Brüssel, zu Delegations- und Fraktionssitzungen. Diese waren allesamt von den furchtbaren Ereignissen an den Grenzen in Griechenland, wo Faschisten Menschen auf der Flucht und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angreifen, überschattet. Lichtblicke der Woche waren Greta Thunbergs Besuch in Brüssel, Demonstrationen, organisiert von der Seebrücke und den Demonstrationen vieler Frauen weltweit zum Internationalen Frauentag.

Brüssel: Gipfel der Unvernunft nach Erdogans Grenzöffnung

Seebrücke-Demonstation „Öffnet die Grenzen“ – 7. März, Berlin | Foto: Uwe Stümke

Es ist 5 Jahre her, dass sich der Europäische Rat gerade einmal auf die Verteilung von 160.000 Menschen, die auf der Flucht waren, einigen konnte und real waren es bis heute nicht mehr als 25.000 Menschen, denen mit dieser Sofortmaßnahme die notwendige Unterstützung zukam. Schon am 7. März 2016 folgte der EU-Türkei-Deal, eine Vereinbarung der EU-Mitgliedsländer, die durch ihre Form keine Zustimmung des Parlaments erforderte und andererseits eine humane Asylpolitik weiter auf die lange Bank schob.

Syrien? Da ist Krieg, seit nunmehr 9 Jahren. Nach 2015 kamen dann wesentlich weniger Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Irak und dem Iran nach Europa, weil sie entweder in der Türkei festhingen, zum Teil mit 6 Mrd. Euro der EU versorgt wurden, ohne das eines der Probleme überhaupt in Angriff genommen wurde, was manch Politiker*innen so locker als „Bekämpfung der Fluchtursachen“ über die Lippen geht.

Heute flüchten viele vor dem Krieg, morgen noch mehr vor dem Klima oder den dadurch entstehenden neuen Kriegen, doch die EU tut so, als ob sie damit nichts zu tun hat. Dabei ist sie, sind wir alle, sowohl mit unserer imperialen Lebensweise und der herrschenden Politik mit den Waffenexporten oder einer ungerechten Handelspolitik zutiefst daran beteiligt, dass Menschen auf der Flucht sind.

Nach Erdogans Grenzöffnung und den nun für alle sichtbaren unmenschlichen Zuständen an der griechischen Grenze, die leider alles andere als neu sind, waren auch mehr Europaparlamentarier*innen vor Ort, schon länger der Abgeordnete der Grünen, Erik Marquardt und in diesen Tagen auch Michel Brandt und Özlem Demirel von den Linken. Die Lage für NGOs und Asylsuchende ist unerträglich. Erdogan benutzt die Schwächsten in seinem Land, um Hilfe für seine völkerrechtswidrige Verteidigung Idlibs zu bekommen und aus ganz Europa machen sich Nazis auf und verfolgen Hilfesuchende und Helfende auf den griechischen Inseln. Seit Tagen werden Brände in Unterkünften gelegt, die Asylsuchenden absolut allein gelassen. 

Der Gipfel in Brüssel verlegt sich erneut auf Grenzsicherung. Ursula von der Leyen übernimmt die Sprache der Rechten und erklärt vor Ort Griechenland zum „Schild Europas“. 700.000 Euro Soforthilfe für die Grenzsicherung waren das Ergebnis des Gipfels. „Mit Verlaub: Ich könnte kotzen!“,  reagierte die Pastorin Annette Behnken in der ARD am Samstag im „Wort zum Sonntag“ und das war wohl der mit Abstand treffendste Kommentar zu dem, was die EU-Kommission und der Europäische Rat hier liefern.

Seebrücke-Demonstation „Öffnet die Grenzen“ – 7. März, Berlin | Foto: Uwe Stümke

Zurecht werden weiter Spenden gesammelt, gehen Menschen, wie samstags in Berlin – gemeinsam mit dem Seebrücke-Bündnis – und an anderen Orten – auf die Straße. Wenn wir Menschlichkeit und damit europäische Grundwerte leben wollen, dann dürfen wir hier nicht locker lassen und müssen einer Politik der EU, die täglich Grundrechte aushebelt, den Spiegel vorhalten. Und immerhin scheinen die Protestierenden doch auch das Koalitionstreffen am Sonntag Abend berührt zu haben, wenn auch der Output, einigen Kindern aus Lesbos Schutz zu gewähren, wirklich nur ein bescheidener Anfang sein kann.

Israel hat erneut gewählt 

„Das starke Abschneiden von Netanjahus Likud-Partei ist kein gutes Zeichen für den Friedensprozess in Israel. Der unter Korruptionsverdacht stehende Netanjahu hatte den Siedler*innen im Wahlkampf die Annexion von besetzten Gebieten versprochen. Netanjahus Kumpel Trump hat mit seinem absurden ‚Plan‘ schon gezeigt, wohin die Reise gehen soll. In dieser Lage muss jetzt die EU größere Verantwortung übernehmen. Die Gemeinschaft muss den Druck erhöhen, um eine friedliche und nachhaltige Zwei-Staaten-Lösung voranzutreiben“, fordert Martina Michels in ihrem ersten Kommentar zur Wahl.

Viele Kommentatoren verweisen auf die gestärkte dritte Kraft in der Knesset, die Joint List, ein Parteienbündnis insbesondere arabischer Israelis. Die Joint List könnte eine wichtige Rolle spielen, den Friedensprozess mit einer Zweistaatenlösung wieder ernsthafter auch in die israelische, aber auch die arabische Öffentlichkeit zu tragen. Die deutsche Welle hat hier umfangreich über das Parteienbündnis berichtet, deren Abgeordnete waren auch schon mehrmals in unserer GUENGL-Fraktion zu Gast.     

Berlin: Europa vor Ort

Martina Michels und Konstanze Kriese im Gottfried Keller-Gymnasium in Berlin | Foto: Jörg Bochmann

„Ein ungewöhnlicher Wochenauftakt: Martina Michels war zu Gast im Gottfried-Keller-Gymnasium in Berlin-Charlottenburg. Eingeladen und begrüßt wurde sie, sowie ihre parlamentarische Mitarbeiterin, Dr. Konstanze Kriese, von der Fachlehrerin für“ Deutsch, Geschichte und Politik, Dr. Doris Mittlmeier, die das Treffen auch initiiert und vorbereitet hatte. In der Aula des Gymnasiums wurde die kleine Abordnung aus der europäischen Politik von ca. fünfzig Schülerinnen und Schülern der Abiturjahrgänge und besonders aus den Leistungskursen Politikwissenschaft empfangen. In diesem Jahr bearbeiten sie den Schwerpunkt „Europäische Union“. berichtete unser Berliner Kollege Jörg Bochmann hier ausführlich.

8.März – Internationaler Frauentag: Nicht nur Grund zum Feiern

10. Frauenpreisverleihung der LINKEN, 7.3.2020 | Foto: Antje SchIvatschev

Am Freitag wurde der Clara-Zetkin-Frauen-Preis der LINKEN vergeben und dies nun schon zum 10. Mal. Die 1. Preisträgerin des Clara-Zetkin-Frauenpreises 2020 war eine Fraueninitiative aus Torgau (FIT), die die einzige Notwohnung für Opfer von häuslicher Gewalt in Nordsachsen anbietet. Sie begleitet Frauen bei Behördengängen, der Jobsuche oder bei der Kinderbetreuung und bietet Hilfe zur Selbsthilfe. Der Ehrenpreis ging dieses Jahr an die bekennende Feministin und Rapperin Sookee, hier in einem Interview zu Frauen auf der Bühne.

Frauentag in Berlin | Foto: DIE LINKE

Der Blick über den Tellerrand zeigte Frauen weltweit, die – wie in Lateinamerika mit Mexico an der Spitze – gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straße gehen. Einmal mehr zeigten sich auch die Frauen in der Türkei allen Verboten zum Trotz widerständig und liefen nach Strassensperrungen zum Taksim. Mit etlichen Verhaftungen, die einmal mehr auch Journalistinnen trafen, regierte diesmal Erdogans Regime, das offensichtlich die Opposition der Frauen massiv fürchtet, als auch Polizei in Mexico und Chile.  

Plenum tagt wegen der Ausbreitung des Coronavirus Covid-19 in Brüssel

Was viele Initiativen, die um den einen Parlamentsplatz streiten, bisher nicht geschafft haben, schafft ein Virus, der uns allen Sorgen bereitet. Der Wanderzirkus des Europaparlaments nach Strasbourg wurde als Sicherheitsmaßnahme gegen die Ausbreitung von Covid-19 abgesagt. Das Plenum des Europaparlaments tagt, wie zu den Miniplenen, in Brüssel in dieser Woche. Und ja, es wird auch um die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Virus gehen müssen, um Gesundheitsvorsorge, wenn es ernst wird, eine gute Informationspolitik und um Sicherung der Wirtschaft, aber bitte in dieser Reihenfolge. 

Was sonst in dieser Woche verhandelt wird, findet ihr hier in der Tagesordnung und stichpunktartig in unserem Plenarfokus.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.