Wie kulturlos bleibt die neue EU-Kommission?

Foto: Louise Schmidt

Verabschiedet sich die EU-Kommission nach 20 Jahren von einem namentlichen Mandat für Kulturpolitik? Martina Michels, Mitglied im Kulturausschuss (CULT) und Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament, kommentiert die Anhörung der designierten Kommissarin für ‚Innovation und Jugend‘, Mariya Gabriel:

„Die Antwort der designierten Kommissarin auf meine Frage, ob das Thema ‚Kultur‘ nun aus dem Portfolio verschwinden wird, war ein Feuerwerk aus Beteuerungen, wie wichtig Kultur doch sei. In den schriftlichen Antworten an den Kulturausschuss hatte Mariya Gabriel noch von ‚Kultur [als] DNA Europas [gesprochen], wenn es um Vielfalt, Grundrechte und Werte geht.‘ Doch letztlich werden die schönen Worte ohne Konsequenzen bleiben. Mich schmerzt diese Herabwürdigung eines Politikfeldes, das für die europäische Integration von essentieller Bedeutung ist und ich halte einen solchen Umgang für einen großen politischen Fehler in Zeiten der Verrohung der politischen Auseinandersetzungen. Deshalb unterstütze ich auch die Petition von Culture Action Europe, in der viele Kulturinstitutionen sich entsprechend geäußert haben.“

„Den vielen Einzelfragen, die sowohl vom Kultur- als auch vom Industrieausschuss gestellt wurden, begegnete Mariya Gabriel wertschätzend und gut vorbereitet. Ich werde sie beim Wort nehmen, denn sie hat auf meine Frage hin zugesichert, dass sie die Umsetzung der Urheberrechts-Richtlinie in den Mitgliedstaaten intensiv begleiten will, besonders auch im Bereich der Wirksamkeit der Ausnahmen. Dies betrifft unter anderem die Arbeitsweise von Museen, Bibliotheken und Archiven, um ihren Forschungs- und Bildungsauftrag für die Allgemeinheit zu erfüllen, Zugänglichkeit und Sichtbarkeit zu sichern.“

Abschließend hält Martina Michels fest: „Auf meine fachpolitische Frage, ob nach der nun geltenden Urheberrechts-Richtlinie und der überarbeiteten Audio-Visuellen Medienrichtlinie nun eine Überarbeitung der eCommerce-Richtlinie ansteht, da diese weder eine redaktionelle Verantwortung von Plattformen noch eine Haftung für urheberrechtlich geschütztes Material vorsieht, antworte Gabriel beherzt, dass sie wohl in diesen drei Stunden Anhörung die kürzeste Antwort geben könne: Ja. Auch wenn dies dann nicht in ihrem Metier geleistet wird, hätte ich gern etwas zur Richtung ihrer Überlegungen erfahren, denn für den kulturellen Wandel im digitalen Zeitalter sind derartige politische Entscheidungen erheblich.“

Hintergrund:

Bereits im Vorfeld der Anhörungen sorgten der Zuschnitt und die neuen Portfolios der Kommission für Irritation, heftige Kritik und Unverständnis. Die größte Verwunderung galt der Verantwortung des designierten Vizepräsidenten Schinas, der am morgigen Donnerstagabend ausführlich angehört wird. Sowohl er als auch Gabriel sollen eine Verantwortung für Kultur und Bildung übernehmen. Wenn man davon ausgeht, dass der Kulturausschuss bisher in besonderer Verantwortung auch die Medienpolitik mitbestimmte und federführend bei der Audio-Visuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMSD) und anderen medienpolitischen Berichten und Gesetzgebungen war, ist überdies die Aufspaltung der Medienpolitik zwischen Gabriel und der designierten Kommissarin Sylvie Goulard, die in Frankreich zum Ziel polizeilicher Ermittlungen wurde, schwer nachzuvollziehen.