Kultur nur für die Freunde der Nacht

MdEP Martina Michels in der Aussprache zu strukturellen und finanziellen Hürden beim Zugang zu Kultur

Heute wurde ein umfangreicher Initiativbericht zu ‘Strukturellen und finanziellen Hürden beim Zugang zu Kultur‘ abgestimmt. Martina Michels, kulturpolitische Sprecherin der Delegation, war Schattenberichterstatterin und kommentiert:

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„Ob Jugend oder Kultur, wenn das Europaparlament entscheidende Zukunfts- und Wertedebatten führt, ist der Saal leer und es ist kurz vor Mitternacht. Dabei sind die sogenannten Cultural & Creative Industrieseine Branche, die wächst, mehr Beschäftigte als die Autoindustrie hat, in der mies bezahlt wird, obwohl sie viele Innovationen hervorbringt und wesentliche Debatten aufwirft, wie der heute abgestimmte Bericht zum Abbau von Barrieren beim Zugang zu Kultur detailreich darlegt.“

Sie ergänzt: „Ständig wird das Zitat des großen Europäers Jean Monnet bemüht: ‚Wenn ich nochmals mit dem Aufbau Europas beginnen könnte, dann würde ich mit der Kultur beginnen´, doch es scheint zum Lack der Sonntagsreden verkommen zu sein, sonst würde eine Kulturdebatte im Parlament vielleicht einmal zu einer guten Tageszeit geführt werden. Oder noch besser als manch verhallende Debatte wäre eine Ausstattung der kulturellen Infrastruktur, die den Zugang für alle umfassend sichert, in der Bildung, im Konzertsaal, in der Bibliothek, im Internet.“

„Noch immer sind die meisten Programme Opfer ihres eigenen Erfolges. Trotz kleiner Aufwüchse bleiben Sie hoffnungslos unterfinanziert. Doch auch andere Probleme, die einer europäischen Lösung bedürfen, werden auf die lange Bank geschoben. Dazu gehört das Damoklesschwert der Mehrfachbesteuerung von Künstlerinnen und Künstlern, die grenzüberschreitend tätig sind genauso wie die unzureichenden Urheberrechtsausnahmeregelungen für das kulturelle Erbe. Hier hilft offenbar nur das berühmte Bohren dicker Bretter. Immerhin endete der Plenartag gestern kurz vor Mitternacht nach der Kulturpolitikdebatte mit der amüsanten Feststellung, dass die besten Ideen oft nachts geboren würden. Schön, wenn das auch in der Politik ankäme.“

Plenarrede

Martina Michels, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. –

Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im kulturellen Dialog prägen wir unsere Werte und unser Geschichtsverständnis, verhandeln, wie wir globalen Problemen menschlich begegnen – ob das in einem Film oder in einem Comic passiert, literarisch oder musikalisch, ist egal.

Der kulturelle Dialog ist ein Lebensmittel. Der Zugang für alle ist entscheidend. Entscheidend ist mehr interkulturelle Bildung in und außerhalb von Schulen. Entscheidend ist auch eine öffentliche kulturelle Infrastruktur mit einer verlässlichen Unterstützung durch europäische Förderpolitik für Innovationen und für das kulturelle Erbe.

Der Berichterstatter hat gute Arbeit geleistet und kooperativ ergänzt. Im Bericht sind deshalb die Nöte der Kultur- und Kreativindustrie deutlich erwähnt. Diese wachsende Branche darf kein Vorbild für eine Arbeitswelt sein, in der soziale Absicherungen unbekannt sind. Außerdem werden Künstler, die über die Grenzen hinweg arbeiten, mit Mehrfachsteuern belastet. Das muss sich schleunigst ändern.

Was noch nicht konkret im Bericht steht, sind moderatere Urheberrechtsregelungen und damit auch erweiterte Ausnahmen für unsere kulturellen Gedächtnisinstitutionen wie Museen, Archive, Bibliotheken. Da werde ich weiter bohren und abschließend festhalten, dass wir alle eines beherzigen sollten: Kultur für alle kostet, doch Unkultur kostet uns alle mehr.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.