Dokumentation: Eröffnung des LUX-Film-Tages im Kino Babylon

Filmveranstaltung. 13. April 2022 | Foto: Jörg Bochmann

Rede von Martina Michels, 13. April 2022, Kino Babylon Berlin

Am 13. April wurden in Berlin alle 3 nominierten Filme zum diesjährigen Lux-Preis gezeigt. Die Veranstaltung wurde vom Verbindungsbüro der EU in Deutschland durchgeführt. Wir dokumentieren hier die Rede von Martina Michels zum Auftakt der Veranstaltung.

VA-Ankündigung 13:April 2022 | STÄNDIGE VERTRETUNG DES EP IN BERLIN

Berlin, Kino Babylon 13.4.2022

Verehrte Anwesende, Cineasten, Filmproduzentinnen, Kinogängerinnen, Kulturenthusiasten,

Für mich ist es eine wunderbare Aufgabe, den Lux- Film-Tag in Berlin, noch dazu im Kinos Babylon, eröffnen zu dürfen. Als Mitglied im Kulturausschuss des EP habe ich vehement für diesen Preis mitgekämpft und ihn oft vor Finanzkürzungen verteidigt.

Das Motto der EU lautet „Einheit in Vielfalt“. Diese Vielfalt lässt sich am besten in Kunst und Kultur widerspiegeln. LUX ist der Filmpreis des Europaparlaments, der seit 2007 vergeben wird.

Damit wurde ein Preis geschaffen, der die Produktion und den Vertrieb europäischer Filme unterstützen soll – gerade auch gegenüber den vielen amerikanischen Blockbustern. Er soll eine Debatte über aktuelle politische und soziale Themen anregen und die europäische Kultur anschaulich darstellen. Mit dem LUX werden Filme ausgezeichnet, die sich des Themas Integration annehmen und den Reichtum der sprachlichen Vielfalt in Europa widerspiegeln.

„Lux“ ist das lateinische Wort für „Licht“ und als Anspielung auf die Gebrüder Lumière gedacht. Die Trophäe stellt eine Filmrolle in Form eines Turms dar, die den Turm zu Babel symbolisieren soll.

Die jeweils nominierten Filme – es sind drei aus einer Jury-Vorauswahl -schärfen das Bewusstsein für aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen, sollen Brücken der Verständigung in Europa schlagen. Sie sind Ausdruck der Schönheit und Vielfalt des europäischen Kinos.


Seit 2021 wird der Preis zum ersten Mal vom Europäischen Parlament in Zusammenarbeit mit der Europäischen Filmakademie als Publikumspreis vergeben: neben den Abgeordneten des Europäischen Parlaments können auch die EU-Bürger*innen abstimmen. Die Stimmen der beiden Gruppen zählen zu je 50 Prozent. Der Preis verleiht den nominierten Filmen größere Außenwirkung, sodass man auch in anderen Ländern auf sie aufmerksam wird und ihnen ein größeres Publikum sicher ist. Er ermöglicht es Zuschauern aus der gesamten Europäischen Union, Filme zu sehen, die sonst in ihrem Land vielleicht nicht gezeigt würden.

Das Europaparlament ist überzeugt, dass das Kino als kulturelles Massenmedium ausgezeichnet geeignet ist, Diskussionen und Denkprozesse rund um Europa und seine Zukunft anzustoßen.

Im Rahmen des Preises übernimmt das Europaparlament die Kosten, um die drei Filme der Endrunde mit Untertiteln in allen Amtssprachen der EU zu versehen. Zudem wird der Gewinnerfilm für schwerhörige oder sehbehinderte Bürger*innen zugänglich gemacht. Es finanziert auch die Anpassung der Originalversion des Preisgewinners an die Bedürfnisse schwerhöriger oder sehbehinderter Bürger, sowie eine maßgeschneiderte Promotion des Films, damit dieser in jedem EU-Land gezeigt werden kann.

Wir haben diesen neu gestalteten Preis als Publikums-Preis, der ja in der Form noch sehr jung ist, einer Zeit zu verdanken, die uns allen wie ein Todeskuss für das Kino erschien, der Beginn der Corona-Pandemie. 

Als sich Deutschland auf die Europäische Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020 einstellte, waren Im Mai 2021 im Europäischen Kulturausschuss Künstlerinnen und Künstler, Kulturveranstalter, Kinobetreiber zu Gast und schilderten eindringlich, wie die Lage der Filmproduzenten, der geschlossenen Kinos, der Schauspieler*innen und der Menschen, die Licht, Ton und Brötchen machen, gerade ist.

Kamerafrauen und -männer hatten alles andere als kreative Pausen. Sie hatten wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen Existenzsorgen und Ängste um den kulturellen Dialog, der plötzlich verstummte, wenn man sich nicht in den Serien der großen Streaming-Anbieter verlor. Ein Kinobetreiber sagte damals in einer Anhörung im Kulturausschuss des EP angesichts der schnell von der EU aufgelegten Millionen-Hilfe für Kinos, die wenigstens in Mietzahlungen zum Erhalt umgesetzt werden sollten: „Ja, kleine Soforthilfen sind alle gut und schön. Doch wenn mein Kino wieder öffnet, dann bin ich wie ein Kellner, der keine Küche mehr hat. Ich kann nur Speisen aufwärmen, aber neue Filme werden derzeit auch kaum gedreht…“.

Wir haben im Parlament darum gekämpft, dass 2 % aller Mittel, die in der EU für die Erholung aus der Pandemie verausgabt werden, mindestens für die Kultur zur Verfügung gestellt werden. Ich denke allerdings, 2 % für den Kulturaustausch, für Filme, die unser Erinnern stärken, die Verständigung und Versöhnung aus der politischen Abstraktion reißen können, sind viel zu wenig.

Und mich freut auch, dass wir uns darüber verständigen konnten, dass zum Europäischen Film vor allem auch Produktionen aus Europäischen Nachbarschaftsländern zählen, denn dafür sind die noch immer viel zu geringen Kulturförderungen der EU inzwischen geöffnet.

Wir stehen angesichts der Wucht und Intensität, die mit den diesjährigen nominierten Filmen verbunden sind, mitten in den offenen Wunden Europas.

Die Filme, die wir heute sehen können, erzählen, dass wir selbst in großen politischen Institutionen nicht einmal gewillt waren und sind, den langen Schatten der Bedrohungen von Menschenrechten und Demokratie wahrzunehmen.

Heute vor 30 Jahren im April 1992 fielen die ersten Schüsse in Sarajewo. Wir werden als ersten Film „Quo vadis, Aida?“ sehen. Die Regisseurin Jasmila Žbanić (die heute nicht dabei sein kann) gab dem Tagesspiegel in der vergangenen Woche ein beeindruckendes Interview.

Darin erinnert sie, wie in ihrem Film, an den vergessenen Bosnienkrieg und wendete sich zugleich gegen Boykotte von russischen Künstlerinnen und Künstlern, auch durch die Europäische Filmakademie, die immerhin den LUX-Preis mit ausrichtet.

Sie erzählt im Interview: „Unsere größten Unterstützer*innen und Freund*innen während des Krieges waren Menschen aus der serbischen Kulturszene. Die Schauspielerin Mirjana Karanović, die später in meinem Film „Grbavica“ mitspielte, hat sich beispielsweise die ganze Zeit gegen den Krieg ausgesprochen. Wieso hätte man sie bestrafen sollen?

Ich gehe davon aus, dass wir an dieser Stelle heute miteinander weiter ins Gespräch kommen werden.

Schenken wir den Filmen auch über den heutigen Tag hinaus unsere volle Aufmerksamkeit

Danke.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.