Bildung: Selbstverwirklichung oder Trainingsparcours

Dreimal entschied das Parlament in dieser Woche positiv über Berichte und Fonds, die in die Bildungspolitik der Mitgliedsländer eingreifen. Dazu erklärt Martina Michels, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT):

„Mit gleich drei Berichten zeigt diese Plenumswoche, dass eine nonchalante Distanz zur Bildungspolitik mit dem Verweis auf die Verantwortlichkeit der Mitgliedsländer ein Spiel mit unbewältigten Herausforderungen ist. Soziales, kulturelles und polytechnisches Lernen brauchen nicht nur politisch einen grenzüberschreitenden Austausch. Der Austausch sollte vor allem den Lernenden offen stehen.“

30 Jahre Erasmus+ haben die Ansprüche an das Programm qualifiziert. Leider kann man das von der heute zur Abstimmung gestellten Resolution nicht sagen, wenn auch die bessere Finanzierung und Zugänglichkeit deutlich hervorgehoben sind. Trotzdem wird Bildung zuerst als Instrument zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft begriffen. Unsere Fraktion hat sich bei der Abstimmung enthalten.“

„Konzeptionell ein Stück weiter ist gegenüber der Erasmus+ Resolution der schon am Dienstag abgestimmte Bericht über akademische Weiterbildung und Fernstudium als Teil der europäischen Strategie für lebenslanges Lernen. Der konservative Berichterstatter Milan Zver arbeitete sehr aufgeschlossen mit allen Fraktionen zusammen. Dadurch konnte ich, als Schattenberichterstatterin unserer Fraktion, den Wortlaut des Textes mit verbessern und die ursprüngliche Diktion, die den Anforderungen der Märkte galt, auf die Herausforderungen von Bildungsfragen für die Gesellschaft erweitern. Eine angemessene Finanzierung für alle Bildungssysteme und die Verbesserung der IT- und Medienkompetenz sind gesondert eingefordert. Mit Abstrichen haben wir dem Bericht zugestimmt, wissend, dass das Bohren der dicken Bretter erst angefangen hat. Beispielsweise die im Bericht ausführlich behandelten Qualitätsrahmen und benutzerfreundlichen online-Plattformen für Fernstudien sind längst nicht überall bewährte Bildungspraxis.“

Zur dritten Abstimmung fasst Martina Michels zusammen:

„Der Beschäftigungs- (EMPL) und der Kulturausschuss (CULT) haben im Plenum einen Bericht zur im Juni 2016 vorgestellten Kommissionstrategie ‚Eine neue europäische Agenda für Kompetenzen: Humankapital, Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gemeinsam stärken‘ vorgelegt. Die vorgeschlagenen Reformen für Bildung und Ausbildung sind hier wieder dem verkürzten Bildungsziel der Beschäftigungsfähigkeit untergeordnet. Doch da für den Einsatz europäischer Mittel die Vergleichbarkeit der Bildungsqualifikationen, sowie Zugänglichkeit und Qualität eine Rolle spielen, wird das enge Bildungsziel damit praktisch wieder gesprengt. Im Bericht wird nämlich festgehalten, dass die besten Erfolge dort zu verzeichnen sind, wo die Bedürfnisse der Lernenden im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig werden mangelnde Investitionen in Bildung und Ausbildung kritisiert. Bei aller intensiven Mitarbeit enthielten sich die Abgeordneten unserer Fraktion oder stimmten gegen diesen Bericht, weil er bei gleichzeitiger Anerkennung guter Bildung doch zu viele Einschränkungen am Ansatz präsentierte.“