Dauerhafter Waffenstillstand in Nahost unter zwei Bedingungen

Zur Debatte und Beschluss im Plenum des EP im Januar 2024

Martina Michels, Nora Schüttpelz

Das Europäische Parlament fordert einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen im Krieg zwischen Israel und der Hamas. Endlich? Ja, aber: Nur, wenn Voraussetzungen erfüllt sind, darunter, völlig richtig, die Freilassung aller Geiseln der Hamas, aber eben auch die „Zerschlagung der Hamas.“  Die Forderung nach einem Waffenstillstand würde eine deutliche Veränderung gegenüber der vorherigen Position des Parlaments vom Oktober 2023 darstellen, die nur eine humanitäre „Pause“ forderte, um die Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu beschleunigen.  Die genannte Bedingung, eingefügt von den Rechtsaußen, Rechten und Teilen der Liberalen im Europaparlament, zögert aber potentiell einen Waffenstillstand auf den Sankt Nimmerleinstag hinaus oder doch mindestens bis die israelische Regierung ihr hauptsächliches Kriegsziel erfüllt sieht. Wohin das führen soll, daran läßt Premierminister Benjamin Nethanjahu kaum noch Zweifel: Israel müsse Sicherheitskontrolle über das gesamte Territorium westliche des Jordan habe. Und wenn das mit der Idee von Souveränität kollidiere? Tja, da könne man nichts machen[1].

Dabei werden die Protestdemonstrationen in Tel Aviv immer größer, die rufen: „Nur Frieden bringt Sicherheit. Wir brauchen dringend ein Waffenstillstandsabkommen. Nur so können die israelischen Geiseln zurückgebracht und das Leben unschuldiger Menschen in Gaza gerettet werden. Ein Waffenstillstand ist der erste Schritt – der nächste Schritt ist der israelisch-palästinensische Frieden.“

Nach den Terrorangriffen auf Israel am 7. Oktober 2023 begann ein grausamer Krieg, der seit über drei Monaten anhält. Über 20.000 Palästinenser*innen in Gaza wurden getötet, darunter über 10.000 Kinder. Es befinden sich immer noch 132 israelische Geiseln in Gefangenschaft, 27 von gelten als getötet. Bewohner Nordisraels nahe der libanesischen Grenze wurden evakuiert oder leben unter gefährlichen Umständen, weil dort die nächste Kriegsgefahr sichtbar ist, und fast täglich hören wir, dass weitere israelische Soldaten im Kampf sterben oder schwer verletzt werden. Sicherheit hat dieser Krieg niemandem gebracht. Keine einzige Geisel wurde bislang von der IDF befreit, sondern im Zusammenhang mit einer verhandelten Feuerpause.

Der angenommene Text hier https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2024-0051_DE.html

Die kontroverse EP-Resolution[2] wurde letztlich mit nur 312 Stimmen (von 510 Anwesenden) verabschiedet. Sie enthält durchaus Forderungen, die auch Linke stellen, beispielsweise die Zweistaatenlösung wieder auf den Weg zu bringen und die Beendigung der Besetzung der palästinensischen Gebiete. Sie unterstreicht, dass die EU die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs und des Internationalen Gerichtshofs nachdrücklich unterstützt und fordert, dass diejenigen, die für terroristische Straftaten und Verstöße gegen das Völkerrecht verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Auch wird die zunehmende Gewalt gegen Palästinenser durch extremistische Siedler verurteilt und verlangt, dass restriktive Maßnahmen gegen extremistische Siedler verhängt werden, die die Menschenrechte und das Völkerrecht verletzen.

Martina Michels vor der Debatte im Europaparlament: „Die humanitäre Katastrophe in Gaza muss beendet, die Geiseln der Hamas-Terroristen freigelassen werden. Der Krieg muss beendet werden, damit eine Perspektive für eine langfristige Konfliktlösung, die Sicherheit für Israel, Palästina und die ganze Region garantiert, möglich wird. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören vor internationale Gerichte. Die USA, Europa und die Nachbarstaaten im Nahen Osten müssen auf der Seite der Zivilbevölkerungen und auf der Grundlage internationalen Rechts agieren.“

Europäische Parlamentarier*innen verurteilen drohenden Mandatsentzug für israelischen Abgeordneten Ofer Cassif

Neben den Verhandlungen um den Parlamentstext initiierten Abgeordnete der Linksfraktion im Europaparlament in dieser Woche einen Brief an die Kommissionspräsidentin und den Hohen Vertreter für die EU-Außenpolitik, um den linken Knesset-Abgeordneten Ofer Cassif zu unterstützen. 80 seiner Parlamentskollegen wollen, dass ihm sein Mandat entzogen wird, weil er sich positiv zur Klage Südafrikas gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof geäußert hat. Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit darf nicht kriminalisiert werden, sagen die Europapabgeordneten. 

Lesetipp: 

In ihrem Dossier „Gegen die Logik der Gewalt“ veröffentlicht die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die sowohl in Israel als auch in Palästina vor Ort arbeitet, seit Beginn des Krieges Texte zu den sehr vielfältigen Aspekten dieses Krieges, einschließlich zur innenpolitischen Situation und den Interessen der Nachbarländer: https://www.rosalux.de/gegen-die-logik-der-gewalt

[1] https://www.cbc.ca/news/world/israel-palestinians-netanyahu-two-state-solution-1.7087705

[2] Die einzelnen Textentwürfe der einzelnen Fraktionen gibt es hier unter „Documentation gateway“).

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.