EU-Südkaukasus-Politik: Instrumentell und voller Doppelstandards

Georgien | Photo by Avishai Sharon from FreeImages

Martina Michels

Anlässlich der heutigen Plenardebatte zur Östlichen Partnerschaft der EU, kommentiert Martina Michels, Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung EuroNestund Mitglied der Parlamentarischen Delegation EU-Südkaukasus, die blinden Flecken der östlichen EU-Nachbarschaftspolitik:

„Auch wir begrüßen und unterstützen, dass der Sacharow-Preis in diesem Jahr an die mutige belorussische Opposition geht, die seit Monaten faire Wahlen fordert und damit eine grundlegende Demokratisierung der Gesellschaft. Die Symbolik dieses Preises ist nicht zu unterschätzen, doch kittet sie keine der vielen Schwachstellen der EU-Nachbarschaftspolitik.“

„Denn, machen wir uns nichts vor: Wenn die EU eine friedliche Entwicklung in Weißrussland fordert – mehr Demokratie, faire Wahlen, eine starke Stimme der Zivilgesellschaft – dann schweigt sie trotz Menschenrechts-Sanktionsmechanismus gleichzeitig genau darüber, wenn es zur fragilen Konfliktlösung kommt, die den jüngsten Krieg im Südkaukasus beendete. Der Waffenstillstand, vermittelt und kontrolliert durch Russland, ist Ergebnis einer kriegerischen Intervention Aserbaidschans mit Waffenlieferungen, u.a. aus der Türkei und Israel. Die Aufrüstung Aserbaidschans hat die EU mit ihren Gaskäufen ko-finanziert und daher trägt sie genauso ko-Verantwortung für die innenpolitische Krise Armeniens, die seit dem Waffenstillstand auch die Samtene Revolution beendete.“

Martina Michels im Brüsseler Plenarsaal, September 2020 | GUE/NGL, Oliver Hansen

„Selbst, wenn es Verpflichtungen aus den EU-Partnerschaftsabkommen mit Armenien und Aserbaidschan und EU-Dialog-Programme gibt, die weiterhin die Länder im Süd-Kaukasus unterstützen, so sind die Zeichen für Versöhnung soeben unter Drohnen begraben worden. Verspätete Appelle an die OSZE sind nicht genug, wenn man die demokratischen Kräfte in Armenien und Aserbaidschan wirklich unterstützen will, wenn Kulturschätze behütet werden sollen und wenn ein zukünftiger Dialog wirklich ernst gemeint ist. Ein erster Schritt wäre, gegenüber den aserbaidschanisch-türkischen Siegesfeiern in Baku nicht zu schweigen. Es wäre an der Zeit, alle Mitglieder der Minsk-Gruppe in eine unparteiische, länderübergreifende Verantwortung für den Frieden zurückzuholen. Dafür sollte sich die EU stark machen und ihr diplomatisches Versagen im Bergkarabach-Konflikt endlich aufarbeiten.“  

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.