Martins Woche 48 & 49 – 2018

Brüssel – Berlin: EU vorm Klimagipfel und am Tag der Menschenrechte – Creative Europe – Türkei – Quo Vadis Europa?

Die letzte Novemberwoche wartete mit einem sogenannten Miniplenum in Brüssel auf. Alles, was nicht auf den Straßburger Tagungen „erledigt“ wird, wird im Plenarsaal in Brüssel an einem Mittwoch und Donnerstag „nachgeholt“ oder vorgearbeitet. Und oft verschwinden dann die Themen in der medialen Aufmerksamkeit, dabei sind diese Minitagungen mit genauso viel Sprengstoff geladen, wie die Straßburger Plenarwochen. Diesmal ging es um nicht weniger als um die EU-Strategie für die Verringerung von Treibhausgasemissionen. Mit Blick auf den Klimagipfel in  in Katowice hätte dies ein wichtiges Signal sein können, doch dazu braucht es mehr als Mini-Schrittchen, wie es Conny Ernst beschrieb. Martina fuhr dann geradewegs nach Berlin-Lichtenberg, zu den Europapolitischen Sprecherinnen und Sprechern und zur Regionalkonferenz in Berlin. Die Woche drauf tagten Ausschüsse in Brüssel und am Freitag, dem 7. Dezember traf sich Martina mit Berlinerinnen und Berlinern zu „Quo vadis Europa?“ im wieder eröffneten Café Sibylle auf der Karl-Marx-Allee in Berlin.

EU-Kommission vorm Klimagipfel in Katowice

Foto: PIXABAY.COMCC0 Lizenz: CREATIVE COMMONS

Die grossen Industriestaaten könnten und sollten vorangehen. Das, was die Kommission beim November-Miniplenum in Brüssel vorlegte, reicht hinten und vor nicht: „Der heutige Strategievorschlag der Europäischen Kommission für langfristigen Klimaschutz und zur Dekarbonisierung ist ein winziger Schritt in die richtige Richtung, aber überhaupt nicht ausreichend, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Der jüngste Bericht des Weltklimarates (IPCC) vom Oktober 2018 hat klargestellt: Die nächsten zwölf Jahre werden entscheiden – und alles, was in diesem Zeitraum nicht angepackt wird, kann nicht einfach nachgeholt werden.“, erläutert meine Kollegin Cornelia Ernst und auch wo die Reise hingehen muss. Umfassende Informationen zum Klimagipfel gibt es u. a. bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Dossiers und Twitterkanal. Und weil heute der 10. Dezember ist, wollen wir nochmals festhalten: Klimapolitik ist Menschenrechtspolitik.


„Geburtstag“ in Berlin-Lichtenberg mit Europa vor den Wahlen und was die mit den Protesten in Frankreich zu tun hat

Zurück aus Brüssel war Martina am Samstag, ihrem Geburtstagstag, bei der Hauptversammlung der LINKEN in Berlin-Lichtenberg, um bei einem „Ausblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament“ mit zu diskutieren. Den entscheidenden Unterschied, den Martina für Linke ausmacht, ist die Formulierung der sozialen Frage über Ländergrenzen hinaus. Damit im Zusammenhang: Unser Friedenskampf richtet sich nicht nur gegen Aufrüstung und eine europäische Armee, sondern sieht beispielsweise in der tiefgreifenden Lösung ökologischer Herausforderungen, wie sie auch mit dem Klimagipfel in Katowice aufgerufen sind, einen entscheidenden Angriffspunkt, nachhaltig Ursachen von lokalen und weltweiten Konflikten einzudämmen. Damit ist auch eine der Auseinandersetzungen verbunden, die uns im Wahlkampf massiv beschäftigen werden: der Vormarsch von Rechtspopulismus und Rassismus in Europa. Und Martina wird nicht müde, drauf aufmerksam zu machen, dass Rechtsaussen für sich längst nicht nur die Deutungshoheit bei der Flüchtlingspolitik beansprucht, sondern schon lange Rassismus und Ausgrenzung über „weiche“ Themen propagiert. Ob „Lügenpresse“ oder Familienpolitik, patriachale Zensur bei Kulturveranstaltungen und Schulbüchern, hier finden Wertedebatten statt, die wir angreifen und sachlich auseinander nehmen müssen. Und manch Schema F oder Reflex hilft da nicht weiter, schaut man sich zum Beispiel den Bericht von Édouard Louis über den Protest der Menschen in den Gelben Westen in Frankreich, Nordspanien und Belgien an, der lokal offenbar ganz unterschiedlich ist und zum Verständnis eher taugt als zur Projektionsfläche für Revolutionsromantik oder Pauschalurteile.

Auch insofern ist Martinas Sichtweise, dass Europa durch lebenswerte Kommunen und lebenswerte  gestärkt wird, diskutabel. Doch um hier z. B. die Rolle der Europäischen Regionalpolitik zu verstehen, müssen wir im Wahlkampf auch viel besser erklären, wie die EU funktioniert und wo wir die Punkte sehen, die schleunigst verändert werden müssen und auch verändert werden können.

Es wird ernst: Creative Europe 2021 – 2027 im Änderungsmodus

Ende November war die Deadline bei den Änderungsanträgen zum Creative Europe Programm. Und ausnahmsweise packen wir hier mal etwas detaillierter aus, was wir da so hineingeschrieben haben wollen:

  1. Die eigenständige Rolle von kulturellen Produktionen, jenseits vom Binnenmarkt- und Wettbewerbsgefasel, haben wir quer durch die ganze Programmstruktur eingefügt.
  2. Geschlechtergerechtigkeit, geht es nach uns, ist jetzt nicht mehr freiwillig, sondern bindend im Programm.
  3. Wir haben die Infrastrukturförderung statt der überbordenden Marketingförderung ins Programm „gehämmert“.
  4. Den neuen Fokus auf Medienfreiheit haben wir konkretisiert.
  5. Wir lenken die Aufmerksamkeit auf die Förderung kleiner Projekte und entsprechender Förderinstrumente, auf den Nachweis faire Löhne und Einkommen (als Förderkriterium).

Wie geht es weiter? Die Kompromissverhandlungen mit den anderen Fraktionen beginnen im Dezember und Januar, im Februar die entscheidende Abstimmung im Ausschuss und dann entscheidet das Plenum. Jetzt drückt uns die Daumen: Denn, bekommen wir etwas durch von unseren Anträgen, hätten wir das Programm inhaltlich wirklich etwas gedreht. Und das beste zum Schluss: Der Budget-Verdopplung auf 2,8 Mrd. € (die Kommission wollte 1,8 Mrd. € – eine halbe Mrd. mehr als zuvor -, was angesichts des Brexit auch schon „nett“ ist), die die Berichterstatterin, Silvia Costa vorschlug, stimmen wir natürlich auch zu.

Esra Ersin, Anwältin von Selahattin Demirtaş, war in der Fraktion zu Gast

Esra Erin zu Gast in der Fraktion, 5.12.2018 | Foto: Konstanze Kriese

Am 5. 12. kam Esra Erin in die Fraktionssitzung und berichtete von den Prozessen, denen der ehemalige Co-Vorsitzende, Selahattin Demirtaş, und noch 9 weitere führende HDP-Politikerinnen und -politiker, darunter der ehemaligen Co-Vorsitzenden, Figen Yüksekdağ, ausgesetzt sind. Obwohl der Europäische Menschengerichtshof die Verhaftung von Demirtaş als rechtswidrig zurückgewiesen hat, wird weiter geklagt und die Inhaftierung aufrecht erhalten. Der nächste Prozess findet in dieser Woche ab Mittwoch, den 12. Dezember statt. Aus unserer Fraktion wird die niederländische SP-Politikerin Anne-Marie Mineur dabei sein.

Quo vadis Europa? – Ein Abend mit Martina im Café Sybille

Unweit des Cafés Sybille, 7.12.2018 | Foto: Konstanze Kriese

Am 7. Dezember war es soweit. Martina lud selbst ein, um Rede und Antwort bei Wählerinnen und Wählern, bei Freundinnen und Genossen zu geben. Quer durch ihre Aktivitäten in Brüssel berichtete Martina vom Auf und Ab einer Europaabgeordneten. Begleitet wurde der Abend in diesem Jahr von Karola Nitsch und el Aleman mit viel Musik von den Gibsy Kings. Mit zwei Filmen und einigen Publikationen im Gepäck gab es anschließend viel Gesprächsstoff, Verabredungen und Ideen für 2019. Eine der schönsten Nachrichten des Abends war jedoch, dass das Café Sybille wieder geöffnet hat mit einer neuen Betreiberin und einem herzlichen neuen Team. Berlins alter und neuer Treffpunkt auf der Karl-Marx-Allee ist zurück. Und dass diese Strasse Berlinerinnen und Berlinern noch nie gleichgültig war, sieht man auch an den aktuellen Mieterinnen und Mieterprotesten, die auch das Haus betreffen, in dem das Café gerade den neuen Aufbruch startet.

10. Dezember 2018: Tag der Menschenrechte – Migrationspakt – Plenum in Staßburg

​Deutschland reibt sich noch etwas die Augen wegen er Wahl der neuen CDU-Vorsitzenden, Annegret Kramp-Karrenbauer. Inzwischen rollen – zumindest in deutschen Landen unter Streikbedingungen – die Züge nach Straßburg zur letzten Plenarwoche 2018. Einiges aus der Tagesordnung findet ihr in unserem Plenarfokus. 

Heute am Tag der Menschenrechte soll auch der neue UN-Migrationspakt beschlossen werden, eine erste, wenn auch zu wenig verbindliche Vereinbarung zur weltweiten Migration, die allgegenwärtig und politisch oft aufs Entsetzlichste instrumentalisiert wird. Eine himmlisch genaue Antwort, wie man Debatten um Migration nicht führen sollte, nämlich mit Desinteresse und Lügen, wie es die AfD im Deutschen Bundestag vorzog, gab Stefan Liebich, MdB, in der letzten Woche.   

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.