Martinas Woche 9 / 10 – 2023 

Ypern, Rükseite des Flandern Fields Museum | Foto: Konstanze Kriese

Energiearmut und Klimawandel bekämpfen

Energiearmut – Frauenkampftag – Plenum im März – Östliche Nachbarschaft – Regionalpolitik – Filmwirtschaft

Martina Michels, Konstanze Kriese

Eine verlängerte  Ausschusswoche Ende Februar und Anfang März, viele Einzeltermine, ob mit dem Parlamentarischen Ausschuss EU-Armenien, mit der Filmwirtschaft, der Israel-Delegation im Parlament oder mit dem Vorstand der Fraktion, führte auch direkt in die Vorbereitung des Plenums im März in Straßburg, dass heute am Montagabend beginnt. Deshalb starten wir ausnahmsweise nicht mit den Rückblicken, sondern mit den Ausblicken auf die kommende Woche im frühlingshaften Straßburg.

Was verhandelt das Plenum im März?

Noch einmal liegen Teile des „Fit for 55“-Paketes zur Diskussion und zur Abstimmung vor. Und es geht um nichts Geringeres als um strengere Vorschriften für die Treibhausgasemissionen, die in den Mitgliedstaaten festgelegt werden müssen, um die EU bis 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. In diesem Zusammenhang steht auch die Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, deren Wärmeverlust bis heute weltweit einer der größten Energiefresser ist, vor allem, wenn die Wärme mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird und dann noch mangelnde Dämmung in Kauf genommen wird.  Es geht demnach nicht nur um die Renovierungsrate, sondern auch um die Senkung des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemmissionen insgesamt.

Europasignet am Plenarsaal | Foto: Komstanze Kriese

Neben den ganzen Umbauten in der Energieerzeugung und im -verbrauch wird es auch um die Energiesicherheit in der EU im Jahr 2023 gehen.

Das Plenum wird sich mit der Tagung des Europäischen Rates vom 23. bis 24. März 2023 auseinandersetzen und auch dort wird die Neuordnung des Strommarktes zur Debatte stehen. Martin Schirdewan kritisiert in unserem Plenarfokus zum Stand der Dinge vorab: „Im August vergangenen Jahres hat Frau von der Leyen den großen Wurf zur Reform des Energiemarkts angekündigt. Das Merit-Order-System stand zur Debatte und das Ziel sollten bezahlbare Preise sein. Mit dem Kommissionsvorschlag, der bei der kommenden Ratssitzung besprochen wird, bleibt von der Leyen jedoch bloße Ankündigungsweltmeisterin. Das Merit-Order-Prinzip bleibt, die Preise können weiter steigen und Atomstrom ist ökologisch. Kurz: Die Lobbyist:innen der Energiekonzerne haben gewonnen, die Einwohner:innen der EU verloren.“

Strasbourg Münster, 15.2.2023 | Foto: Konstanze Kriese

Es werden einige Themen aus der Februar-Sitzung, die am Mittwoch länger unterbrochen war, erneut aufgerufen, so die Fragestunde zum Mindesteinkommen.

Der 8. März 2023 hat einen prominenten Platz in Form einer Feierstunde im März-Plenum gefunden und wir hoffen hier auf mehr als „Feiertagsreden“, denn vom Schließen des Gender Pay und Pension Gap, der ungleichen Bezahlung und Renten für Frauen, bis zur reproduktiven Gesundheit und freien Entscheidung ist es noch immer ein weiter Weg, bei aller formalen Gleichstellung. Ebenso liegt bei der Erfüllung der Istanbul-Konvention, der Vereinbarung zum Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, noch immer vieles im Argen, sei es der fehlende Platz in Schutzeinrichtungen, aber auch der Kampf gegen Menschenhandel und verschärfte Formen von Ausbeutung von Frauen in prekären Lebenssituationen.

Im März wird in der Reihe „This is Europe“ der litauische Präsident Gitanas Nausėda im Parlament erwartet. 

Martina wird morgen, am Dienstag, nach 17 Uhr zur Lage in Israel im Plenum sprechen, welches seine demokratischen Grundlagen derzeit in einer Weise aushöhlt, dass nicht nur der Friedensprozess immer weiter ins Abseits gestellt wird. Auch die Gesellschaft innerhalb Israels gerät ins Wanken, sichtbar an den wochenlangen Proteste gegen die Regierung Netanyahus. 

Wer die gesamte Tagesordnung der Plenartagung einsehen will oder auch Debatten im Lifestream verfolgen möchte, findet hier alles Nötige.

Regionalpolitik im Paket und Erfahrungen aus einer Ausschussreise nach Finnland

Die Regi-News im Februar widerspiegeln auch weitgehend mit konkreten Programmen, dass die Energiewende in vollem Gange ist. Die Programme für Kohleregionen, Verkehr und direkte Investitionen in eine moderne Energiepolitik standen im Fokus der Ausschusssitzungen.  Ebenso wurde deutlich, dass länderübergreifende Regionen stärker im Fokus der Strukturförderung sind.

Martina Michels im Europaparlament | Screenshot

Martina nutzte die vorletzte Februarwoche für eine ganz besonders intensive Erfahrungen. Sie fuhr mit dem Regionalausschuss nach Finnland. Darüber hatten wir schon im letzten Wochenrückblick berichtet. Doch wir möchten unbedingt an dieser Stelle nochmals daran erinnern, weil diese Reise auch eindrucksvoll vermittelte, wie die politische Großwetterlage, der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise zusammenhängen und an welchen Stellen es überall guter und nachhaltiger Lösungen bedarf. Klar wird dabei immer wieder: Konfliktbeendigung und Friedensicherung ist auch immer zugleich ein Schritt, um die ökologische Krise endlich in den Griff zu bekommen, denn es bedarf ebenso einer internationalen Forschungskooperation, wie einer gemeinsamen Umsetzung, um den Klimawandel zu stoppen.

Östliche Nachbarschaft in schweren Konflikten ohne mediale Aufmerksamkeit

Parlamentarisches Kommitee EU – Armenien in Brüssel, 9. März 2023 | Foto: Konstanze Kriese

Moldau,  Armenien, Aserbaidschan, Georgien, auch die Ukraine, stehen in ständigen Beziehungen zur EU, dies auch in regelmäßigen parlamentarischen Delegationen und Ausschüssen. In dieser Woche wird es umfangreiche Aussprachen zur Lage in der östlichen Nachbarschaft im Plenum geben. In der vergangenen Woche trafen sich dazu vorbereitend Abgeordnete aus Armenien und dem EU-Parlament in Brüssel und entschieden über eine ausgewogene und sehr kritische Resolution zur Lage in Armenien, die natürlich die Kritik und die Forderung nach der Beendigung der Blockade Aserbaidschans in Bergkarabach einschloss. In dieser Woche werden dann die Länderberichte zur Debatte stehen, hier der zu Armenien und der zu Aserbaidschan.   

Deutsche Filmwirtschaft traf sich in Brüssel und erhielt vier Oscars

Fachgespräch SPIO in Brüssel, 7. März 2023 | Foto: Konstanze Kriese

Mit dem Implementierungsbericht zur Audio-Visuellen Mediendienste-Richtlinie, der Ende März 2023 im Kulturausschuss nach langer intensiver Arbeit abgestimmt wird, stand noch einmal alles auf dem Prüfstein, was auch die Filmwirtschaft bewegt: Die Filmförderstrukturen in den Mitgliedsländern, bessere Möglichkeiten für Ko-Produktionen, die Quote für europäische Werke bei den Streamingdiensten und vor allem deren Bemühungen, dass das Publikum die europäischen Filme auch findet. Doch es gibt noch viel mehr Themen, die diesem Teil der audio-visuellen Produzenten auf den Nägeln brennen und dies machten Kinobetreiber, Filmproduzentinnen, Verleiher und andere Filmfachleute am vergangenen Dienstag in einem Gespräch deutlich, das SPIO, die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, organisiert hatte, zusammen mit der Landesvertretung Hessen in Brüssel. 

Bildtafel aus dem Flandern Fields Museum in Ypern | Foto: Konstanze Kriese

Nun haben wir mit der Oscar-Verleihung gestern Nacht guten Grund anzunehmen, dass sich die Branche nach Corona Schritt für Schritt erholt und auch Erfolge einfährt, denn immerhin erreichte die Neuverfilmung des Antikriegsdramas „Im Westen nichts Neues“ in vier Kategorien einen Oscar und war auch gleich für neun Kategorien nominiert, was ja letztlich auch eine Auszeichnung darstellt. Handwerklich perfekt, aufrüttelnd, mit einer wichtigen Botschaft und erfolgreich, das kann und soll die Filmproduzent*innen mit Stolz erfüllen. Zugleich sollten sie auch offene Ohren für die Kritiken an diesem Film haben, die vielen Klischees über den ersten Weltkrieg, dessen Verständnis gerade in Deutschland sehr zu wünschen übrig lässt, erneuert, und damit in die Geschichte dieses Krieges nicht gerade neues Licht brachte. Wer viel über den ersten Weltkrieg wissen will, dem sei dann doch ergänzend zum Filmepos das Flandern Fields Museum in Ypern zu empfehlen, das in einzigartiger Weise über diesen Krieg, seine Entstehung und seinen furchtbaren Alltag berichtet. 

Fraktionsvorsitzendenkonferenz trifft sich in Bernau

Am 10. und 11. März 2023 trafen sich die Fraktionsvorsitzenden der Landtage, des Bundestages und der Linken Delegation im Europaparlament turnusmäßig zur Fraktionsvorsitzendenkonferenz (FVK). Tagungsort war dieses Mal Bernau bei Berlin, wo ein linker Bürgermeister, André Stahl, seit acht Jahren erfolgreiche Kommunalpolitik bestreitet und dafür im vergangenen Jahr mit über 60 Prozent im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde.

Hauptthema der FVK war die Sicherung kommunaler Daseinsvorsorge. Vertreter der Vereinigung Kommunaler Unternehmen, der kommunalen Stadtwerke und der Barnimer Dienstleistungsgesellschaft schilderten exemplarisch die aktuelle Situation bei der Bewältigung der Energiekrise. Dabei wurden unter anderem die Auswirkungen der Energiepreisbremsen auf die Unternehmen kritisch beleuchtet. Hier sind deutlichere Vorgaben auf der Bundes- und Europaebene gefordert, damit eine nachhaltige Wirkung erzielt werden kann. Ebenso eindrucksvoll waren die Informationen über Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Energiewende durch eine Dienstleistungsgesellschaft, die sich in kommunaler Trägerschaft befindet.

Nach diesem Input tauschten sich Landtagsfraktionen über ihre parlamentarischen Aktivitäten zur Dämpfung der Energiekostensteigerung aus und erläuterten ihre landeseigenen Hilfsprogramme. In linken Anträgen wird ein breites Maßnahmepaket gefordert, dass von einer echten Gaspreisbremse,  über die Abschöpfung von Krisengewinnen der Energiekonzerne bis hin zu Stärkung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten reicht. Unsere Berliner Genossinnen und Genossen blicken auf zwei Projekte zurück, die unter linker Regierungsbeteiligung entstanden sind. Zum einen wurde eine 380 Mio. EUR hohe Rücklage zur Entlastung der öffentlichen und privaten Haushalte bei steigenden Energiekosten fest im Berliner Haushalt verankert. Zweitens wurde ein „Netzwerk der Wärme“ ins Leben gerufen, dass ein Netz aus sogenannten Wärmepunkten (Begegnungsstätten, Museen, Bibliotheken u. ä.) im städtischen Raum bilden soll. Die Linke in Sachsen-Anhalt fordert u. a. eine Übergewinnsteuer statt einer Gasumlage. Die Bekämpfung der Energiearmut ist ein fester Punkt der parlamentarischen Aktivitäten. All diese Initiativen verdeutlichen die Anstrengungen der Linken zur Bewältigung der Energiekrise im Sinne einer alternativen sozialen Politik.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.