Martinas Woche 6 – 2023

Veranstaltung zu Golden Dawn, 8.2.2023 | Foto: Vasileios Katsardid

Brussels Affairs vorm Februarplenum

Erdbebenhilfe – Dokumentation über griechische Faschisten – Sonderplenum mit Selenskyj – Plenarfokus – Trauer um Hans Modrow

Martina Michels, Konstanze Kriese

Es schien eine „ruhige“ Woche in Brüssel zu werden, in der man gut viele Termine sachlich abarbeiten konnte: Vorstandssitzungen, Schattenberichterstatter-Treffen, Fraktions- und Delegationssitzung, eine Veranstaltungseröffnung zu einer Film-Dokumentation über die griechischen Faschisten Golden Dawn (Morgenröte). Doch es kam wie immer anders. Die Abgeordneten waren beschäftigt mit der Organisation von Hilfen für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien. Sie wurden mit einem Sonderplenum überrascht, auf dem Wolodymyr Selenskyj im Europaparlament am Donnerstagvormittag sprechen sollte, und kaum waren die Abgeordneten wieder zu Hause, traf sie mitten in der Vorbereitung auf die Plenarwoche in Straßburg die Nachricht vom Tode ihres langjährigen Mitstreiters Hans Modrow. Martina war sogar über viele Jahre im gleichen Bezirksverband in Friedrichshain/Kreuzberg, so dass sie manches direkte Gespräch noch unmittelbar in Erinnerung hatte.  

Folgen der Erdbeben Türkei und Syrien: Blockierte Hilfe

Viele haben sich aufgemacht, spenden und fühlen sich verantwortlich, über die Folgen der schrecklichen Beben in der Türkei und in Syrien zu informieren, damit die Unterstützung nicht abreißt. Doch in die Nachrichten mischen sich bittere Erkenntnisse: „Umso erschreckender sind die zahlreichen Berichte über politische oder bürokratische Behinderungen und Blockaden gegenüber Hilfslieferungen durch die Erdoğan-Regierung, und zwar dann, wenn es um Lieferungen in ‚politisch unliebsame‘ Regionen geht.“, schreibt Özlem Demirel in ihrer Pressemeldung zur Lage.

Fraktionssitzung, 8.2.2023 | Screenshot

In unserer Fraktionssitzung am Mittwoch hatten wir Devris Çimen, Vertreter der HDP in Europa, zu Gast, um die Lage in den Erdbebengebieten im Süden der Türkei und in Syrien zu erläutern und um die politischen Forderungen, die wir gegenüber Erdoğan erheben müssen, zu untermauern. Vor allem: Die Blockaden der Hilfen aus vielen Ländern, von Hilfsorganisationen und Kommunen endlich zu beenden. Statt zu helfen, beschlagnahmen Erdoğans Schergen unter dem Deckmantel der Koordination Hilfsgüter und behindern die Unterstützung. Unsere Fraktion hatte für die kommende Plenarwoche die Lage in den Erdbebengebieten als Dringlichkeit in der Tagesordnung beantragt und dies wird auch passieren. Auch die Lage in Syrien, besonders in Idlib, ist katastrophal. Grenzübergänge bleiben geschlossen und es wäre an der Zeit, Sanktionen gegen Syrien für den Transport der Hilfsgüter sofort zu lockern. Wir tragen aktuell zusammen, wie und über wen Hilfen funktionieren. Dazu machte Özlem Demirel in der Debatte viele konkrete Vorschläge und verwies, genau wie Martina, auch auf die politischen Folgen dieses Dramas, insbesondere für die vom Verbot bedrohte HDP.

„Golden Dawn – a public affair“ – Dokumentation über die griechischen Faschisten von Angelique Kourounis

Veranstaltungsplakat, Syriza

Am Mittwochabend hatte unsere griechische Partnerpartei Syriza zu einer Filmdokumentation geladen, die es in sich hatte. Sie zeigt die Machenschaften der griechischen Faschisten, die sich zur Partei Golden Dawn zusammengeschlossen haben, das schockierende Ausmaß des Rassismus und auch der damit verbundenen Gewalt, die von diesen politisch gefährlichen Kräften ausgehen. Und weil diese Problematik keine dezidiert griechische ist, sondern schon lange eine europäische Dimension hat, luden unsere griechischen Genossen Martina zum Auftakt ein, die mit einer Rede zur Eröffnung die Mahnung verband, im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und vielen Spielarten von Menschenfeindlichkeit zusammenzustehen und den Faschismus dort zu bekämpfen wo er entsteht, in der Mitte der Gesellschaft. Martina betonte in ihrer Rede: „Ich glaube, dass wir auf diese neue Art des rechten Terrors konkrete Antworten geben müssen.“ und forderte

„1. konsequente Abrüstung der gesamten extremen Rechten.

Legale Waffenbesitzer müssen ihre Genehmigungen verlieren, ihre Waffen müssen beschlagnahmt und illegale Waffen müssen gefunden werden.

2. Rechte Strukturen in Sicherheitsbehörden und öffentlichen Diensten abbauen.

Wir müssen endlich über rechte Strukturen bei Polizei und Bundeswehr reden und auch etwas dagegen tun. Wir dürfen nicht länger nur über Einzelfälle sprechen.“ 

Sondersitzung des Europäischen Parlaments mit Wolodymyr Selenskyj

Roberta Metsola und Selenskyj, 9.2.2023 | Foto: Europäisches Parlament

Mit einiger Verzögerung und einem sehr solidarischen Empfang wurde am Donnerstagvormittag der ukrainische Premier im Parlament in Brüssel begrüßt. Was er fordern wird, war eigentlich klar: weitere humanitäre und militärische Unterstützung für die Ukraine, die seit einem Jahr durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands in einen furchtbaren Krieg gezwungen wurde, in dem inzwischen systematisch Infrastruktur und Zivilist*innen angegriffen werden. Die Rede Selenskyjs war ein großer Dank und ein Hohelied auf Freiheit und Demokratie, auf den europäischen Weg, zu dem sich die Ukraine aufgemacht hat. Ihre Integration in die Strukturen der EU ist der Ukraine weiterhin ein wichtiges und drängendes Anliegen, um Unterstützung im Widerstand gegen die russische Aggression einzufordern. Zur Lage in der Ukraine wird in der kommenden Woche das Europaparlament am Mittwochvormittag tagen und sich in Resolutionen positionieren.  

Plenarfokus und Tagesordnung der Plenartagung in Straßburg 13. bis 16. Februar 2023

Die Plenarwoche hat bereits begonnen. Gestern war gleich zum Auftakt eine Debatte zur Lage in der Türkei und Syrien nach den Erdbeben und zu großen Anpassungen im RePowerEU-Programm. Weiterhin werden der Industrieplan der EU und weitere Themen in der Plenarwoche behandelt. Hier findet ihr die gesamte Tagesordnung und auch den Plenarfokus unserer Delegation.

Wir trauern um Hans Modrow

Am 11. Februar 2023 starb der jahrelange Vorsitzender des Ältestenrates der LINKEN, der von November 1989 bis April 1990 an der Spitze des DDR-Ministerrats stand. Seine politische Biografie führte ihn u. a. auch nach Brüssel. Hans Modrow war von 1999 bis 2004 Europaabgeordneter für die PDS und damit Mitglied der linken Fraktion im Europaparlament. Unsere Delegation trauert um Hans.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.