Martinas Woche 50 – 2020: Haushalt 2021–2027 mit Licht und langen Schatten

Brüssel ist weihnachtlich beleuchtet, doch die Corona-Pandemie ist in den leeren Straßen allgegenwärtig. | Foto: Konstanze Kriese

Martina Michels, Konstanze Kriese

Gipfel des Europäischen Rates – Digital Service Act & Airbnb – Energiepolitik – Bergkarabach – Bilanz der Deutschen Ratspräsidentschaft – ReactEU & Strukturfonds

Der EU Haushalt 2021–2027 steht, dies – wie erwartet – mit Licht und Schatten. Das werden wir in dieser „Martinas Woche“ auch entsprechend beleuchten. Darüberhinaus berichten wir von mehreren Veranstaltungen. Einmal ging es um eine Bilanz der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Dann wurde Airbnb und der Europäischen Plattformregulierung auf die Finger geschaut und darüber hinaus die Energiepolitik unter die Lupe genommen. Eine weitere Verständigung zur Lage in Berg Karabach fand am Mittwoch statt und den Auftakt am Montag machte eine Berliner Veranstaltung zu Zukunftsorten, die mit europäischen Förderungen Sinnvolles auf dem Wege bringen.

„Ganz nebenbei“ kamen die ersten Triloge der Regionalpolitik zum Abschluss und zugleich laufen die Vorbereitungen auf die letzte Plenarwoche 2020 auf Hochtouren. Diese letzte Woche wird erneut weitgehend online stattfinden, doch der Parlamentspräsident Sassoli will die Plenarwoche morgen aus Straßburg eröffnen.

Zukunftsorte Berlins und Europäische Förderpolitik: Ein Veranstaltungsbericht

Aus dem Artikel im Tagesspiegel vom 7.12.2020 | Bearbeiteter Screenshot

Am Montagvormittag war Martina zu einer besonderen Veranstaltung des Landes Berlin eingeladen. Es ging um nicht weniger als um die Frage: Wie wollen wir morgen leben? Damit standen Wohnen, Arbeiten, Gesundheit, grüne Mobilität, unsere Lebensweisen mit einem integrierten Umweltschutz auf dem Programm. „Die Zukunftsorte Berlins erlebbar machen für die EU  Die Zukunftsorte im Kampf gegen Corona“ hieß die Begegnung, zu der die Berliner Staatssekretärin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Barbro Dreher, eingeladen hatte.

Elf solche „Zukunftsorte“ hat Berlin bereits. Sie sind also längst Gegenwart. Hier arbeiten Wissenschaft, Bildung, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zusammen, damit Gründungszentren mit etablierte Unternehmen kooperieren. Ein Überblick über die Veranstaltung und die Zukunftsorte findet Ihr hier in einem Bericht von Nora Schüttpelz. Ganz nebenbei wurde in einer Berichterstattung des Tagesspiegels Martina Michels ihrer parlamentarischen Funktion als Europaabgeordnete enthoben und fälschlicherweise in die EU-Kommission verfrachtet.

Berliner Zukunftsorte in der Debatte, 7.12.2020 | Screenshot v. Nora schüttpelz

EU-Gipfel mit Einigung zur Mehrjährigen Finanzplanung und Trilogergebnisse

Das Europäische Medienereignis der Woche waren zweifelsohne die Erwartungen und Ergebnisse des Gipfels der Regierungschefs am Donnerstag und Freitag. Der kommende mehrjährige EU-Haushalt und das daran gekoppelte Corona-Hilfsprogramm, die Beziehungen zur Türkei und auch der Brexit standen auf dem Programm. Bei vielen Ratsentscheidungen wird einem ohnehin zunehmend mulmig, weil die Einigung ein ums andere Mal von demokratischen Doppelstandards nur so wimmeln. Mal sollen Ungarn oder Polen eingefangen werden, dann schlingert das Profil bei den Auseinandersetzungen mit der Türkei, die nicht nur auf Zyperns und Griechenlands Souveränität pfeift. Martin Schirdewan hatte schon zu Beginn des Gipfels die wesentlichne politischen Konflikte unter der Überschrift „Preisschild für die Demokratie“ kommentiert.

Die lang erwarteten Ergebnisse zum ReactEU-Programm, welches die unmittelbaren Corona-Hilfen enthält, hat uns Nora Schüttpelz en détail in einem Überblick zu allen Strukturfonds-Entscheidungen auseinandergenommen, die zeitgleich in den Trilogen ausdiskutiert wurden. Letztlich ist da Licht und Schatten und insgesamt möchte man lieber heute als morgen die Machtfrage hinsichtlich der Rolle des Europäischen Rates einmal viel lauter als gewöhnlich stellen, was uunter anderem der Tagesspiegel am Wochenende einmal zur Debatte gestellt hat.  Dies soll in der sogenannten EU-Zukunftskonferenz zur Diskussion stehen, die die Kommission als großes, zusätzliches, demokratisches Instrument im vergangenen Jahr ausgerufen hat. Doch die Pandemie hat dem einen eigenen Riegel vorgeschoben.

EU-Ratspräsidentschaft: eine Bilanz

Am Donnerstagabend zogen Martina Michels und Martin Schirdewan, gemeinsam mit Johanna Bussemer von der Rosa Luxemburg Stiftung in einer Online-Veranstaltung Bilanz zur Ende Dezember endenden Deutschen Ratspräsidentschaft, die als Corona-Ratspräsidentschaft uns sicher noch ein Weilchen beschäftigen wird. Denn diese hatte sich – wenn auch spät – ein dickes Programm gestrickt, das von den internationalen Handelsbeziehung mit China über den oben schon erwähnten mehrjährigen EU-Haushalt, über Anforderungen an Klima und Digitalisierung und die Bewältigung der Corona-Pandemie reichten. Martina und Martin erzählten aus ihren fachlichen und parlamentarischen Perspektiven, während Johanna Bussemer noch einmal aus ihrer Sicht das Demokratiedefizit der EU thematisierte. Auch wenn wir nun die Haushaltseinigungen als Medienerfolg erleben, istwiederum viel Vertrauen in die Europäische Politik auf der Strecke geblieben. Menschen wissen gerade angesichts der Pandemie nicht, ob die soziale Angleichung der Lebensverhältnisse noch immer ein ernsthaft verfolgtes Ziel ist. Doch selbst bei den Versprechungen beim Green Deal oder bei der Regulierung von Plattformen kommen die EU-Institutionen nur in Tippelschrittchen voran, wie unsere beiden folgenden Einträge zur Energiepolitik und zum Digital Service Act zeigen.

Die EU, der Digital Service Act und Wohnungspolitik: Studie – Plattformversagen veröffentlicht

Plattformregulierung und Airbnb, 9.12.2020 | Screenshot von Konstanze Kriese

Wer glaubt, dass die Wohnungspolitik allein von den Mitgliedsstaaten verantwortet wird, hat die Zeichen der ohnehin angespannten Auseinandersetzung verschlafen. Es sind nicht nur die anonymen internationalen Investoren, die den Wohnungsmarkt überall unter Druck setzen und sich weder um Neubau und Pflege des Wohnbestandes scheren. Es sind auch die neuen Geschäftsmodelle von Plattformen, die die Wohnungsmärkte, besonders in den Großstädten, unter Druck setzen. Airbnb hat mit seinem „Kurzwohnmodell“ ganze Wohnungsbestände aus dem eigentliche Wohnmarkt herausgerissen. In Berlin wurde mit dem Zweckentfremdungverbot gegen derartige Praktiken vorgegangen. Auch Madrid und Paris haben sich gewehrt, doch die lokalen Lösungen sind nicht ausreichend. Die Plattformen selbst unterschlagen nicht nur soziale Garantien für die, die mal so eben vermieten, und das ist eher der geringere Teil, sondern sie agieren international und müssen genau auf diesen Ebenen auch reguliert werden. Im Digitalen Service Act (DSA), den die Kommission derzeit in die Debatte geworfen hat, soll die Regulierung versucht werden. Doch um sinnvolle Regulierungen zu erkämpfen, benötigen wir eine Bestandsaufnahme zur angespannten Lage in den Großstädten. Deren Probleme wurden in Form einer Studie untersucht. Diese Studie wurde auch online in der vergangenen Woche vorgestellt, gemeinsam mit europäischen Expert*innen des Hauses Wien in Brüssel, dem europäischen Mieterbund und Linken aus Berlin in einem anschließenden Austausch.

Wem gehört die Energie von morgen? Webinar-Bericht und Informationen zur EU-Wasserstoffstrategie

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Diese hochpolitische Frage stellte Roland Kulke von der Stiftung transform! in einem Webinar, das die linke Fraktion im Europäischen Parlament veranstaltete. Die Veranstaltung war schon am 17. November 2020, aber der Bericht aus dem Büro von Cornelia Ernst, MEP, erschien erst in der vergangenen Woche. Da dieser viel Stoff, viele Beiträge und auch die aktuellen parlamentarischen Auseinandersetzung zur EU-Wasserstoffstrategie sowie eine schöne Videoanimation enthält, wollen wir Euch dieses energie- und klimapolitische Kompakt-Paketnicht vorenthalten.

Bergkarabach: Frieden in Bergkarabach?

Aus dem Vortrag von Maike Lehmann, 10.12.2020 | Screenshot v. Konstanze Kriese

Unter dieser Frage veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung am Mittwochabend eine Diskussionsrunde, die die Hintergründe des Konflikts und die aktuelle Lage beleuchtete. Für uns waren Konstanze Kriese und Jörg Bochmann mit dabei. Maike Lehmann, Fellow am Imre Kertész Kolleg Jena, ging tief in die Geschichte des Konflikts und beschrieb dessen Manifestation, die dann endgültig mit der sowjetischen Nationalitätenpolitik besiegelt schien. 1988 wurde der Konflikt erneut dramatisch und entwickelte sich bis zum Krieg. Diese Etappe untersuchte insbesondere Heiko Langner, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion DIE LINKE, indem er die Bemühungen der Minskgruppe der OSZE unter die Lupe nahm. Felix Jaitner, RLS-Promotionsalumni, vertiefte zuvor am Beispiel Aserbaidschans die Krisenhaftigkeit der postsowjetischen Staaten. In der stellenweise hoch emotionalen Debatte, zu der Menschen weltweit zugeschaltet waren, konnten einerseits viele Fragen beantwortet werden, andererseits die vielen Fragezeichen, die sich aus dem Waffenstillstand vom 9./10. November 2020 ergaben, kaum auflösen. Die marginale Rolle der EU war nicht einmal mehr Thema des Gesprächs. Dies wird allerdings am kommenden Dienstag anders sein, wenn es im Plenum ab 15 Uhr um die Beziehungen zur Östlichen Partnerschaft geht.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.