Martinas Woche 48 – 2021: Kultur- & Regional-politik und eine besondere Städtepartnerschaft

Martina Michels, Konstanze Kriese

KI, Kultur & Bildung – Slowenische Ratspräsidentschaft und Kultur – Neues Europäisches Bauhaus – Dêrik/Nordsyrien

In Brüssel tagten in der vergangenen Woche die Ausschüsse. Auch rundherum trafen sich Abgeordnete, um sich zur Herangehensweise an Positionen z. B. zur Künstlichen Intelligenz in Kultur und Bildung oder zum Neuen Europäischen Bauhaus zu verständigen. Wir berichten etwas ausführlicher vom Kulturausschuss und einmal mehr zum Neuen Europäischen Bauhaus. Für diese Kommissionsinitiative hat Martina die Stellungnahme des Regionalausschusses übernommen und kann auf diese Weise die Sichtweise kommunaler Verbände und Gremien einbringen, um das Programm wirklich inklusiv, grün und sozial zu entwicklen.

KI und Kultur – die Auseinandersetzungen gehen in die nächste Runde

Im April 2021 veröffentlichte die Kommission ihren Gesetzesvorschlag zum Künstlichen Intelligenz Act (AIA). Nach diversen Positionsbestimmungen, auch aus dem Kulturausschuss, wurden die bis dahin vorliegenden Vorgaben der Kommission, die sich besonders an den Ausschuss für Verbraucherschutz richteten, vom Parlament kritisiert und konkretisiert. Schon vor einem Jahr war klar, dass nicht nur anerkannte Industriebereiche wie die Fahrzeugindustrie zu Risikobereichen gehören, in denen es strenge Regelungen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz geben muss. Der Einsatz in Medien oder in der Bildung ist nicht weniger mit riesigen Gefahren für unsere demokratische Entwicklung verbunden und langsam kommt dies auch bei der Kommission an. Zum vorgelegten Act ist zwar der Kulturausschuss erneut nur mit einer Stellungnahme gefragt, aber immerhin.

Bevor die Stellungnahme im Ausschuss verhandelt wird, lud der Berichterstatter der Grünen, Marcel Kolaja, am vergangenen Dienstag zu einem erhellenden Stakeholder-Treffen ein, bei dem u. a. Sarah Shander von EDRi, einer engagierten NGO für Datenschutz und Grundrechte, und Daniel Leufer von Access Now vertreten waren. Leufer sprach eindringlich über die globale Kampagne zum Verbot der Sammlung biometrischer Daten, die von 200 NGOs in 60 Ländern getragen wird. Sarah Shander führte den Blick schnell über den KI-Einsatz im Klassenzimmer hinaus, nachdem zuvor Vertreterinnen den Einsatz von KI an Hochschulen erläuterten, der durch die Pandemie und die neuen Online-Prüfungsverfahren zunehmend beschleunigt wird. Die Auseinandersetzung mit diesen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zeigte klar, wo in dem KI-Act nachgearbeitet werden muss. Zumeist war der Transparenz-Paragraph,  Art. 52, im Fokus, doch die Klarheit gehört in alle Definitionen des Gesetz-Aktes, so wie es Martina schon bei der Ausweitung der Hochrisiko-Bereiche auf Kultur, Medien und Bildung vor über einem Jahr gefordert hatte.

Drachenbrücke in Ljubljana | Foto: Konstanze Kriese

Kulturausschuss diskutiert aktuelle Programme und mit der Ratspräsidentschaft Sloweniens

Am Mittwoch tagte der Kulturausschuss und befasste sich mit den konkreten Umsetzungen des Erasmus-, des Kreative-Europe- und des Solidaritäts-Korps-Programms. Diesmal wurde speziell das große Media-Programm näher beleuchtet und die Verantwortliche der Kommission Luca Recalde erstattete dazu einen ausführlichen Bericht zu den kommenden Calls, die natürlich auch der besonderen Pandemie-Situation erneut Rechnung tragen müssen. Interessant waren die Vertreter*innen der Slowenischen Ratspräsidentschaft, die ein großartiges Leseförder-Programm erläuterten, das sie mit allen EU-Ländern gemeinsam fortsetzen. Ebenso berichteten sie von modernen digitalen Entwicklungen in Kulturproduktionen und ersten Umsetzungsideen zum Europäischen Bauhaus. Überraschend war deren Auftritt insofern, weil sie für Weltoffenheit argumentierten und sogar die oft kleinliche nationale Umsetzung manch europäischer Kulturprojekte als wenig progressiv verurteilten. Die Kulturverantwortlichen, die die Kulturprojekte der Slowenischen Ratspräsidentschaft vorstellten, schienen einem Paralleluniversum entsprungen zu sein. Jedenfalls vertraten sie völlig andere politische Anschauungen als der Ministerpräsident und Rechtspopulist Janez Janša. Da bleibt nur, die Hoffnungen auf die kommenden Wahlen in Slowenien u. a. durch mehr Kulturaustausch aktiv zu unterstützen, denn eine große Parteienkoalition hat sich immerhin vorgenommen, Janšas Abwahl zu bewerkstelligen, wie wir bei den Studientagen im Oktober erfahren konnten. Für das kulturell wirklich interessante Slowenien wäre das wirklich ein lohnendes Wahlziel

Regionalausschuss mischt mit bei der Parlamentsposition zum Neuen Europäischen Bauhaus

Schulgebäude in Velenje, Slowenien | Foto: Konstanze Kriese

In dieser Woche trafen sich erstmalig Mitarbeiter*innen der Industrie-, Kultur- und  Regionalausschüsse, um den Zeitplan für die Erarbeitung der längst überfälligen Parlamentsposition zum Neuen Europäischen Bauhaus zu entwickeln.  Schon seit einem Jahr gibt es Vorarbeiten, denen es nicht an Interesse und Charme, aber gehörig an Transparenz fehlt. Wie es dazu kam, erläuterte Martina in einem Artikel, der dieser Tage im Newsletter der Linken erscheint. Fakt ist, dass sie mit einer Stellungnahme für den Regionalausschuss hier in den kommenden Monaten viel Verantwortung übernommen hat, damit das Projekt mehr wird, als das Ornament einer guten Idee oder ein kleiner Fördergeld-Regen für die Bauindustrie.

Wir schrieben den September 2020. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hielt, mitten in einer nie da gewesenen Pandemie, ihre jährliche Rede zur Lage der EU.“, beginnt Martina ihren Artikel. „Sie verkündete wie so oft Visionen rund um den ‚Green Deal‘, der sich durch sämtliche EU-Programme schlängeln soll. Doch ihr gelang es auch, Verwunderung auszulösen. In dieser Rede bezog sie sich auf das große Wiederaufbauprogramm gegen die Pandemie namens ‚NextGenerationEU‘ und hielt fest: ‚Ich will, dass NextGenerationEU eine europäische Renovierungswelle auslöst und unsere Union zu einem Spitzenreiter in der Kreislaufwirtschaft macht. Aber dies ist nicht nur ein Umwelt- oder Wirtschaftsprojekt, sondern muss auch ein neues Kulturprojekt für Europa werden. Jede Bewegung hat ihr eigenes Gefühl. Wir müssen dem Systemwandel ein Gesicht verleihen – um Nachhaltigkeit mit einer eigenen Ästhetik zu verbinden. Deshalb werden wir ein neues europäisches Bauhaus errichten – einen Raum, in dem Architekten, Künstler, Studenten, Ingenieure und Designer gemeinsam und kreativ an diesem Ziel arbeiten.’“ Der ganze Artikel ist hier nachlesbar.

Städtepartnerschaft mit Dêrik/Nordsyrien unterstützt

Zwischen dem Stadtbezirk Friedrichhain-Kreuzberg und Dêrik in Nordsyrien gibt es seit 2019 eine Städtepartnerschaft, nachdem die Region durch die von Erdoğan besetzte Grenzzone und die vorangegangenen Interventionen immer mehr unter Druck geraten war, obwohl sie selbst lange Zeit ein Schutz- und Zuzugsraum jesidischer Kurden aus dem Irak war. Bisher sind schon einig Projekte auf den Weg gebracht worden: eine Nähwerkstatt im Geflüchtetencamp Newroz, die Begrünung eines Teils vom Flussbett, das sich durch Dêrik zieht, die Anlage von drei Nachbarschaftsgärten in Dêrik und der Erwerb, Ausbau und Betrieb einer mobilen Klinik im Umland der Stadt. Jetzt soll das Zusammenleben in einem Film dokumentiert werden. Martina Michels warb für eine Spende bei ihren Kolleg*innen und jetzt unterstützt die Delegation in Brüssel gemeinsam dieses Projekt. Und die erste Reaktion des Vereins: „…das ist ja eine großartige Nachricht! Vielen Dank! Ich habe gleich den Filmemacher informiert, der gerade zu Filmaufnahmen in Dêrik vor Ort ist.“ Und es wurde uns eine Filmkopie versprochen, so dass wir dann über den Fortgang der Projekte informieren können. Wenn Ihr auch unterstützen wollt, hier findet Ihr weitere Informationen bei dem Städtepartnerschaft Friedrichshain-Kreuzberg – Dêrik e.V.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.