Martinas Woche 46 – 2021: Wenn in Mondlandschaften neues Leben entsteht 

Martina Michels im Büro in Brüssel am 26.10.2021 | Foto: Konstanze Kriese

Martina Michels, Konstanze Kriese

Just Transition – COP26, die Pandemie und die Klimakrise – Kultur & Pandemie: TIPP – Plenarfokus

Nächste Woche tagt das Europaparlament in Straßburg und entscheidet unter anderem über die gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP). Diese Entscheidung wird einen erheblichen Teilbereich treffen, der mehr Nachhaltigkeit benötigt, um die Klimaziele weltweit verwirklichen zu können. Um nichts weniger ging es in den 14 Tage in Glasgow bei der Weltklima-Konferenz COP26, die wir hier einmal unter dem Aspekt ihrer Verschränkung mit der Corona-Pandemie beleuchten wollen. 

Zu Beginn der vergangenen Woche stand Martina bei einer Multi-Level-Diskussion zum Just Transition Fonds Rede und Antwort und wir kündigen in dieser Ausgabe von Martinas Woche noch eine neue Publikation an, die sich mit Kultur und Corona auseinandersetzt und aus einer Studie heraus entstanden ist.  

Just Transition Plattform vereinte lokale und Europapolitik

Dass der Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund/JTF) ein Instrument des Erfolges des Green New Deal der EU sein könnte, um den Übergang in ehemaligen und noch aktiven Kohleregionen gerecht zu gestalten, steht außer Frage. Interessant an dem Austausch am vergangenen Montag, der Wochenauftakt für Martina, waren die Ansichten und Transformationsideen der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die letztlich diesen Förderfonds mit Leben füllen.  Doch ebenso waren die europäischen Regionalpolitiker*innen wie Martina gefragt, denn es steht immer sofort die Frage, ob es mögliche Vernetzungen mit anderen EU-Programmen geben kann, denn gerade die ehemaligen Bergbaurgebiete sind oft schrumpfende Regionen, deren struktureller Umbau Akzeptanz bei den Bewohnerinnen und Bewohnern benötigt, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Die soziale Dimension des Umbaus die Martina in der Debatte nochmals hervorhob, ist zugleich ein wesentliches Element, dass der Umbau in demokratischen Entscheidungen anerkennt wird und ein konkretes Gesicht bekommt, woher die neue Energiebasis kommt, welche Arbeitsplätze entstehen können, wie das gesellschaftliche Leben und auch die Landschaft sich verändert, wenn der Kohleabbau nicht mehr bestimmend ist, ob im beruflichen Alltag oder im Volkslied. Deshalb hielt Martina in  dem Austausch auch fest, dass der wichtige Fonds trotzdem zu klein ist für das, was den Strukturwandel insgesamt ausmacht „Es war aber von Anfang an klar, daß Strukturwandel überall stattfindet und ein längerfristiger Prozeß ist. Und so stellt sich natürlich die Frage, nach Ausweitung dieses Fonds, nach zusätzlichen Sonderfonds und insgesamt nach dauerhaft robuster Ausstattung der EU-Strukturfonds“. Wohin die Reise gehen kann, schildert Nora Schüttpelz im Kurzbericht zu dieser Debatte, in den Regi-News des Monats November.

Am Beispiel Südbrandenburgs wird in diesem interessanten Beitrag geschildert, wie sich die ehemaligen Braunkohle-Reviere, die riesige Mondlandschaften hinterließen, inzwischen zu Gebieten entwickeln konnten, die der Zerstörung der Biodiversität Einhalt gebieten könnten.

COP26 – Pandemie, Umwelt und Ergebnisse des Weltklimagipfels

Grafik aus dem Artikel von Roland Kulke | WWW.TRANSFORM-NETWORK.NET/DE/BLOG/ARTICLE/THE-PANDEMIC-AS-PART-OF-A-MUCH-BROADER-CRISIS-OF-CIVILISATION/

In einem Beitrag von Juni 2021 schrieb Roland Kulke von transform! europe abschließend: „Die Corona-Krise ist das Ergebnis einer nicht nachhaltigen Lebensweise, vorangetrieben durch Kapitallogik und Konsumismus, der mit ersterer einhergeht. Die Jagd nach hohen Profitraten, der Klassenkampf gegen die Unterdrückten und die stetige Inwertsetzung der Natur im Kapitalismus sind die Ursachen dieser katastrophalen Krise. Wenn wir nicht zu einem guten Leben für alle kommen, dann wird diese Krise verblassen gegenüber der noch kommenden.“ Die Pandemie als Teil einer viel umfassenderen Zivilisationskrise zu sehen, ist letztlich eine der grundlegenden Voraussetzungen dafür, die Pandemie auch nachhaltig zu bekämpfen. Das beginnt damit, dass der Kampf gegen Covid19 global und nicht exklusiv in den reichen Industrienationen geführt wird. In dem Beitrag erinnert Roland Kulke zugleich daran, was de facto alles bei globalen Treffen wie der COP26 zur Verhandlung ansteht. Letztlich wird derzeit oft verengend suggeriert, dass wir nur um irgendeine politische Lösung für die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles bei der höchstens zulässigen  Erderwärmung kämpfen. Doch die bedrohlichen Kipppunkte sind wesentlich umfassender: „Die Klimaerhitzung ist aber nur eine (!) der globalen Grenzen, “, schreibt Kuhlke, „die wir nur zum Preis der eigenen Vernichtung längerfristig überschreiten können. Sofern wir als Menschen dauerhaft in einer sicheren Umwelt leben wollen, müssen wir nicht nur die Temperatur unterhalb von maximal 1,5 Grad Celsius des vorindustriellen Niveaus halten, sondern auch die Meere vor Versauerung schützen, die Humusschichten für die Landwirtschaft bewahren, die Biodiversität erhalten und vieles mehr.“ 

Eine mahnende wie ausgewogenen Einschätzung zu den Ergebnissen des Weltklima-Gipfels lieferte der Referent der Welthungerhilfe, Michael Kühn, indem er festhielt: „Misst man die Ergebnisse der Klimakonferenz an der Dringlichkeit des Handelns, war sie ein weiterer klimapolitischer Fehlschlag, nimmt man die kleinen, ermunternden Fortschritte zur Kenntnis, könnte es Anlass zur Hoffnung geben, dass die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts nicht die zwei Grad Celsius Grenze überschreitet. Allerdings setzt das voraus, dass die Staaten unmittelbar von einem Ankündigungs- in einen Umsetzungsmodus umschalten. Und dabei kann nicht unbeachtet bleiben, dass wir uns in einer weltweiten Pandemie befinden, die vielfach Ressourcen bindet, und geostrategische Machtkämpfe zwischen einigen der Verhandelnden den konstruktiven Dialog verhindern. Die Chancen sind eher durchwachsen.“

Kultur in der Pandemie: Ein Lesetipp für morgen

In wenigen Tagen erscheint unsere Broschüre: Unter Null  Corona, Kultur und Politik in Europa und dann heißt auch für uns: Wie nun weiter mit der Debatte um die soziale Absicherung der Kulturproduzent*innen? Gerade schliddert die Branche in die vierte Welle. Die zaghaften Sommer-Theater, die Kinos und Spielstätten schließen erneut. Rettungspakete müssen erneut geschnürt werden und vor allem für die, die sie dringend benötigen, auch nutzbar sein. Martina Michels erläutert im Klappentext der Broschüre, die noch im Druck ist: „Für mich ist die Veröffentlichung dieser Publikation Auftrag und Chance, die Sicherung der Arbeit vonKulturproduzenten in der politischen Debatte zu behalten, die konkreten politischen Schritte, die vor allem auch in den Mitgliedstaaten und den Regionen und Kommunen gegangen werden müssen, mit meinen Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel in Berlin, Madrid, Athen oder Brüssel fortzusetzen und vor allem das Zuhören und den Kontakt zu den Kulturproduzenten produktiv zu gestalten, auch jenseits des Plenarsaals. Immerhin gibt es genug offene Fragen, ganz oben die Umsetzung eines Europäischen Rahmens der sozialen Sicherung von Kulturproduzentinnen und -produzenten. Immerhin ist die bittere Erfahrung „Ohne Kunst wird‘s still“ gerade allen offenbar. Nutzen wir diesen Moment.“  Die Publikation stellen wir auch im Download-Format zur Verfügung, so dass die interessanten Interviews, die mehrheitlich von KP Flügel aus Hamburg geführt wurden, sowie seine interessante Fotoserie: „Form – Struktur – Perspektive“ für jede und jeden Interessenten nachles- und einsehbar werden.

Plenarwoche in Straßburg: 22. bis 25.11.2021

Martina Michels auf der Passerelle im EP, 9/2021 | Foto: Nora Schüttpelz

Morgen beginnt das nächste Plenum in Straßburg. Alle Fahrkarten waren gekauft. Es sollte eine Plenarsitzung in Präsenz werden, Normalität außerhalb von Corona-Zeiten. Doch es kommt erneut anders. Die Runde der Präsidenten der Fraktionen entschied am Donnerstag, dass die Plenartagung wieder zum großen Teil online stattfinden sollte, auf dass möglichst wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Straßburg reisen und die aufwändigen Abstimmungen vor allem von den individuellen Büros oder vom heimischen Schreibtisch aus erfolgen sollen. Die Arbeitsweise ist letztlich seit über einem Jahr erprobt. Erst bei den Tagungen im Sommer gab es Hoffnung auf Zeiten, die die unmittelbare Kommunikation wieder zurückbringen.
Unabhängig von der Art zu tagen, bringt unsere Delegation vor jeder Plenartagung einen Fokus mit wichtigen Themen heraus, den ihr hier nachlesen könnt.  Die wohl umstrittenste Abstimmung gilt dieses Mal der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). Fast ein Drittel aller Strukturförderungen fließen in den Agrarsektor. Das sind Immerhin 387 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027. Da ist es wahrlich erheblich, zu fragen, was in der Landwirtschaft klimapolitisch, verbraucherpolitisch und auch in den Handelsbeziehungen passiert, denn: Protektionismus zerstört die Lebensräume in anderen Weltregionen und die Interessen der großen Lebensmittelketten und anderer Big Player schaden einer klimafreundlichen Landwirtschaft, derer eigenen Nachhaltigkeit und drücken auch die Einkünfte der Landwirte.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.