Martinas Woche 46 – 2020: Kampf um demokratische Institutionen

Martina Michels in der Fraktionssitzung | Foto: GUE/NGL - PRESS UNIT

Martina Michels, Konstanze Kriese

Kein Geld für fossile Energiepolitik – USA und der Kampf um demokratische Institutionen – Waffenstillstand in Bergkarabach – China und der Welthandel – European Forum im November 2020

Vergangene Woche tagte in Brüssel das sogenannte Miniplenum mit allerhand Abstimmungen und Plenardebatten. Aus einer, der über die Wahlen in den USA, wollen wir hier kurz berichten.

In der vergangenen Woche entschieden über 115 Abgeordnete, sich gegen die erneut drohende politische Unterstützung einer fossilen Energiepolitik in den europäischen Programmen auszusprechen und taten dies in einer gemeinsamen Erklärung. 

Da Martina Mitglied in der parlamentarischen Delegation EU-Südkaukasus ist, verfolgte sie seit Wochen den wieder aufflammenden Krieg. Mit der Einnahme von Schuscha Anfang November wurde die Lage Armeniens endgültig aussichtslos in diesem asymmetrischen Gemetzel, bei dem Aserbaidschan kräftig von Erdoğans Truppen und Kriegsgerät unterstützt wurde. Der Waffenstillstand vom 10.11.2020 war das Ende der Kampfhandlungen. Er hält bisher, doch seine Ergebnisse sind so einseitig, dass Armenien gerade in eine tiefe innenpolitische Krise stürzt. Martina hatte die Gemengelage für den Blog die-zukunft.eu letzte Woche zusammengefasst.

China geht einen riesigen Schritt inmitten der komplizierten internationalen Handelspolitik und antwortet damit auf den von Trump angezettelten Handelskrieg auf seine Weise. Was dies im einzelnen bedeuten, werden wir sicher noch im Detail analysieren.

Das Europäische Forum des Netzwerkes transform und der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat, statt geplanter Treffen, einen ganzen Monat online-Veranstaltungen zu progressiven Politikansätzen in Europa organisiert. Auch wir werden uns beteiligen. Schaut einfach vorbei.

Miniplenum des Europaparlaments mit Blick auf US-Wahlen und den Kampf um die demokratischen Institutionen

Martin Schirdewan vorm Pressezentrum des Europaparlaments | Foto: GUE/NGL PRESS-UNIT

Vielleicht fragt sich so mancher: „Was hat das Europaparlament mit den Wahlen in den USA zu schaffen?“ Martin Schirdewan, unser Fraktionsvorsitzender, hat dazu in der Plenardebatte eine klare Haltung gezeigt, indem er die Wahl in den USA als Abstimmung zwischen Autokratie und Demokratie verstanden hat. Auch wenn die demokratische Partei in den USA ein sehr großes Spektrum an politischen Überzeugungen abbildet, so ist das, was sie von den Republikanern und ihrem letzten Präsidenten Trump trennt, klar zu ersehen. Trump hat die Verlässlichkeit im weltpolitischen Umgang mit den USA auf eine harte Probe gestellt, hat das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt, den Südpazifik aufgerüstet, das Ausmaß von Drohnenkriegen vervierfacht, den wirtschaftlichen Protektionismus ausgeweitet. Eine multilateriale Politik, die ohnehin neue Wege der weltweiten Zusammenarbeit gehen muss, ist hier um Jahre zurückgeworfen worden, was sicher auf der anderen Seite die Uneinigkeit Europas etwas überdecken konnte. Martin Schirdewans kritisierte daher auch das Schweigen der EU-Kommission im Vorfeld der Wahlen: „Eine klare Aussage seitens der EU, nicht für einen Kandidaten, aber für die Einhaltung der demokratischen Spielregeln, wäre ein Zeichen außenpolitischer Stärke gewesen. Ihr Schweigen war es nicht. Denn wenn es um den Erhalt der Demokratie geht, dürfen Demokraten nicht schweigen.“, sagte er in der Plenardebatte und dies – auch wenn es sich alle so nicht vorstellen konnten – gilt genauso nach den Wahlen, denn seither klebt Trump mit einer Schar Anwälten am Weißen Haus und windet sich, das Wahlergebnis anzuerkennen. Diese Auswüchse eines modernen Autokraten hat sich vor den Wahlen niemand träumen lassen, obwohl wir von Trump nun schon seit Jahren allerhand gewöhnt sind. Letzteres ist auch ein paar weitere Überlegungen wert, denn selbst wenn Trump nun geschlagen ist, ist der Trumpismus nicht verschwunden. Diesencklein zu halten, kommt zu den vielen Aufgaben, die die Demokraten vor sich haben, noch obendrauf und das gilt letztlich nicht nur in den USA. Schauen wir ganz kurz nach Deutschland: Gerade kaufte ein regionaler Innenminister einen Waffe von einem rechtsextremen Netzwerk und trotzdem ist er Tage später noch nicht zurückgetreten und wird von seiner Partei auch nicht dazu angehalten. Das ist ein Vorgang, der unseres Erachtens so vor wenigen Jahren noch undenkbar war, eine Art Trumpismus made in Germany. Der Kampf um die demokratischen Institutionen ist immer auch ein Kampf gegen ihren Umbau, wie Nils Markwardt in einem Beitrag für den Deutschlandfunk Kultur ausführt.  Und letzteren betreiben weltweit auch erklärte Demokrat*innen, ein Problem, das in allen politischen Auseinandersetzungen virulent ist und deshalb auch eine differenzierte Auseinandersetzung in alternativen linken Politiken verlangt.

Gemeinsame Erklärung: Wiederaufbau darf keine fossile Energiepolitik stützen

Über 115 Abgeordnete, vornehmlich von den Grünen, den Linken und den Sozialdemokraten, haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der die EU-Institutionen aufgefordert werden, aus EU-Fonds keine neuen Projekte für fossile Brennstoffe zu fördern. Derzeit werden die Zuschnitte der Programme  im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027, darunter auch der neue Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fonds) und zusätzlich die Hilfen, die speziell die Folgen der Corona-Pandemie abfedern sollten, in den letzten Zügen verhandelt. Die Lage durch die Pandemie darf jedoch kein Freibrief werden, grundlegende ökologische Herausforderungen und die Bewältigung einer gerechten Digitalisierung wieder schleifen zu lassen. Wir brauchen keine weiteren „Brückentechnologien“, in denen mit fossilen Brennstoffen Energie erzeugt wird und erst recht müssen wir für die noch laufenden Kohle- und Gasproduktionen nicht auch noch Förderungen vorhalten. Zum Hintergrund der Erklärung könnt ihr hier noch weiterlesen.

Bergkarabach – Wie weiter nach dem Waffenstillstand?

Inzwischen scheint ein Anschlag auf den Armenischen Premierminister Paschinjan vereitelt worden sein, ein Waffenlager wurde ausgehoben. Trotz Waffenruhe, die vor allem Aserbaidschans vor sechs Wochen vom Zaun gebrochenen Krieg mit Unterstützung Erdogans in den Ergebnissen „adelte“, ist die Lage weiter angespannt. Dies vor allem, weil die Waffenstillstandsvereinbarung eine tiefe innenpolitische Krise in Armenien ausgelöst hat. Die Armenier*innen, welche die Regionen, die Aserbaidschan zugesprochen wurden, verlassen müssen, brennen seit Tagen ihre Häuser ab. Die inneren Unruhen halten an, doch die Waffenruhe hält derzeit. Das besiegte Armenien erfüllt seine Auflagen und zieht die Armenischen Streitkräfte aus Bergkarabach ab. Russland verhandelt mit allen Seiten. Martina hatte nach dem Waffenstillstand vom 10.11.2020 eine behutsame Bestandsaufnahme der Lage zusammengefasst, die auf dem Blog die-Zukunft.eu erschien und in der sie vor allem danach fragt, was nun in einem bisher ausgebliebenen Friedensplan kommen soll, ob daran wieder die multilateriale internationale Minsk-Gruppe der OSZE beteiligt wird oder ob die UN, die EU und die OSZE weiter zusehen wollen, wie Putin und Erdoğan in der Region agieren und den Konflikt nutzen, um ihre Politik auszudehnen, die schon jetzt zweierlei auf dem Gewissen hat: Armeniens demokratischen Aufbruch der vergangenen Jahre und die wiederholte Mitteilung an Diktatoren in aller Welt: Kriege lohnen sich! Die Weltgemeinschaft schaut nicht so genau hin, solange die Rohstoffe für die reichen Industriestaaten sprudeln.

RCEP-Abkommen: China ist und bleibt der Motor des Handels in Asien und dem Südpazifik

„Die „regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft“ oder RCEP, wie der Pakt abgekürzt wird, umfasst 2,2 Milliarden Menschen und knapp ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Das Abkommen verringert Zölle, legt gemeinsame Handelsregeln fest und erleichtert damit auch Lieferketten. Es umfasst Handel, Dienstleistungen, Investitionen, E-Kommerz, Telekommunikation und Urheberrechte.“schreibt die Deutsche Welle zu diesem Freihandelsabschluss, der wie eine Reaktion auf Trumps Handelskrieg und ein Cspöttisches Abschiedsgeschenk“ an den unterlegenen Präsidenten der USA wirkt. Erstaunlich, dass dabei Japan mit im Boot und Indien nun draußen ist. Details zum Pakt wird sicherlich Helmut Scholz in den kommenden Tagen kommentieren.

Veranstaltungstipp im Rahmen des Europäischen Forums: 8.-28. November 2020

Erstens gibt es viele interessante Veranstaltungen im Rahmen des European Forums, das vom Netzwerk transform zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet wird. Ihr könnt hier des Programm einsehenund euch für die Online-Veranstaltungen anmelden. Eine wollen wir an dieser Stelle hervorheben, weil da auch Konstanze Kriese teilnehmen wird:

Am 21. November 2020, von 17 bis 20 Uhr, startet die CULTURE ASSEMBLY mit einem Treffen unter dem Titel „No Europe without Culture“ (Online-Anmeldung siehe oben).

  • Dort wird nach der Lage der Kulturproduzenten europaweit gefragt;
  • Es geht um Kultur und Europas progressive Identität;
  • Angesichts der inhumanen Migrationspolitik und dem wachsenden Einfluss der extremen Rechten wird gefragt, warum die kulturellen Auseinandersetzungen so essentiell sind.

Wir erwarten dort u. a. Jose Manuel Beltran, Director of the Documentary Film Festival in Donostia/San Sebastian, Basque Country, und Margarita Syngeniotou, lyric artist and opera singer.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.