Martinas Woche 42 – 2022

Martina Michels in Diskussion zur Deutschlandpremiere der 2. Staffel „Das Parlament“ am 10.10.2022 | Foto: Jörg Bochmann

Das Europaparlament als Serienhighlight

Politik und Satire – AVMD Richtlinie – Rojava und Friedrichshain – Kohäsionsbericht – Plenarfokus

Martina Michels, Konstanze Kriese, Jörg Bochann


Am vergangenen Montag nahm Martina zum Wochenauftakt an der Sitzung der Internationalen Kommission bei der Partei DIE LINKE teil. Das Wahlergebnis in Niedersachsen regte einmal mehr an, sich auf die Europawahlen 2024 vorbereitend mit aller Ernsthaftigkeit und Entschiedenheit für ein wiedererkennbares linkes Profil einzusetzen. Genau das hatte eine Woche zuvor schon die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz linker Politikerinnen und Politiker mit einer Wortmeldung aus Brüssel begonnen. Doch Martina verließ diese erste Verständigung in diesem Gremium vorzeitig, um rechtzeitig in das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin zu eilen. Dort war sie eingeladen, um gemeinsam mit den Filmproduzenten die Deutschlandpremiere der zweiten Staffel der Fernsehserie „Das Parlament“ zu erleben.

Das Europaparlament als Satire – Geht das?

Die Euriopabrücke zwischen Kehl und Straßburg | Foto: Konstanze Kriese

Die Koproduktion (F, D, B) erhielt nach der Ausstrahlung der ersten Staffel 2020 den Grimme-Preis. Neben Martina, die als Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT) eingeladen war, bestritten der französische Regisseur Noé Debré, die akkreditierte parlamentarische Assistentin von Katarina Barley, Kim Steinhöfel, der Schauspieler Johann von Bülow, moderiert von Christian Feld (ARD-Hauptstadtstudio) ein Gespräch zur fortgesetzten Politiksatire und natürlich stand dabei auch das Spannungsfeld zwischen Fiktion und Wirklichkeit mit zur Debatte. Nach der Aufführung der ersten drei Episoden der zweiten Staffel, die das Europäische Parlament vor allem aus Sicht des Assistenten Samy (dargestellt von Xavier Lacaille) vorstellt, wurde über viele Aspekte der parlamentarischen Arbeit gesprochen, aber natürlich auch über die Filmproduktion und das Ensemble. Einig waren sich alle, dass die Serie den sogenannten APAs (akkreditierte parlamentarische Assistenten) ein Denkmal setzt, jene ca. 1.700 unmittelbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten in Brüssel, die auch im wirklichen Leben zwischen Büroorganisation, Fachpolitik und strategischer Politikberatung aktiv sind. Martina betonte, dass jeder Europaabgeordnete nur so gut ist, wie seine Assistenten als die im Hintergrund arbeitenden Fachleute. Doch sie betonte, dass sich ein Vergleich der Seriengeschichten mit der Realität letztlich verbietet, da es sich um eine stark überzeichnete Satire handelt, es aber durchaus Szenen gibt, die ihr bekannt vorkamen, wie das Suchen von Räumen im Parlaments-Flur-Dschungel, das selbstverständliche Switchen in eine andere Sprache mitten im Gespräch oder das deutsche Übergewicht bei der administrativen Postenverteilung. Einig waren sich alle, dass die Serie durchaus eine liebevolle Hommage an die Institution Europäisches Parlament in ihrer ganzen Komplexität und Kompliziertheit ist, auch wenn es noch viel zu tun gibt, um Bürokratie abzubauen, Rechte der demokratischen Mitgestaltung zu garantieren und finanzielle Mittel gerechter zu verteilen. Martinas Fazit: eine sehenswerte Serie, die auf hochkomische Art und Weise das Europäische Parlament und die europäischen Strukturen den Bürgerinnen und Bürgern durchaus näherbringt.

Stakeholder nehmen die Umsetzung der Audiovisuellen Mediendienste Richtlinie auseinander

Parlamentsgebäude in Straßburg | Foto: Konstanze Kriese

In einer ersten Runde hatte die Berichterstatterin Petra Kammerevert (S&D) für den Bericht zur Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, dessen Entwurf voraussichtlich Ende November 2022 vorliegen wird, diverse Institutionen, Firmen und Verbände eingeladen, um deren Erfahrungen mit der 2018 verabschiedeten Richtlinie einzuholen. Und naturgemäß haben da öffentlich-rechtliche Medienanstalten, europäische Regulierer, wie die ERGA, Videoplattformbetreiber, Behindertenverbände und Verbraucherschutz, sowie Filmschaffende, Autor*innen und Journalist*innen oder Werbeagenturen ganz unterschiedliche Sichtweisen auf ein Gesetz, das verschiedene reale politische Konflikte bündeln und fair austarieren muss. Neben den erwarteten Konfliktlagen vom Jugendschutz über Werbe-(markt-)verteilung, redaktionelle Verantwortung in tradierten Fernsehsendern und neuartige Nachrichten und Film-Medien sowie dem Umgang mit europäischen Werken, deutete sich in dieser ersten Debatte tendenziell sogar eine völlig überfrachtete Erwartungshaltung an die Richtlinie an. Denn die kann weder Urheberrechtskonflikte noch die Unterbezahlung vieler Kreativer lösen, die besonders auch nach Corona ein weiteres Mal tief in prekären Arbeitsbedingungen stecken. Durch die Energiekrise ist da wenig Licht am Ende des Tunnels, wenn man bedenkt, dass Filmproduktionen aufwändig und teuer sind und großen technischen Einsatz benötigen, selbst wenn es um Untertitelungen geht oder um andere Möglichkeiten, die Zugänglichkeit für Menschen mit Beeinträchtigungen zu ermöglichen.

Mit einer öffentlichen Anhörung werden die Aussprachen vor der Entstehung des Berichtes fortgesetzt. Die Anhörung findet am kommenden Dienstagvormittag statt und ist auch in vielen Amtssprachen online verfolgbar.

Eine Brücke nach Rojava – Premiere eines Filmprojekt

Eastside-Gallery, Berlin | Foto: Konstanze Kriese

„…meine herzlichen Grüße gehen aus Brüssel und Straßburg an das 12. Kurdische Filmfestival in Berlin, direkt zur Premiere des Dokumentarfilms „Eine Brücke nach Rojava“ am kommenden Sonntag. Ich bin stolz, dass meine Delegation die Filmproduktion unterstützt hat. Doch ich bin zugleich wütend und habe es heute öffentlich gemacht, dass Erdoğan erneut mit einem unsäglichen Mediengesetz jeglichen demokratischen Protest unterdrückt und verfolgt. Vom türkischen Präsidenten sind wir derartige Repressionen gewöhnt, doch die EU schaut weiterhin zu, wenn ihr Premiumpartner in Sachen Fluchtabwehr einerseits völkerrechtlich in Nordsyrien wütet und andererseits die innere Opposition, wie die HDP, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, die Frauenbewegung und Kulturleute bekämpft.“, so Martina in ihrem Grußwort an die Filmschaffenden der Städtepartnerschaft zwischen ihrem Heimatstadtbezirk Berlin-Friedrichshain und der nordsyrischen Stadt Derik. Vergangenen Sonntag war endlich Premiere im Berliner Kino Babylon. Unsere Delegation hat die Filmproduktion unterstützt, auch weil die Situation in Nordsyrien viel mehr Beachtung in Europa finden muss. Die Repressionen durch die türkischen Sicherheitskräfte mit ihren islamistischen Helfern zerstören sukzessive ein einmaliges gesellschaftliches Projekt des solidarischen Zusammenlebens. Doch es ist auch ein Projekt des Widerstandes gegen Frauenunterdrückung und der Hoffnung auf eine tragfähige multiethnische und multikulturelle Gesellschaft. Das wird u. a. auch mit diesem Filmprojekt weitergetragen.

„Die Zukunft der Kohäsionspolitik in Krisenzeiten“ – ein Konferenzbericht

Foto: LEFT-GROUP_PRESS UNIT

„Als die EU-Kommission am 9. Februar 2022 den 8. Kohäsionsbericht vorlegte, geschah dies mit vorsichtigem Optimismus und als erster Auftakt für die Debatte um die Zukunft der Kohäsionspolitik nach 2027. In Folge des Krieges gegen die Ukraine kommt nun der EU-Regionalförderpolitik erneut eine unerwartet verstärkte Rolle zu: Immerhin untersetzt sie ganz wesentlich die EU-Krisenhilfspakete mit Mitteln. Doch dieselben Gelder sind ihrem Programm nach eigentlich für langfristige Strategien der EU zur Angleichung der Lebensverhältnisse sowie für Investitionen in nachhaltige wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung vorgesehen. Die Leitfrage unserer Konferenz lautete daher: Wie können wir – aus linker Sicht – die drängendsten aktuellen, sozialen und wirtschaftlichen Krisenprobleme angehen und gleichzeitig die strategischen Ziele des Zusammenhalts in der EU beibehalten?“ Der Konferenzbericht ist hier zu finden.

Plenarfokus für die kommende Woche in Straßburg

Armutsbekämpfung, Haushalt, die Grenzschutzagentur Frontex, der nächste Gipfel des Europäischen Rates, Ernährungssicherheit, Förderung des Kulturaustausches mit der Ukraine – dies und mehr steht in der kommenden Woche in Straßburg zur Debatte und zur Abstimmung. In unserem Plenarfokus werden ausgewählte Themen der kommenden Woche vorgestellt. Die gesamte Tagesordnung findet ihr hier.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.