Martinas Woche 4 – 21: Von neuen Impfstoffen, neuen Präsidenten und alten Problemen

Martina Michels, Konstanze Kriese, Martin Schirdewan, Nora Schüttpelz, André Seubert

Plenartagung in Brüssel – Regional- Kulturpolitik – EU-Impfstrategie und Gipfel – USA mit neuem Präsidenten – CDU mit neuem Vorsitz – Veranstaltungs-Tipps, Meme-Star der Woche: Bernie Sanders

Zuerst wünschen wir auch in unserem wöchentlichen Rückblick unseren Leserinnen und Lesern ein gutes 2021, Gesundheit vor allem und vor allem auch für alle!

Das Team Michels berät zum Jahresauftakt | Screenshot

In der letzten Woche fand die erste Plenartagung des Europäischen Parlaments 2021 in Brüssel und  – wie immer für die meisten Abgeordneten – online statt. Der Blick ging vor und zurück, von den Covid-19-Bekämpfungsstrategien über den Brexit bis zu internationalen Handelsverträgen und einem neuen Verhältnis Europas zur USA, was mit Joe Bidens Amtseinführung in der vergangenen Woche nun vor seiner Ausgestaltung steht. So sehr erste politische Schritte, wie die Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen, Hoffnung verbreiten, so sehr bleiben neue Schritte der demokratischen Partei in Regierung, Schritte gegen weltweite Ungerechtigkeit, der Kampf gegen Verwerfungen durch neoliberale Politiken wohl eher Wunsch des linken Parteiflügels als Wille der ganzen Partei, die sich in den Vorwahlen recht schnell auf einen der konservativsten Vertreter der Demokratischen Partei geeinigt hatte. Der viral gegangene, unfreiwillige Kommentar Bernie Sanders durch seine dämmernde Haltung in einem Regiestuhl, eingemummelt mit gefalteten Händen in Norweger-Handschuhen, drückte wohl am besten alle die Unwägbarkeiten aus, die mit Joe Biden als Präsident, an einem Tag der Hoffnung und Versöhnung auch innerhalb der amerikanischen Gesellschaft, noch nicht einmal aufgelistet sind. Zu tief steckten die Bilder der Erstürmung des Kapitols vom 6. Januar 2021 durch Anhänger Trumps noch als Jahresauftakt in unseren Köpfen, denn sie riefen nicht nur – wie in  einem Brennglas – die Präsidentschaft Trumps in Erinnerung, sie mahnten nochmals, wie schnell Rassisten, Sexisten und Protektionisten das Establishment erklimmen können. Unser Co-Fraktionsvorsitzender, Martin Schirdewan, holte jedenfalls Bernie Sanders schon mal mit in die Europäischen Debatten ins Parlament und de facto kann das über das Symbolhafte hinaus durchaus wertvoll sein, wenn wir jetzt den linken Flügel der demokratischen Partei durch eine entsprechend entschlossenen linke Politik in Europa stärken.

Die volle Packung Regionalpolitik zum Jahresauftakt

Sharepic: Nora Schüttpelz

In einem umfangreichen Artikel stellen Nora Schüttpelz und Martina Michels die ersten Debatten und Entscheidungen des Regionalausschusses 2021 – die schon vor der Plenarwoche geführt wurden – zusammen. Da geht es um nicht weniger als konkrete Regelungen zum Brexit, um Finanzierungslücken in den kommenden sieben Jahren, um die Frage, ob der Fonds für den gerechten Übergang von fossiler zur solaren Energieproduktion eigentlich richtig umgesetzt wird und um mehr Krisenhilfen für die Ärmsten.

Kulturausschuss bestätigt Creative Europe, Erasmus+ und das Solidarity Korps 2021 bis 2027

Screenshot aus dem finalen Trilog mit Kulturkommissarin Mariya Gabriel, r.o.

Über ein Jahr haben die Trilogverhandlungen zu den drei Programmen, die von 2021 bis 2027 laufen werden, gedauert. Sie wurden sogar im Falle des Creative Europe Programmes im Dezember 2019 von Seiten des Parlaments ausgesetzt, weil sich die Kommission an einigen Stellen nicht bewegen wollte. Im Oktober wurden die Verhandlungen dann wieder aufgenommen und auch relativ zügig von der deutschen Ratspräsidentschaft zu Ende geführt. Erstaunlicherweise haben der Rat und das Parlament hier mehr Budget herausgeholt als die Kommission jemals 2018 eingeplant hatte und dies auch noch mitten in der Corona-Krise kürzen wollte. Das ist schon ein kleiner Erfolg, obwohl dies nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass alle diese Programme für Kultur und Bildung weiterhin unterfinanziert sind und dies auch die Exitstrategien aus der Coronapandemie flankieren wird. Gerade Kulturaustausch und Bildungschancen sind während die Krise kräftig beschnitten, teils objektiv, teils aber in Fortsetzung schon länger bestehender Problemlagen, die überhaupt nichts mit der Pandemie zu tun haben. Ein erster Überblick zu den beschlossenen Programmen ist hier zu finden. Zu den inhaltlichen Neuerungen gehört u. a., dass Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit in die Programmstrukturen endlich Einzug gehalten hat, denn das ist keine Frage sozialer Zuwendungen, sondern eine Frage der realen Repräsentation einer diversen Gesellschaft, wenn wir tatsächlich darauf achten, wer Förderungen bekommt, wer sie analysiert, wer das Publikum ist, wer Literatur und Filme wirklich produziert. Außerdem haben wir erstmalig auch die Förderung von Medienfreiheitsprojekten prominent im einzigen Kultur- und Medienprogramm Europas.

EU-Impfstrategie: Konzerninteressen vs. Gesundheit als öffentliches Gut

Logo der Europäischen Bürgerinitiative für die Aufhebung des Patentschutzes der Impfstoffe | von HTTPS://NOPROFITONPANDEMIC.EU/DE/

„Stellt Euch vor, ein Konzern wie Microsoft würde Geld von Euch einsammeln, um ein neues Programm zu entwickeln. Dann möchte Microsoft noch Geld, um genug Server zu kaufen, von denen Ihr das Programm später auf Eure Rechner laden könnt. Ihr macht mit, gebt das Geld. Irgendwann steht die Software bereit. Was würdet Ihr sagen, wenn Microsoft sich dann das fertige Programm noch von Euch bezahlen lassen möchte? Wahrscheinlich würden die meisten empört die Software kostenlos fordern, sie haben ja ihr Geld bereits vorher in die Entwicklung gesteckt. Oder Ihr wollt Euer Geld zurück und bestellt nie wieder bei dieser Firma. 

Ein unrealistisches Beispiel, glaubt Ihr? Falsch. Genau so eine Situation erleben wir gerade in der EU. Zwar nicht mit Microsoft und es geht auch nicht um Software, sondern um die Pharmaindustrie und die Corona-Impfstoffe. Die Steuerzahler haben Hunderte Millionen Euro vorgestreckt, damit Impfstoffe erforscht und hergestellt werden können. Jetzt lassen sich die Pharmakonzerne die Impfdosen großzügig bezahlen. Die EU-Kommission hatte den Auftrag, genug Impfdosen für die Europäer*innen zu bestellen, mit den Herstellern über Kosten der und Haftung für die zu liefernden Impfstoffe zu verhandeln. Aber die Öffentlichkeit sollte nicht einmal die Preise der Impfstoffe erfahren. Denn die Verträge der EU mit mehreren Pharmaherstellern sind geheim…“, stellt unser Mitarbeiter André Seubert fest und seziert, was an der EU-Impfstrategie gerade gründlich falsch läuft. Den ganzen Kommentar könnt ihr hier lesen. Darin erfahrt ihr auch mehr über die Bürgerinitiative „right2cure.eu“.

CDU mit neuem Vorsitzenden: Wer ist eigentlich Armin Laschet?

Merkels Ära wird mit der nächsten Bundestagswahl Geschichte sein. Am vergangenen Wochenende entschied die CDU in einem Online-Parteitag über die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende. Röttgen, Merz und Laschet stellten sich der Wahl und in der Stichwahl gewann letztlich der derzeitige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Damit steht noch kein Kanzlerkandidat fest, hier scharren ebenfalls lauter Männer um die Gunst der CDU- und CSU-Mitglieder. Doch klar ist: Merkel macht es nicht noch einmal. Doch wer ist eigentlich Armin Laschet? Katholik, umgeben von einem sehr rechtskonservativen Team, welches durchaus weit entfernt vom Laissez-faire-Protestantismus der Kanzlerin ist und eher Richtung strenger Heteronormativität und Abtreibungsgegnerschaft tendiert? Alban Werner, Herausgeber der grenzgaengerin.eu, die – noch vor der Wahl am 4. November 2020 – auch ein umfangreiches Heft zur USA herausgebracht hatte, hat im Freitag einen umfassenden Kommentar zum politischen Werdegang Armin Laschets  der Mann der übrig bleibt  geschrieben, den wir Euch hier gern als erhellenden Lesestoff anbieten wollen.

Veranstaltungstipp: Zu Kultur- und Netzpolitik

Wo: Kreisverband Köln (online)

Wann: 1. Februar 2021, 19 Uhr

Wer: Martina Michels und Konstanze Kriese im Gespräch zu Creative Europe und der Umsetzung des Urheberrechts. Der Link zur Videokonferenz verbirgt sich hinter dem Strichcode des Flyers.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.