Martinas Woche 4 – 2024

Die Belgische Ratspräsidentschaft stellt sich vor

Regionalpolitik – Bildung und Sport – Geldwäsche – Jugendcheck – Rechtsstaatsmechanismus

Martina Michels, Konstanze Kriese

Die Ausschüsse tagten zum Teil schon zum zweiten Mal im Januar und setzen ihre Aussprachen über die Vorhaben der Belgischen Ratspräsidentschaft fort. Nicht nur vor Europawahlen geht es dabei oft ums Ganze, so dass im Regionalausschuss die Zukunft der europäischen Regionalpolitik zur Debatte stand, im Kulturausschuss die grenzüberschreitende Mobilität, besonders im Sport und in der Bildung.

Grundsatzdebatten in der Regionalpolitik 

Nicht nur die Vertreter*innen der Belgischen Ratspräsidentschaft kamen in den Regionalausschuss, um über die Zukunft der Kohäsionspolitik Auskunft zu geben. auch die Generaldirektorin für Regionalpolitik in der EU-Kommission, Themis Christophidou, war neben Elio Di Rupo, Ministerpräsident der Wallonie, zu Gast im Ausschuss. Interessant waren die Überschneidungen im Ansatz, denn

„beide bestätigten ihre Auffassung, dass die Kohäsionspolitik eine zentrale Investitionspolitik der EU ist, die beständig und auch in turbulenten Zeiten nützt und liefert. Beiden ist ebenso bewusst, dass diese Politik, und vor allem ihr EU-Haushaltsanteil, stets und ständig Gegenstand kontroverser Diskussionen ist.“

Doch die Praxis sieht eher so aus, dass die Strukturfonds oft als Notfall-Reserven zur Krisenbekämpfung eingesetzt werden, dabei sollten sie in große industriepolitische Investitionen münden. Was davon übrig blieb, erläutern Martina Michels und Nora Schüttpelz ausführlicher in den Regi-News des Monats und stellen auch zur Diskussion, ob dieses Ziel der Europäischen Regionalpolitik wirklich deckungsgleich mit dem vertraglich vereinbarten Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse ist.

„Bei groß angelegter Industrieförderung geht es eben nicht immer darum, vor allem die Entwicklungsunterschiede auszugleichen, also die ärmsten Regionen zu bevorzugen, vor allem KMU zu fördern und die Kommunen und Bürger*innen an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Auch steht bei Industrieförderung selbst nach moderneren Maßstäben eben nicht immer die Klimafreundlichkeit im Vordergrund. Gelder aus den Strukturfonds immer wieder umzuwidmen, weil sie vermeintlich einfach „da sind“, könnte die langfristigen Ausgleichs-, Entwicklungs-, aber auch Umweltschutzziele also massiv unterlaufen. Die meisten EU-Politiker*innen wissen das natürlich, aber bei der Verteilung von Haushaltsmitteln scheiden sich eben die Interessen und Prioritäten.“,

urteilen Martina Michels und Nora Schüttpelz.

In den Regi-News findet ihr auch, über diese Grundsatzdebatte hinaus, wichtige Überlegungen zur Zusammenarbeit der Grenzregionen und zur Nutzung der Kohäsionsfonds bei Waldbränden.

Kulturausschuss tauschte sich mit der Belgischen Ratspräsidentschaft aus

Kulturausschuss-Sitzung im EP, 24.1.2024

Mit einem wirklich anregenden Bericht über die Europäische Jugendhauptstadt Gent begann der zweite Kulturausschuss 2024, in dem auch die Europäische Ratspräsidentschaft aus Belgien zu Gast war, um ihre Schwerpunkte für das Halbjahr vor den Europawahlen vorzustellen. Die Belgier*innen stellten zuerst den Sport, auch unorganisiert, in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. In Lüttich wird das nächste Europäische Sportforum stattfinden. Ein bewegtes Programm im wahrsten Sinne des Wortes.

Im Bildungsbereich werden sich die Belgier*innen mit Spanien und Ungarn, den Trio-Ratspräsidentschaften absprechen und auch da geht es im Programm „Europa in Bewegung“ um mehr Mobilität für alle, die lernen und lehren, nicht nur an Hochschulen, sondern in allen Berufen und auch über die Grenzen der EU hinaus.

Bei Belgier*innen steht das Sprachenlernen naturgemäß ganz oben und Inklusion ist ebenfalls grundlegend. Am kommenden, seltenen 29. Februar werden sich alle Bildungsminister*innen zum Austausch in Brüssel treffen. Etwas später, im April 2024, wird es einen ähnlich hochrangigen Austausch zur digitalen Bildung geben, bei dem der Fokus vor allem auf den fehlenden Lehrenden liegt, die fit in der digitalen Bildung sind – vom Datenschutz bis zur Künstlichen Intelligenz.

Das Stiefkind auf dem Weg zum Europäischen Bildungsraum, die europaweite Anerkennung von Abschlüssen, stand wieder einmal hoch im Kurs der liegengebliebenen Probleme. Es wird wirklich Zeit, Kriterien der gleichwertigen Abschlüsse auf den Tisch zu legen. Ein „Erasmus für Bildungsbeamte“, den unsere Ausschussvorsitzende Sabine Verheyen vorschlug, müsste hier endlich einmal Nägel mit Köpfen machen.

Rat und Parlament ringen um die 6. Geldwäsche-Richtlinie

Martin Schirdewan im Mai-Plenum 2023 | Foto: ERIC VIDAL© EUROPEAN UNION 2023 – SOURCE : EP

Es sieht so aus als könne man sich über die sechste Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche (AML) und die EU-Verordnung über ein einheitliches Regelwerk einigen. Mehr Informationen über wirtschaftliche Eigentümer, mehr Befugnisse für die zentralen Meldestellen (FIU) sollen helfen, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung leichter unterbinden zu können. Barzahlungen sollen EU-weit auf 10.000 Euro begrenzt werden. Die Gesetzesentwürfe enthalten auch mehr harmonisierte Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit berechtigtem Interesse, z. B. Journalist*innen und Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Als die Gesetzesvorhaben mit dem Votum des Parlaments im Frühjahr 2023 in den Trilog gingen, merkte Martin Schirdewan, unser Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Finanzausschuss, an:

„Effektive Bekämpfung der Finanzkriminalität wird aber nicht möglich sein, unter anderem da die Kompetenzen der neuen Geldwäschebehörde beschränkt sind. Auch mögliche Kompetenzstreitigkeiten mit Interpol müssen einem Realitätscheck unterzogen werden. Es ist gut, dafür zu sorgen, dass das Transparenzregister umfangreicher wird. Es bleiben aber entscheidende Mängel: solange nicht klar ist, wem wirklich was wo gehört, ist eine effektive Geldwäschebekämpfung schlicht nicht möglich.“

Auch die Ausstattung der Bekämpfungsbehörden ließ damals schon am Durchsetzungsvermögen zweifeln. Doch es gibt noch weitere Probleme, die wir ernst nehmen und als Linke ansprechen müssen:


„Es kommt immer wieder vor, dass unter dem Vorwand der Anti-Geldwäschevorschriften manchen Menschen, oft Wohnungslose oder Geflüchtete, der Zugang zu Bankkonten verwehrt wird. Die Linke hat sich dafür eingesetzt, dass Banken ihren Job richtig machen und niemand vom Bankensystem ausgegrenzt wird.“,

so Martin Schirdewan in seinem Statement vom 28. März 2023.

Zum jetzigen Stand der Dinge sind hier, aktuelle weiterführende Informationen und News zu finden.

Rechtsstaatsmechanismus und Ungarn: Das Parlament überlegt die Kommission zu verklagen

Europasignet am Plenarsaal | Foto: Komstanze Kriese

Die Kommission will bis zu 10,2 Mrd. EUR an Mittel für Ungarn freigeben, die zuvor aufgrund des Rechtsstaatsmechanismus eingefroren wurden. Doch die ungarische Justiz ist keinen Deut unabhängiger als zuvor und hängt weiter am Gängelband Orbáns. Jetzt prüft das Europaparlament rechtliche Schritte, da die Kommission, als Hüterin der Verträge, hier ihre Pflichten verletzt. Wir haben als Linke immer gesagt, dass dieses Prinzip durchaus zweischneidig ist, denn wenn 18.000 Student*innen wegen Orbáns falscher Politik von Erasmus ausgeschlossen werden, trifft es wohl die falschen. Möglicherweise müssen hier direkte Zuwendungen erprobt werden oder es muss andererseits erwogen werden, dass zuerst ein Stimmentzug im Rat zur Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit der Mitgliedsländer greifen sollte.

Jugendcheck: Jugendpolitik zwei Jahre nach dem Europäischen Jahr der Jugend (2022)

Martina Michels, MdEP, vor Besuchergruppe am 23.5.2023 | Foto: Jörg Bochmann

Eine Art Jugend-Mainstreaming, ein „Jugend-Check“, angelegt an alle künftigen EU-Politiken, soll das Mitspracherecht junger Menschen bei Gestaltung der EU-Politik vergrößern. Am 10. Januar 2024 kündigte die EU-Kommission Maßnahmen an, die junge Menschen in die Entscheidungen über Gesetzesvorhaben besser einbinden soll. Das Europäische Jahr der Jugend 2022, das wenig bekannt und noch weniger breitenwirksam wurde, bekommt hier nachträglich die dringend erforderliche Aufmerksamkeit. Der Dialog wird sich nicht nur in diesem Jugend-Mainstreaming, sondern auch auf einer neuen Jugendplattform entfalten.

TIPP: Stimmt mit für den Gewinner des LUX-Film-Preis‘ 2024!

n vielen regionalen Kinos und auch z. T. in den Streamingdiensten findet man die diesjährigen LUX-Film-Preis-Nominierten. Auch ihr könnt wieder alle mit abstimmen, denn seit der Pandemie, ist aus dem hundertprozigen Parlamentspreis ein Publikumspreis geworden. Hier findet ihr alle wesentlichen Informationen.  Martina wird in diesem Jahr wieder bei der Berliner Vorstellung der nominierten Filme dabei sein und am 31. Januar, am Abend, über den Film „Das Lehrerzimmer“ mitdiskutieren. Die Vorführungen sind in diesem Jahr am 31. Januar und am 1. Februar 2024 im Kino International, doch auch in anderen Kinos werden die Filme gezeigt. 

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.