Martinas Woche 39 – 2019

Helmut Scholz, Martina Michels, Anja Hazekamp, unsere Abgeordneten in EuroNEST, 26.9.2019 | Foto: Konstanze Kriese

Was hat Europas Geschichte mit den Anhörungen der neuen Kommission zu tun?

Europas Geschichte – Zukunft der EU – Israel – EuroNEST – Türkei – Iran – Brexit – Save Abortion Day 2019 – Österreich wählt – Urheberrecht

Alle Abgeordneten trafen sich in dieser Woche in Brüssel, um die Delegationen der EU mit Drittländern zu konstituieren. Martina steht dabei vor alten und neuen Aufgaben. Özlem Demirel wurde Vizevorsitzende der EU-Türkei-Delegation und Cornelia Ernst ist seit Donnerstag nachmittag die Vorsitzende der Delegation EU-Iran, eine besondere Herausforderung in konfliktreichen Zeiten.

Am Dienstag wurde im Kulturausschuss erneut das Haus der Europäischen Geschichte als Erfolgsgeschichte präsentiert. Anschließend war der Ausschuss vor Ort eingeladen und Martina verwickelte die Chefkuratorin Dr. Andrea Mork in kritische Debatten. Notwendig, wie wir finden, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nach der geschichtsvergessenen Resolution, die das Europäische Parlament am 19.9.2019 in Strasbourg angenommen hatte, eingereicht von mehreren polnischen Abgeordneten, wirkte der Museumsbesuch streckenweise wie eine Bebilderung von grassierenden Totalitarismus-Theorien.

Der Brexit schlug in dieser Woche ein neues Kapitel auf. Ein Gericht hatte die britischen Abgeordneten zurück in die politische Verantwortung beordert. Helmut Scholz kommentierte für das Urteil.

Die kommende Woche in Brüssel wird sicherlich auch in deutschen Medien großen Raum einnehmen. Die designierten Kommissarinnen und Kommissare stellen sich in den Ausschüssen vor und antworten auf Fragen der Abgeordneten. Die Ressortzuschnitte allein sind schon kritikwürdig genug, an der Spitze die Vizekommissionsvorsitz-Verantwortung für den „Schutz der europäischen Lebensweise“.   

Israel und östliche Partnerschaft – Alte und neue Herausforderungen

Die neue EU-Israel Delegation, 26.9.2019 | Foto: Nora Schüttpelz

In dieser Woche konstituierten sich in Brüssel die parlamentarischen Delegationen, in denen die Beziehungen der EU weltweit und innerhalb der Nachbarschaftspolitik jenseits des Auswärtigen Ausschusses behandelt werden. Martina übernimmt erneut die Mitgliedschaft in der Delegation EU-Israel und erwartet in den kommenden Wochen Besuch aus Tel Aviv, um den Wahlausgang auszuwerten.

Die Beziehungen zur Türkei wird sie thematisch nicht völlig außer Acht lassen, insbesondere Medienfreiheit und die Beziehungen zur HDP wird Martina auch unabhängig einer Mitgliedschaft in der Länderdelegation ausbauen. In dieser Legislatur übernimmt sie zugleich eine neue Aufgabe, in dem sie Mitglied der Parlamentarischen Versammlung EuroNEST wird und zugleich der Delegation EU-Südkaukasus, in dem die Länder Armenien, Aserbaidschan und Georgien vertreten sind. Schon im Dezember werden sich die große parlamentarische Versammlung von Parlamentarier*innen dieser Länder und die Europaabgeordneten in Tiflis treffen.   

Geschichtsvergessenheit: Was eine Resolution des Europaparlaments mit der Anhörung der designierten Kommission zu tun hat

Haus der Europäischen Geschichte | Foto: Konstanze Kriese

In der vergangenen Woche am 19.9.2019 stimmte das Europaparlament über eine Resolution zum Umgang mit Europäischer Geschichte ab. Mit zwei Enthaltungen war die GUENGL-Fraktion, die Linke Fraktion im Europäischen Parlament, die einzige Fraktion die gegen dieses „Kunstwerk“ aus Totalitarismus, Anti-Kommunismus und Geschichtsvergessenheit stimmte.

Am Dienstag besuchte dann der Kulturausschuss das Haus der Europäischen Geschichte, bei dem Martina Michels in deutlichen Diskussionensbeiträgen konzeptionelle Schieflagen des Museums ansprach, die nun auch von der aktuellen Resolution des Parlament verstärkt wurden. Letztlich wundert es immer weniger, warum Geschichte und damit auch die lebendige Auseinandersetzung mit Europas Erbe in vielfacher Hinsicht im neuen Portfolio der Kommission getilgt wurde. Zwar soll die derzeitige Digitalkommissarin Gabriel sich mal nebenbei mit um das Kulturerbe kümmern, aber so richtig tiefgründig wurde das Politikfeld erst einmal entsorgt. Ein Armutszeugnis auf der ganzen Linie. In einem Kommentar haben wir Fakten und Bewertung zu dieser Entwicklung zusammengetragen.

Gestern äußerte sich auch der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch, zur Resolution des Europaparlaments in einer Pressemeldung und hielt fest: „ …über die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs erfahren wir nur, „dass nach der Niederlage des nationalsozialistischen Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkriegs einige europäische Länder in der Lage waren, ihre Eigenstaatlichkeit wiederzuerlangen und einen Prozess der Aussöhnung einzuleiten, während andere europäische Länder ein halbes Jahrhundert lang Diktaturen blieben – einige davon unmittelbar von der Sowjetunion besetzt oder unter direktem sowjetischem Einfluss …‘ Man vermisst das Wort von der Befreiung Europas vom Faschismus. Man vermisst die Anerkennung, dass die Sowjetunion die Hauptlast des Krieges und damit auch der Befreiung Europas tragen musste. Jeder Mensch in unserem Land, der aus der deutschen Vergangenheit politisch-moralische Verpflichtung für die Gegenwart und Zukunft ableiten will, muss diese Entschließung des Europäischen Parlaments ablehnen. Demokratinnen und Demokraten müssen deutlich machen, dass es keine Entlastungsdiskurse geben darf.“

Safe Abortion Day 2019

Safe Abortion Day 2019, sichtbar vorm Europaparlament | Foto: André Seubert

Rund um den gestrigen Samstag, den 28. September, wurde in weltweiten Aktionen der Safe Abortion Day 2019 mit Demonstrationen und Veranstaltungen begangen. In diesem Jahr stand er unter dem Thema: Abtreibung gehört zur Gesundheitsvorsorge. Die Forderungen sind je nach Land ganz verschieden. Auch mitten in Europa weht das patriachale Mittelalter Frauen in persönlichen Konfliktlagen entgegen. In Polen ist bis zum heutigen Tag jegliche Abtreibung außer nach Vergewaltigung und bei akuter Gefahr unter Strafe gestellt. Ansonsten gelten diverse Fristenlösungen, doch die Einschränkungen machen sich schon allein beim Umgang mit Ärztinnen und Ärzten bemerkbar, die informieren wollen. Zugleich gibt es bis heute kein flächendeckendes Angebot auf hohem medizinischen Niveau, so dass Reisen in Nachbarländer nichts Ungewöhnliches sind, wenn Frauen eine Schwangerschaft nicht austragen wollen. Der Schwangerschaftsabbruch hat im Strafgesetzbuch nichts zu suchen. Frauen in Konfliktlagen brauchen sachgerechte Unterstützung statt Zwangsberatung und Verfolgung. Würden die Abtreibungsgegner einmal eine einzige Statistik lesen, würden sie feststellen, dass in allen Ländern, in denen ein liberales Abtreibungsrecht existiert, es nicht mehr Abtreibungen gibt als in Ländern in denen Frauen strafrechtlich verfolgt werden, im Gegenteil.   

Österreich wählt wohl am Ende immer wieder blau, aber Warum?

„Es ist also die Selbstinszenierung einer Elite als Unterdrückte, und gleichzeitig auch die Übung der Rebellenpose. Jedes kritische Wort wird als illegitimer Angriff gewertet… Diese Art der polit-medialen Inszenierung hat die ÖVP nicht erfunden. Das ist etwas, dass das tägliche Brot der FPÖ und Garant ihres Erfolges war und ist.“ schreibt Natascha Strobl vor der heutigen Wahl in der taz. Sie beschreibt damit Kurz, der aus alle den Skandalen um seinen Koalitionspartner, der FPÖ als Sieger hervorgehen wird. Und trotzdem, so beschreibt es die engagierte Journalistin plant Kurz Blau. Ihre Analyse ist eine Antwort auf das Warum.

Der Nachtrag: Nun hat Österreich gewählt und die vorläufigen Zahlen zeigen den erwarteten Absturz der FPÖ, die sich gleich wieder in größter Opferpose beschwert hat, dass die Medien ihnen so übel mitgespielt hätten und sie nun kein Österreich davor bewahren könnten, nach links zu rücken. Schön wär’s möchte man da beinahe beipflichtend meinen, doch da wird sicher „Kurzer“ Prozess gemacht und vom stolzen Wahlsieger weiterhin zu den Blauen geschielt. Die SPÖ verliert nochmals 5 %. Die Grünen sind wieder da und legen prozentual zu, was die FPÖ verliert, wobei man davon ausgehen kann, dass dies keine direkten Wähler*innenwanderungen sind.  (Alle Zahlen sind im Link oben.)

Urheberrecht: EU-Leistungsschutzrecht für Presseverleger scheitert vor dem Start 

Dass das Leistungsschutzrecht eine blöde Idee ist, konnten Deutschland und Spanien längst feststellen. Nun macht Frankreich diese Erfahrung. Reduziert Google-news sein Angebot gehen die Umsätze der Presseverleger in den Keller. Da können die Presseverleger dann weinen, soviel sie wollen. Google ist ja nun wahrlich nicht verpflichtet, sie zu bewerben. Wenn Verlage jedoch nur gegen Kohle von Google beworben werden wollen, also eigentlich an den Werbeeinnahmen eines fremden Geschäftsmodells beteiligt werden wollen, dann referenziert sie Google eben nicht mehr wie zuvor. Und wer hat den Verlagen eigentlich die Bezahlschranke hinter dem Verweis untersagt? Wenn schon eine „Link-Tax“, dann richtig. Dann reden wir endlich über eine echte Besteuerung. Dann entscheiden wir alle – und nicht Burda, Springer & Funke -, was wir für Medienfreiheit und Journalismus aus dem Steueraufkommen machen.

TIPP: Politische Studienwoche in Brüssel im November

Studienwoche – Ankündigung | RLS Brüssel / Büro Schirdewan

Das Büro von Martin Schirdewan hat gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Brüssel eine ganz besondere Studienreise im Angebot. Der Bewerbungsschluss ist der kommende Dienstag und: die Plätze sind leider begrenzt. Trotzdem möchten wir euch ermuntern uns bei dieser, aber auch bei anderen Gelegenheiten zu besuchen.

Unser letztes Wort gilt auch heute dem Klimawandel

Unser letztes Wort hat heute der Komödiant, Satiriker und Erfinder des Kängurus, Marc Uwe Kling. Was immer Menschen zum Hass auf junge 16jährige Frauen treibt. Was immer Politikerinnen und Politiker zur völligen Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Prognosen antreibt. All denen sei das Folgende ins Stammbuch geschrieben…

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.