Martinas Woche 36 – 2023

Ostende - ManiFiesta: Coely als Top-Act am Samstagabend | Foto: Konstanze Kriese

Wörlitz – Magdeburg – Wien – Brüssel – Ostende – Straßburg: Europa startet in den politischen Herbst

Fraktionsklausur Sachsen-Anhalts in Wörlitz – Sommerfest in Magdeburg – Pressefest Wien – Kulturausschuss und Medienfreiheit – ManiFiesta in Ostende – Vorschau: Plenum mit Lage der EU-Rede

Pressefest der Volksstimme in Wien 2023 | Foto: Jörg Bochmann

Martinas Sommerpause endete bereits am 21. August 2023. Sie reiste zur Klausur der Landtagsfraktion der LINKEN in Sachsen-Anhalt nach Wörlitz, denn dort wurden EU- und Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt und das kommende parlamentarische Jahr vorbereitet. Als Gäste waren Dietmar Bartsch und Tobias Bank geladen. Es wurde über den Stand der EU-Wahlvorbereitungen sowie das EU-Wahlprogramm informiert, verbunden mit interessanten Fehleranalysen, Interpretationsversuchen zur derzeitigen Situation sowie mit Aussichten auf Neuausrichtungen. Dies galt gleichermaßen für alle folgenden Treffen – jedoch bezogen auf die Europäische Linke -, ob in Magdeburg beim Sommerfest, beim Pressefest in Wien, bei der ManiFiesta Belgischen Ostende, bei der Konstanze Kriese zusammen mit Alexandra Mehdi die LINKE vertraten.

In der ersten Woche im September stiegen die Ausschüsse in Brüssel wieder in die Arbeit ein. Im Kulturausschuss stand das heiß diskutierte Medienfreiheitsgesetz am vergangenen Donnerstag zur Abstimmung.Und heute reisen die Abgeordneten nach Straßburg zur ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause.

Sommerlicher Neubeginn nach der parlamentarischer Sommerpause in Magdeburg und Wien

Sommerfest in Magdeburg | Foto: Jörg Bochmann

Ein Donnerstag, der letzte im immer heißer werdenden August, fand in Magdeburg im gemeinsamen Wahlkreisbüro mit Nicole Anger, einer Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt, ein Sommerfest statt, an dem Martinas Team mit Jörg Bochmann und Peter Cichorius aktiv vertreten war. 40 Gäste, auch aus Magdeburger Verbänden und Organisationen, diskutierten bei bestem Wetter zu aktuellen Themen und der schlingernden Politik der Bundesregierung – von der versagten Kindergrundsicherung bis zum sozial kaum abgefederten „Heizungsgesetz“, bei dem vor allem die Mieterinnen bei der Modernisierung (ob Gebäudedämmung oder Heizung) wieder das Nachsehen haben werden.

Das 76. Volksstimmefest in Wien am 2. und 3. September 2023 wurde wieder ein richtig großes und außerordentlich gut besuchtes, und nicht nur wegen des Sommerwetters, nachdem pandemiebedingt die letzten Jahre eher auf Sparflamme gekocht wurde. An der Vielzahl der hinzugekommenen Stände wurden die Achtungserfolge der KPÖ in Salzburg und Graz manifest und sichtbar. Wie jedes Jahr war Martina dazu eingeladen und vertrat die deutsche Delegation im Europaparlament. Da gleichzeitig eine Beratung der Europäischen Linken in Wien stattfand, gab es im Europäischen Dorf auf der Festwiese viele Gespräche mit alten und neuen Bekannten. In der Diskussionsrunde „,Die Idee des Friedens ist unsterblich'(Heinrich Mann) – Wege zum Frieden“, moderiert von Rebecca Trixa, gemeinsam mit Daniela Trochowski (RLS) und Dr. Barbara Höll (RLS), machte Martina ihrem Standpunkt deutlich: Eine linke Partei muss sich immer an ihren Reaktionen auf aktuelle Ereignisse messen lassen und kann sich nicht auf alte, nicht zeitgemäße Standpunkte zurückziehen. Auch als Friedenspartei gilt es, Unterdrückten und Angegriffenen zu helfen und deren Bemühungen gegen einen Aggressor zu unterstützen, ohne seine Grundauffassungen zu verlassen. Es war eine angeregte, teilweise kontroverse Diskussion mit großem Publikumsinteresse. Ein rundum gelungener Start in das neue parlamentarische Jahr!

Volksstimmefest Wien | Foto: Jörg Bochmann

Kulturausschuss verabschiedet seine Position zum Medienfreiheitsgesetz

Kulturausschuss September 2023 | Foto: Vasileios Katsardis

Es sah schon von Beginn an wie eine Quadratur des Kreises aus, was mit dieser löblichen. Gesetzesinitiative geschehen wird. Einerseits haben die Mitgliedstaaten die Hoheit über die Medienpolitik, andererseits müssen journalistische Arbeiten europaweit geschützt werden, sollte Wistleblowing nicht betraft und gute Recherche nicht verfolgt oder mit üblen Klagen (SLAPP) überzogen werden. Auch muss mehr geschehen für eine gute europäische Medienöffentlichkeit, bei der einerseits jeder potente Lobbyist einen Satellitenplatz kaufen kann, andererseits viele Hürden in der Veröffentlichung und Verbreitung eines ausgewogenen Journalismus existieren, der sich dem Allgemeinwohl verschreibt, Regierungen kritisiert, Wirtschaftslobbyismus aufdeckt oder sich für menschenrechtliche Standards stark macht und sachlich und detailliert berichtet, dabei Quellen und sich selbst in Sicherheit wissen muss. Schon der Gesetzentwurf der Kommission wies Schwächen auf, denn er konnte sich nicht recht entscheiden zwischen Verordnung und Richtlinie. Gemeinsame Schutzvorkehrungen, um Medienvielfalt und freie Berichterstattung zu gewährleisten, verlangt sowohl den Kampf gegen Medienkonzentration zu führen, als auch den Einfluss staatlicher Mediengesetzgebung, wie in Ungarn zurückzudrängen. Und es gibt ein drittes ungelöstes Konfliktfeld: der Einfluss der großen Plattformen und deren Zensur, getarnt durch ihre AGB. Hier gab es – bezogen auf den Art. 17 auch die meiste Kritik an den bisherigen Vorschlägen der Co-Gesetzgeber (Rat und Parlament), denn die Löschung von journalistischen Inhalten ohne vorherige Streitbelegung ist nicht vom Tisch. Der DJV hält z. B. die bisherigen „Regelungen für völlig unzureichend (und damit ist er wahrlich nicht allein), um journalistische Inhalte vor willkürlichen Eingriffen der Plattformen zu schützen … Vielmehr würde die Regelung die Praxis, unerwünschte Berichterstattung zu sperren oder entfernen, ,legitimieren‘.“ Das Medienprivileg sollte für alle Journalist*innen gelten. 

Im April diesen Jahres wurde dann nochmal eine Analyse (in EN) im Auftrag des Kulturausschuss vorgelegt, die Vieles der ungelösten Probleme bündelte, doch in Gesetze gegossene Lösungsstrategien sind am Ende ein andere Baustelle.

Zu den vielen ungelösten Problemen gehört weiterhin, wieviel Einfluss die Politik auf die Medienmacher*innen hat, was der LIBE-Ausschuss in seiner Beschäftigung mit dem Gesetz deutlich herausarbeitete, aber im Kulturausschuss am vergangenen Donnerstag nicht zu einer deutlichen Positionierung führte, da der weitestgehende Änderungsantrag in einem soften Kompromiss weichgespült wurde. Deshalb kann man davon ausgehen, dass der jetzigen Positionierung des Kulturausschusses nochmals allerhand Änderungsanträge folgen werden, wenn dann das ganze Parlament seine Position im Oktober abstimmt. Auch wenn das Stopp der politischen Einflussnahme in der Presseerklärung des Kulturausschusses sogar im Titel hervorgehoben wird, kann hier real nachgeschärft werden. Klare Fortschritte gegenüber dem Kommissionsentwurf von 2022 – auch durch viele Änderungsanträge der linke Angeordneten im EP – sind in folgenden vier Punkten zu verzeichnen: 

  • Ausdrückliches Verbot jeglicher Druckausübung auf Medien
  • Journalisten dürfen nicht ausspioniert oder zur Offenlegung von Quellen gezwungen werden
  • Alle Medien müssen transparent darüber sein, wem sie gehören, nicht nur Nachrichtendienste
  • Es gibt nun einen (wenn wir auch finden unzureichenden) Mechanismus zur Verhinderung willkürlicher Entscheidungen großer Online-Plattformen

ManiFiesta in Ostende

Ostende – ManiFiesta | Foto: Konstanze Kriese

Die belgische Partei der Arbeit PTB lud am vergangenen Wochenende zu ihrer ManiFiesta ins sonnengeflutete Ostende. Alexandra Mehdi und Konstanze Kriese fuhren für die linke Delegation nach Ostende, aber es waren wie immer viel mehr Kolleg*innen, vor allem die in Brüssel leben und arbeiten, angereist. Das Program war übervoll, vor allem mit der Erörterung vieler aktueller sozialer und ökologischer Konfliktlagen. In diesen Punkten zeigt sich die Stärke der PTB besonders, weit sich über ihre Sympathisant*innen hinaus, viele Jugendliche und Menschen aus der Region angesprochen fühlen und das Geld für die teuren Tickets aufbringen. Klar: gute Musik, viel Platz zum Schwatzen, zum Tanzen und zum Spielen mit Kindern und preiswerte kulinarische Angebote sind immer einladend. Auf der ManiFiesta spielen tolle Bands, Lokalmatadoren wie Chartbreaker. Am Samstag Abend trat zum Beispiel die grandiose Coely, eine Belgische Rapperin mit zwei Kollegen auf der großen Bühne auf, machte klare Ansagen zu den Härten des Lebens und passte damit bestens in die Dynamik des Festes und der vielen tollen Begegnungen. 

Ostende – ManiFiesta | Foto: Konstanze Kriese

Vorm Plenum in Straßburg 

In dieser Woche treffen sich die Angeordneten wieder in Straßburg. Der September ist obligatorisch der Aussprache um die mit Spannung erwartete Rede der Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen „Zur Lage der EU“ gewidmet. Am Mittwoch Vormittag ist es soweit  und es wird dann alles auf den Tisch gepackt werden, von den Nachwehen der Pandemie bis zur Energiepreis-Krise, vom selbst verschleppten Green New Deal und der mauen industriellen Investitionsstrategie der EU bis zur ungelösten Migrationspolitik. Rechtsaußen wird mit Abgesängen auf die umsouveräne EU aufwarten und den Nationalstaat heiligen. Die Stimmen der Vernunft, die für mehr Demokratie, eine soziale EU, eine echte sozial-ökologische Transformation, für die Achtung der Menschenrechte weltweit – verbunden mit konkreten politischen Konzepten – eintreten, werden vermutlich leiser, aber doch hoffentlich zu hören sein, denn hier knüpfen auch die linken Parteien im Europawahlkampf an. Denn es ist auch an uns, klare Friedespläne für die Ukraine vorzulegen, die als Machbares und nicht nur als Wünschenswertes wahrgenommen werden und den Aggressor Russland an den Verhandlungstisch zurückholen ohne Abstriche bei der Verantwortung für die Kriegsverbrechen in der Ukraine zu machen. 
Der seltsame Schulterschluss der EVP mit rechtsausladenden Kräften, der schon die vergangenen Monate in den EP-Debatten kennzeichnete, wird sich weiter Bahn brechen, wenn Weber verzweifelt um seinen Machterhalt kämpft. Die munteren Angriffe der Sozialdemokrat*innen hören sich dann wieder aufmüpfig und widerständig an, auch wenn davon dann so Vieles praktisch auf der Strecke bleibst. Die linken Parteien haben ebenso allerhand Hausaufgaben vor sich, damit ihre Profil klarer und konkreter wird, denn mit grob geschnitzten Wahrheiten ohne Durchsetzungsperspektiven und verlässliche Bündnispartner*innen werden wir die Fraktion nicht vergrößern. Insofern sollten auch wir in der kommenden Woche genau hinhören und die Debatte um klare Ansagen für eine weltoffene EU bereichern. Die Tagesordnung des Plenums in Straßburg findet ihr hier. Der fokussierte Blick der Delegation der LINKEN aus Deutschland auf die Plenartagung ist hier zu finden.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.