Martinas Woche 30 – 2019

Brüssel, Ixelles vor der Hitzewelle, 23.7.2019 | Foto: Konstanze Kriese

Flucht – Brexit – Ökologie – Regionalpolitik – Israel und Ostjerusalem – Kresnik – Kulturprogramme 2021 – 2017

Regionalausschuss ist startklar und kritisch wie nie

Klar sind wir stolz, dass der Regionalausschuss des Europaparlaments jetzt einen linken Vorsitzenden hat und die Arbeit aufgenommen hat. „Am Dienstag, den 23. Juli, stellte die finnischen Wirtschaftsministerin Katri Kulmuni das Programm und die Haushaltsziele der finnischen EU-Ratspräsidentschaft vor…“ Doch was da kam, „war den Abgeordneten … deutlich zu vage, zumal der Hinweis auf Kohäsionspolitik im Arbeitsprogramm der Finnen erst ganz am Ende auftaucht und dabei deutlich an Finnlands harte Kürzungs-Positionen als Nettozahler erinnert … der Auftrag, für ausgewogene Lebensverhältnisse zu sorgen, findet keine Erwähnung.“, so berichten Martina Michels und Nora Schüttpelz von dieser ersten Aussprache und wir werden alles dafür tun, dass sich hier schleunigst etwas ändert, der politische Gehalt der Europäischen Regionalpolitik vor Ort ankommt, aber auch der Druck auf Brüssel klar formuliert wird.

Flüchtlingsdramen und die EU-Politik

Foto: Freiheit für Carola Rakete

In dieser Woche sind vermutlich an die 150 Menschen vor Libyen ertrunken. Salvini lehnt das Einlaufen der eigenen Küstenwache ab, weil sie Menschen gerettet hat. Es vergeht ein EU-Gipfel nach dem anderen und es ändert sich nichts. Das macht wütend, ohnmächtig und verlangt nach mehr Druck auf die Kommission und den Rat, um endlich eine humane Dublin-Überarbeitung auf den Weg zu bringen, die das Parlament schon vor zwei Jahren vorgelegt hat.

Wir sind stolz, das die Linksfraktion in Brüssel handelt und Carola Rackete in den Außenpolitischen Ausschuss im September eingeladen hat, denn ein entscheidendes Moment einer anderen Flüchtlingspolitik ist das Ende der Kriminalisierung der Seenotrettung und der Hilfestrukturen, z. B. auf Lesbos. Diese Woche hat klar gezeigt, dass das Gefasel vom Pull-Faktor, also dass weniger Rettungsmöglichkeiten auch weniger Menschen zur gefährlichen Flucht treibt, völliger Unsinn ist.

Israel: Konflikt zwischen Israels Regierung und der Autonomiebehörde spitzt sich in Ost-Jerusalem zu

Grafik: ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG

 
Nein, es sind keine Seiten aus dem Drehbuch der israelischen Serie „Fauda“, es ist der bittere Alltag mit einer Regierung Israels, die ihre Bürgerinnen und Bürger in der nationalistischen Sackgasse instrumentalisiert. Die Antwort der Autonomiebehörde, die eine Aussetzung diplomatischer Konfliktlösungen aufruft, ist die Kehrseite des politischen Versagen von Seiten Abbas’. Auch diese Antworten baden Palästinenserinnen und Palästinenser in den Siedlungsbesatzungen aus, verstärken Hoffnungslosigkeit und Hass. Martina hatte schon zu Wochenbeginn die Zerstörungen in Ostjerusalem verurteilt. Gleichfalls ist Abbas’ Antwort alles andere als tragfähig. Die EU und die Weltgesellschaft hat neben dem Hauptaugenmerk im Nah-Ost-Konflikt, das seit geraumer Zeit in den Beziehungen zum Iran liegt, weiterhin für diplomatische Lösungen zwischen Israel und Palästina einzustehen. Wenn der Oslo-Friedensprozess, der vor 26 Jahren begann, nur noch auf dem Papier steht, braucht es neue Anläufe der Vermittlung.

Lesetipps: Grünes Wachstum ist eine Illusion ODER macht endlich Schluss mit der Schuldenbremse

Sharepic: Nora Schüttpelz

George Monbiot vom Guardian trifft ins Herz einer Debatte, die seit dem Club of Rome und mit der grünen Bewegung in den 70ern des 20.Jahrhunderts nicht mehr abriss. Es geht um wirtschaftspolitische Prämissen, die die Endlichkeit der Ressourcen auf unserem Planeten ernst nehmen und letztlich um die schlichte Frage: Gibt es einen grünen Kapitalismus? Monbiot umgeht Begriffsdebatten, wie die vom „qualitativen“ Wachstum, sagt jedoch klar und deutlich, das kapitalistisches Wirtschaften, der Kapitalismus selbst das Problem ist und selbst die Verwandtschaft des realen Sozialismus – unter weltumspannenden kapitalistischem Handel -, wie wir ihn kannten, kein gesellschaftliches Lösungsangebot, keine echte Alternative für ein solares Zeitalter entworfen hat. Die Ähnlichkeiten zur ungebremsten Wachstumsideologie blieb auch in den einstigen sozialistischen Ländern erhalten und auch heute sehen wir dieses wirtschaftliche und ökologische „Erhitzen“ im asiatischen Raum, egal was die konkreten politischen Prämissen jeweils dafür sind. Letztlich formuliert Monbiot: „Am Ende läuft die Wahl, die wir haben, auf Folgdendes hinaus: Beenden wir das Leben, damit der Kapitalismus weiter fortbestehen kann – oder beenden wir den Kapitalismus, um weiter leben zu können?“

Ein zweiter Aufsatz, den wir euch ans Herz legen wollen, berührt nicht nur die deutsche Debatte, in der die CO2-Steur als Mittel der Wahl am Horizont immer greifbarer wird. Doch hier geht es einmal nicht um alle notwendigen Massnahmen, um sie noch in irgendeiner Form gerecht zu gestalten (hier der Vorschlag von Bernd Riexinger, Fluglinien zu verstaatlichen), sondern darum, dass neue politische Regelungen mit dem Ende eines grundsätzlichen finanzpolitischen Dogmas gekoppelt werden müssen: einem Ende der Schuldenbremse. Die Investitionen für eine ökologische Wende sind so umfassend, dass sie nicht mit einem Instrument bewältigt werden, mal die CO2-Steuer ohnehin viele Fragezeichen hinterlässt. Damit ist dieser Zugang zugleich eine Frage europäischer Politik, denn auch da verhindert die Sparpolitik umfassende infrastrukturelle Investitionen und steht damit beim ökologischen Wandel auf der Bremse. Im Aufsatz des IPG-Journals „Die klimapolitische Nullnummer“ wird eine Verbindung von CO2-Steuer mit einem Ende der Schuldenbremse durchargumentiert. Ein guter Ansatz, wie wir finden.

Ungewöhnliche Biografie – Revolutionäres Tanztheater: Johann Kresnik ist tot

Berlinerinnen und Berliner konnten Kresnik über viele Jahre in der Volksbühne erleben, auch mit seiner Luxemburg-Inszenierung. Doch dieser „Tanzberserker“, wie er es selbst akzeptierte (hier in der Videoerinnerung des Bayrischen Rundfunks), war ein europäisches, je weltweit beachtetes Phänomen. Hier findet ihr den Nachruf des Standards, der die Lebensstationen des aufrüttelnden Choreografen nachzeichnet.

Kulturausschuss beschließt interinstitutionelle Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission

Kulurausschuss mit Probeabstimmung, 22.7.2019 | Foto: Konstanze Kriese

Gleich in drei der demnächst stattfindenden Verhandlungen wird Martina diesmal beteiligt sein. Einmal geht es um das Programm Creative Europe 2021 – 2027,  einmal um das Programm Digital Europe 2021 – 2027 und einmal um den Online-Terrorismus, bei dem Martina einsam gegen das Votum des Kulturausschusses gestimmt hatte. Es wurden überdies auch die Programme Erasmus+ 2021 – 2027 und das Soldaritäts-Corps für die inter-institutionellen Verhandlungen im Kulturausschuss verabschiedet. Dafür war nur eine einzige Sitzung, die letzte vor der Sommerpause, vonnöten, doch nun sind die Schreibtische entsprechend vollgepackt, denn wenn es erst nach der Sommerpause im September weitergeht, dann muss jetzt alles gut vorbereitet werden. Noch immer hat der Kulturausschuss keinen 4. Vizevorsitzenden. Diese Entscheidung wurde auch auf September verschoben. Jedoch gab es eine schöne Probeabstimmung, bei der die neuen Abgeordneten einmal ihre Stimmkarten ausprobieren sollten. Die Frage lautete: “Wer ist dafür, dass Plácido Domingo unser neuer Vorsitzender ist?“. Immerhin hätte er glatt die Mehrheit bekommen, wie das Foto der Probeabstimmung beweist.

Brexit – die Presseschau

Flexibler als Trump, aber nicht weniger rüpelhaft, so wird Johnson beschrieben, der in Windeseile nach seinem Amtsantritt die Regierung umgebaut hat. Nun weiß niemand so genau, ob am 31. Oktober nur Halloween oder auch der Austritt Großbritanniens aus der EU stattfindet und zu welchen Bedingungen. Eine Presseschau zum Stand der Dinge.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.