Martinas Woche 27 – 2023

Das Restaurant "Egalité" (Gleichheit) in Brüssel, St. Gilles | Foto Konstanze Kriese

Parlament bereitet letztes Plenum vor der Sommerpause vor

Kultur – Asylpolitik – Renaturierungsgesetz – Plenarfokus

Martina Michels, Konstanze Kriese

Die letzte Reise nach Straßburg vor der Sommerpause 2023 steht an. Ab morgen 17 Uhr beginnt die Juli-Plenartagung des Europäischen Parlaments. Die Tagesordnung wird sich erneut der schlingernden EU-Asylpolitik widmen.

Kulturdebatte am 4.7.2023 im EP in Brüssel | Foto: Konstanze Kreise

Angesichts der Temperaturen in Europa ist es ebenso wenig verwunderlich, dass unterschiedliche Aspekte der Klimapolitik im Parlament debattiert werden. In der kommenden Woche wird dies unter anderem das umstrittene Renaturierungsgesetz sein, in dem nach Maßnahmen gefragt wird, die die angegriffene Biodiversität wieder herstellen sollen, damit unsere Naturressourcen wie Wasser, Böden, Pflanzen, Insekten, also Flora, Fauna und Umwelt als Ganzes nicht weiter schrumpfen und aus dem Gleichgewicht kommen. 

Artikel zum Fair-Work-Siegel im ND

In der vergangenen Woche war Martina nicht nur im Fraktionsvorstand und der Fraktionssitzung zur Vorbereitung kommender Aktivitäten, sondern bestritt auch gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Kulturausschuss eine Veranstaltung zu Arbeits- und Lebensbedingungen der Kulturproduzent*innen. Am Mittwochabend verabschiedete unsere Delegation gemeinsam unsere langjährige Kollegin Karin Schüttpelz, die wohl Dienstälteste, die vor allem den jungen Kolleg*innen mit auf den Weg gab, dass es immer gute Lösungen für linke Politik gibt, wenn man sie gemeinsam angeht, wenn man bodenständig bleibt und weiß, was den Menschen unter den Nägeln brennt. 

Kulturpolitik: Debatte zu „Income and Working conditions in the CCS (Cultural and Creative Sectors)“ – Einkommen und Arbeitsbedingungen in der Kulturbranche

Am Dienstagvormittag trafen sich linke und andere Mitglieder des Europäischen Kulturausschusses gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern, Gewerkschaftsvertreter*innen, Künstlerverbänden und Kulturpolitiker*innen vorranging aus Zypern, Deutschland, Frankreich und Griechenland, um sich in einer Debatte zur Lage der Kulturproduzent*innen auszutauschen. Martina moderierte das erste Panel nach dem ihr zypriotischer Kollege Niyazi Kizilyurek die Veranstaltung eröffnet hatte. Wir hatten zu diesem Panel Dr. Torsten Wöhlert aus Deutschland zu Gast, der einerseits Erfahrungen bei der Stabilisierung des Kultursektors in der Zeit der Pandemie zusammentrug und andererseits diese Aufgabe über diesen besonderen Krisenmodus hinaus skizzierte und erläuterte, wie praktische Lösungen in Berlin durch Stipendien und andere direkte Förderungen  einige neue Möglichkeiten eröffneten, die eigentlich dauerhaft durchgesetzt werden müssten. Die Berliner Erfahrungen hörten sich für Künstler*innen aus Zypern wie aus einem Märchenland an, da in deren Heimat die Appelle der Kulturproduzent*innen kaum erhört werden und deren Lage  ausgesprochen prekär ist.

Dr. Torsten Wöhlert in der Kulturdebatte am 4.7.2023 | Foto:Jörg Bochmann

Martina erinnerte zu Beginn ihrer Moderation an ihre aktuell erneuerte Forderung nach einem Fair-Work-Siegel, die sogar vom Neuen Deutschland aufgegriffen wurde. In Brüssel beginnt gerade eine neue Runde der Auseinandersetzungen um die Lage der Kulturbranche, da Mitte Juni 2023 ein Bericht zu einem EU-weiten Rahmenwerk erschien, das künstlerische Arbeit in den Mitgliedstaaten besser sichern soll. Gemeinsam mit dem Beschäftigungsausschuss wird hier bis zum Herbst ein Bericht verabschiedet, der zugleich in eine bindende Gesetzgebung münden soll. Wir haben uns auch gefreut, dass wir zur Debatte Imke Ellisen-Kliefoth aus Berlin begrüßen konnten, denn gerade bei der weiteren Erarbeitung unseres Berichts werden wir die Zusammenarbeit mit der Berliner Kulturpolitik der linke Fraktion vertiefen.   


Der Link zur Debatte am vergangenen Dienstag ist hier zu finden. Das zweite Panel geriet allerdings zu einem inner-zypriotischen Gespräch, was der großen Zahl der Teilnehmer aus Zypern geschuldet war. Für unsere Ohren war jedoch dabei auch interessant, welche Rolle Kultur und Kunst in einer Lösung des Zypernkonflikts spielen könnten. Doch auch dafür benötigen deren Produzenten jede Unterstützung, stabile Strukturen und vernünftige Arbeitsbedingungen, um alle zu erreichen.  


Asylpolitik: Untersuchung der Schiffskatastrophe vom 14. Juni 2023 und Wiedereinsetzung der Seenotrettung gefordert

Am 14. Juni 2023 kamen über 500 Menschen vor der griechischen Küste bei dem Untergang eines Bootes ums Leben. Die griechischen Küstenwache verfolgte diese Katastrophe des Bootes, das von Libyen nach Italien unterwegs war und, wie es zuerst hieß, jede griechische Hilfe abgelehnt hätte.

PRO ASYL & RSA (Refugee Support Aegean – die Red.) stehen den Überlebenden und Angehörigen bei und fordern Aufklärung. Wochen nach der vermutlich tödlichsten Schiffskatastrophe in Europa in diesem Jahrtausend verdichten sich die Hinweise, dass die griechische Küstenwache die Menschen nicht nur durch Nichtstun hat sterben lassen, sondern möglicherweise auch durch versuchte Abschleppaktionen mitverantwortlich für das Kentern des überfüllten Bootes war. Derlei Aktionen sind nicht neu, immer wieder versuchen Grenzschutzbehörden Flüchtlingsboote aus ihren Gewässern zu schleppen. Das ist zwar illegal, aber offenbar der neue Stil Europas.“,

schreibt Pro Asyl vor zwei Tagen auf deren Homepage. So wie die NGOs fordern auch Angeordnete des Europäischen Parlaments längst eine unabhängige internationale Untersuchung. 


In der kommenden Woche, in der das Plenum des Europaparlaments das letzte Mal vor der Sommerpause tagt, wird am Mittwoch ab 10.30 Uhr über die Wiedereinsetzung der Seenotrettung im Mittelmeer debattiert und am Donnerstag dazu abgestimmt. „Seit 2014 sind mehr als 27.000 Menschen auf dem Mittelmeer ums Leben gekommen. Die Situation ist eine einzige Schande. Ohne zivile Seenotrettung, die jeden Tag Menschenleben retten, wären es noch viele Tote mehr. Und genau dafür werden sie immer noch angeklagt und ihre Schiffe beschlagnahmt. Die EU und ihre Mitgliedstaaten lassen dies zu, bauen Mauern, finanzieren Zäune und kriminalisieren zivile Such- und Rettungsaktionen. Statt dieser bewussten Politik der Abschreckung brauchen wir endlich eine EU-koordinierte und -finanzierte Seenotrettung und legale Wege nach Europa, um das Sterben zu beenden.“, kommentiert Cornelia Ernst vor der Debatte in der kommenden Woche die Herausforderungen, denen sich die EU endlich stellen muss.

Ausstellung im Europaparlament | Foto: Konstanze Kriese

Fraktionssitzung: Heiße Debatte ums Renaturierungsgesetz

In der kommenden Woche wird am Dienstag, d. 11. Juli 2023, ab 9 Uhr, das Renaturierungsgesetz, das am folgenden Tag zur Abstimmung kommen soll, diskutiert.

„Die Situation der Biodiversität in der Europäischen Union ist dramatisch. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Zustand von Dreiviertel aller Naturschutzgebiete wird als schlecht eingeschätzt. Dabei sind intakte Ökosysteme die Voraussetzung für ein gutes Leben und Wirtschaften in Europa. Die machtpolitische und parteitaktisch motivierte Blockadehaltung der konservativen EVP (Europäische Volkspartei – die Red.) ist vor diesem Hintergrund ein beschämender Skandal – und möglicherweise eine Vorausschau auf die politische Zukunft in der Union, denn die Konservativen erproben hier exemplarisch die Funktionalität eines Bündnisses mit der extremen Rechten.“,

Plenarsaal im EP in Brüssel, 26.5.2023 | Foto: Jörg Bochmann

formuliert Cornelia Ernst die Dramatik der Debatten im Vorfeld. Doch selbst DIE LINKE hat hier intern einen riesigen Debattenbedarf, wie die Aussprache am Mittwoch zeigte. Denn Agrarpolitik und Umweltpolitik dürfen letztlich nicht gegeneinander ausgespielt werden. Reale politische Konflikte brauchen hier Lösungen, die vor allem in einer ausreichenden Finanzierung von Biodiversitätsmaßnahmen bestehen.


Vorschau auf die Plenarwoche: Plenarfokus der Delegation

In der kommenden Woche treffen sich die Abgeordneten ein letztes Mal vor der Sommerpause und die Tagesordnung ist tatsächlich voller denkwürdiger Abstimmungen, die wir hier schon zum Teil erwähnt haben. Weiterhin stehen Entscheidungen zu den Abstimmungsprinzipien im Europäischen Rat bis zum Gesetz über das Halbleiter-Ökosystem in der EU, kurz Chips-Act genannt, auf der Tagesordnung. Aus unserem Plenarfokus geht hervor, dass Martina sich in die Debatte um den Nah-Ost-Konflikt zwischen Israel und den autonomen palästinensischen Gebieten einmischen wird, denn: 


„Russlands Krieg gegen die Ukraine bewirkt, dass alle anderen ungelösten Konflikte in der Welt, insbesondere der Nahostkonflikt, in den Hintergrund geraten sind. Es ist daher wichtig, dass das Parlament erneut darauf aufmerksam macht und Initiativen der EU fordert. Die Gewaltausbrüche der vergangenen Wochen und Monate verdeutlichen die Notwendigkeit, aktiv zu werden. Das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung, Kritik an Menschenrechtsverletzungen und ungezügelter Siedlungspolitik sind wichtige Elemente der Parlamentsposition, die wir unterstützen. Ebenso richtig ist die Forderung, nach mehr als 16 Jahren demokratische Wahlen in Palästina zu ermöglichen und durchzuführen.“

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.