Martinas Woche 26 – 2023

LUX-Film-Preis-Verleihung in Brüssel 2023 | Foto: Konstanze Kriese

Schaut Filme und fordert mehr von der Politik!

Regional- und Kulturpolitik – Haushalt – Leitfaden für EU-Förderungen – LUX-Film-Preis – Fair-Work-Siegel auf Kulturprodukte – Veranstaltungstipp

Martina Michels, Konstanze Kriese

Die letzte Woche in Brüssel war eine klassische Ausschusswoche, in der Martina oft gezwungen ist, zwischen den parallelen Sitzungen zu einzelnen Tagesordnungspunkten in die Debatte einzugreifen, um danach gleich wieder im anderen Ausschuss an Abstimmungen teilzunehmen. Zusätzlich tagte in dieser Woche auch die israelische Knesset gemeinsam mit Vertreter*innen aus dem Europaparlament und last but not least wurde der LUX-Film-Preis am Dienstagabend im Brüsseler Plenarsaal feierlich vergeben. Und noch ein Novum wartete am Ende der Woche auf Martinas Einsatz: Erstmalig tagten der Beschäftigungsausschuss und der Kulturausschuss gemeinsam, um etwas gegen die prekäre Lage vieler Kulturproduzent*innen zu unternehmen.

LUX-Film-Preis-Verleihung am 27. Juni 2023 | Foto: Konstanze Kriese

LUX-Film-Preis: The winner is … „Close“ von Lukas Dhont

Ja, wir geben es zu. Wir waren skeptisch, was passiert, wenn die Lux-Preis-Vergabe nicht in einer Plenarwoche in Straßburg stattfindet. Wird sie noch weniger wahrgenommen als in den vergangenen Jahren? Doch es kam ganz anders. In einer wirklich feierlichen Veranstaltung im Brüsseler Plenarsaal mit über 1.500 angemeldeten Gästen wurde am vergangene Dienstag feierlich der LUX-Film-Preis-Gewinner bekannt gegeben. Doch dieses neue Format war viel mehr als die übliche Preisverleihung. Es kamen viele Filmleute, Cineasten, viel mehr Regisseur*innen und Schauspieler*innen der nominierten Filme, die Vertreter*innen der Europäischen Filmakademie und – diese aber eher in der Minderzahl – Abgeordnete des Europaparlament, um diesen Preis gemeinsam mit den 45.000 Menschen, die im Netz für einen der fünf nominierten Filme abgestimmt haben, zu vergeben. Die Veranstaltung bot sehr viel Raum für die Filmschaffenden und wurde auch zu einer Hommage an das Kino, denn immer wieder wurden wir aufgefordert, die Filme doch zuerst in einem Kinosaal zu erleben. Martina hatte für „Triangel of Sadness“ gestimmt, jener bitter-bösen Kreuzfahrt-Satire, die der „Gleichheit“ menschlicher Existenzen deutliche Lehren erteilt, Macht und ökonomische Ressourcen als große Verführer ausmacht, die am Ende zwar immer noch über viele Lebensmöglichkeiten entscheiden, doch es kann auch alles ganz anders kommen… Ganz anders greift der Gewinnerfilm „Close“ in die Erzählung menschlicher Lebensmöglichkeiten ein. In intensiven, wenn es nicht so abgedroschen klingen würde, könnte man auch atemberaubenden Bildern sagen, wird eine ungewöhnliche Coming-of-age-Geschichte erzählt, die komplett die Frage an alle stellt, was sie frei gewählte Beziehungen anderer angehen, warum sie sich einmischen, wenn sie meinen, abwerten oder ausgrenzen zu können. Und auch die Stabilität jeder Beziehung selbst wird hinterfragt, was sie für jeden bedeutet und wie sie zum Verhängnis werden kann. Der Film erhielt zusätzlich eine enorme Brisanz, weil das homoerotische Drama in Ungarn nicht gezeigt wurde und in Bulgarien zwei Filmveranstaltungen wegen homophoner Aktionen abgebrochen werden mussten.

LUX-Film-Preis-Verleihung 2023 | Foto: Konstanze Kriese

Es lohnt tatsächlich alle fünf nominierten Filme für dieses Jahr anzuschauen. Sie alle zeigen auf ihre Weise die Schönheit des europäischen Kinos. Und geht, wenn möglich, in einen schönen Kinosaal mit großer Leinwand und gutem Sound. Die Bilder wirken in dieser „Gemeinschaft“ noch immer anders, als wenn man daheim allein streamt.

Regionalausschuss: Haushaltsrevision ohne Innovation und Potenz, um die politischen Herausforderung anzupacken

Martina MIchels im EP 1023 | Foto: Konstanze Kriese

„Der REGI-Ausschuss diskutierte … Vorschläge in einer ersten Aussprache mit der EU-Kommission am 27. Juni 2023 und auch mit dem Berichterstatter des Europaparlaments für den Jahreshaushalt 2024.“, um eine Revision des Haushalts an die gewachsenen Herausforderungen anzupassen. 

Martina Michels gab für die Linksfraktion im REGI eine erste Einschätzung ab: Diese Haushaltserhöhung (66 Mrd. EUR + 33 Mrd. EUR neue Kreditaufnahme) entspricht nicht dem Bedarf, der aus Sicht unserer Fraktion in wichtigen Bereichen besteht, wie Kohäsion, Landwirtschaft, Fischerei, Bildung+, Gesundheit, Forschung usw. Hilfen für die Ukraine sind zweifellos wichtig. Ob der vorgesehene Spielraum im EU-Budget allerdings ausreicht, ist fraglich. Über die genaue Ausgestaltung der Wiederaufbauhilfe ist noch zu diskutieren. Eine zentrale Forderung unsererseits ist, dass neben den angekündigten Reformen u. a. im Bereich Rechtsstaatlichkeit auch eine Art Partnerschaftsprinzip verankert wird, damit die Menschen in den Regionen und Kommunen von Anfang an mit darüber entscheiden, wie der Wiederaufbau ihrer Heimat aussehen soll. Das neue Migrationspaket haben wir scharf kritisiert. Diese Migrationspolitik mit doppelten Standards und höheren Mauern ist nichts, was aus unserer Sicht stärker finanziert werden sollte. Die Aufstockungen im Bereich Nachbarschaftshilfe, Katastrophenhilfe und Flexibilitätsreserve sind sicher richtig. Der Rückfall von der Idee eines Souveränitätsfonds zu STEP mit Umschichtungen aus anderen wichtigen Programmen und einem minimalen Haushaltszuwachs ist offensichtlich nicht der erhoffte große Wurf, den ein Souveränitätsfonds hätte bringen sollen.“

Bedauerliches auf ganzer Linie: „Hinsichtlich der Eigenmittel gibt es nichts wirklich Innovatives.“, ein Punkt, der nach der Pandemie anders angefasst werden muss, denn repressive Sparpolitiken kann sich die EU als Wirtschaftsraum und Werkgemeinschaft nicht leisten, will sie im internationalen Wettbewerb der guten Lösungen beim Klimawandel, der Bekämpfung von Konflikten und dem Abbau von Armut bestehen.

LINKE fordert Fair-Work-Siegel auf Kulturprodukten

Martina Michels im CULT-EMPL-Ausschuss, 29.6.2023 | Screenshot: Parlaments-Stream

Nach jahrelangen Absichtserklärungen, kritischen Berichten über die prekäre Lage der Kulturproduzent*innen, nach der Pandemie, die vor allem den performenden Teil der Branche hart traf und nach vielen Appellen versucht nun die Kommission Nägel mit Köpfen zu machen für einen EU-weiten Rahmen, um die soziale Lage der Künstler*innen und Kreativen zu verbessern. Erstmalig schreiben der Beschäftigungsausschus (EMPL) und der Kulturausschuss (CULT) einen gemeinsamen Bericht. Martina ist Berichterstatterin für die LINKE und forderte in der ersten Aussprache zum Berichtsentwurf ein Fair-Work-Siegel auf alle Kulturprodukte:

„Um einen EU-weiten Rahmen für bessere Arbeitsbedingungen von Kulturproduzent:innen zu schaffen, schlage ich vor, dass die Kommission die Einführung eines europaweiten ‚Fair-Work-Siegels‘ in der kreativen Branche prüft. Solch ein Siegel kann man auf alle Konzertangebote, Musiktitel, Computerspiele, Theaterereignisse, Bücher, Ausstellungen usw. vergeben. Die Konsument:innen wissen dann: Hier werden Kreative gut bezahlt und haben ordentliche Verträge. Wir haben solche Siegel auch bei Umweltfragen auf Produkten, warum nicht auch bei sozialen Fragen in der kreativen Branche, die besonders von prekärer Arbeit betroffen ist?“

Kommissarin Ferreira erläutert im Regionalausschuss den Souveränitätsfonds: STEP –Strategic Technologies for Europe Platform

Ausstellung im Europaparlament | Foto: Konstanze Kriese

„Der großen Vision für einen Europäischen Souveränitätsfonds kommt die EU mit STEP höchstens ein STEPchen, ein Schrittchen, weiter. Die Mittelausstattung ist zu belächeln, das Prinzip „linke Tasche – rechte Tasche“ kommt einmal mehr zur Anwendung. Bezüglich der EU-Strukturfonds (EFRE, KF, JTF, ESF+) scheint die Kommission die Mitgliedstaaten und Regionen mit bevorzugter Vor- und Ko-Finanzierung zur erneuten Umprogrammierung ihrer soeben fertiggestellten Förderpläne drängen zu wollen. Der EU-Haushalt ist politischen Anforderungen nicht gewachsen.“, so lautet Martinas erste Einschätzung. Hier findet ihr weitere Erläuterungen zum gesamten Vorschlag der Kommission von Martina Michels und Nora Schüttpelz

Neuer Leitfaden zu EU-Fördermöglichkeiten

„Regionale und lokale Behörden, NGOs, Unternehmen, Fachleute, Bürgerinnen und Bürgern können über eine Vielzahl von EU-Fördertöpfen finanzielle Unterstützung für die verschiedensten Projekte beantragen. Der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments hat einen neuen „Leitfaden zur EU-Finanzierung“ erstellt, der Informationen über das gesamte Spektrum der EU-Finanzierungsquellen anbietet, übersichtlich nach Aktionsbereichen gruppiert. Die Übersetzungen sind in Vorbereitung, so dass bald viele Interessenten den Leitfaden in Ihrer Muttersprache nutzen können.

Veranstaltungstipp: 4. Juli 2023, 9.30 bis 12.00 Uhr, online oder in Brüssel, zur Lage der Kulturproduzenten

Einkommen und Arbeitsbedingungen im Kultur- und Kreativsektor | Screenshot

Am kommenden Dienstag treffen sich Kulturpolitikerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Kulturproduzenten zu einer Debatte in unserem Fraktionssaal in Brüssel. Dabei steht die Lage der Kulturproduzent*innen im Mittelpunkt, dieses Mal aus der Perspektiven der Mitgliedstaaten und natürlich verbunden mit Fragen an die EU und deren Eingriffsmöglichkeiten in eine Verbesserung der sozialen Lage der Kulturschaffenden. Hier der Veranstaltungshinweis (demnächst mit Lifestream für Dienstag). Die Veranstaltung wird auch in deutscher Sprache verfügbar sein.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.