Martinas Woche 24 – 2020: „Die Wurzeln tiefer treiben, nicht an den Ästen rütteln.“

Berlin | Foto: Konstanze Kriese

Mehrjähriger Finanzrahmen & Recovery-Plan – Fest der Linken – Rede des Parlamentspräsidenten – Kultur & Corona

„Die Wurzeln tiefer treiben, nicht an den Ästen rütteln.“, zitierte gestern der Parlamentspräsident Sassoli Hermann Hesse in einer Rede zur strategischen Einordnung des Recovery Plans (Wiederaufbau-Plans) der EU, während einer Konsultation mit der italienischen Regierung. Es soll vor allem darum gehen, mit und trotz der Corona-Krise nicht dieselben Fehler zu machen, die die Europäische Politik nach der Finanzkrise 2008 gemacht hat. Er verweist darauf, dass der Wiederaufbau-Plan nicht die übliche Antwort sei und dies auch nicht sein darf, sondern am Beginn einer Wende der Europäischen Politik stünde. In der kommenden Woche ist Plenum in Brüssel. Da werden wir sehen, welcher Geist weht und ob er auch die anderen gesetzgebenden Institutionen, die Kommission und den Rat erfasst hat und ob die Vorschläge geeignet sind, tatsächlich zu mehr europäischer Gemeinschaft zu führen.

Martina Michels hatte in dieser Woche diverse Ausschusssitzungen, die sich ebenfalls mit den Wiederaufbauplänen im Regional- und im Kulturausschuss befassten. Sie dienten auf ihre Weise auch der Vorbereitung der Plenartagung des Parlaments, die in der kommenden Woche in Brüssel stattfinden wird. Und wenn alle Anreisen überstanden sind, wird Martina Michels dann erstmalig seit Monaten auch wieder im Plenum sprechen können. In Berlin wurde inzwischen schon, gemeinsam mit Helmut Scholz, das Fest der Linken vorbereitet. In einer Videoaufzeichnung gibt es dann am kommenden Wochenende zum Fest der Linken Infos zur Deutschen Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt, Wissenswertes über den Haushalt, den Brexit und die Zukunftskonferenz der EU.

Mehr als eine Sonntagsrede? Parlamentspräsident wendet sich gegen Neoliberalismus

Foto: Konstanze Kriese

Sassoli sprach gestern bei einer Konsultationen mit der italienischen Regierung über den Sinn des Recovery Plans, des Wiederaufbau-Plans der EU, der durch die Corona-Krise entworfen wurde. In seiner Rede sagte er: „Wir wissen, dass das neoliberale Modell, das die Union in Schwierigkeiten gebracht und Ungleichgewichte erzeugt hat, in dieser neuen Phase keine Rolle spielen darf. Das ist ein politischer Knoten, den wir ergreifen müssen, wenn wir wirklich neu beginnen wollen.“ Und er macht in der Rede deutlich, dass wir hier nicht nur über Notfallmaßnahmen diskutieren, sondern über eine umfassende politische Weichenstellung, die sich solidarischen Zielen verpflichtet mit wirklichen Reaktionen auf den Klimawandel, weitere Digitalisierung und vor allem mehr Gemeinschaftlichkeit. Er sendet damit einen deutlichen Appell an die Mitgliedstaaten, denn sie sind jetzt am Zug und sagt, fast mahnend: „Die Mittel, die in den nationalen Staatskassen ankommen, werden öffentlich sein, und jeder Verlust oder jede Verschwendung ist unzulässig.“ und stellt die Verantwortung einer demokratischen Öffentlichkeit in den Mittelpunkt der derzeitigen Erfolgsaussichten für alle Wiederaufbaupläne. Es geht letztlich um mehr als bereitgestellte Summen und dies ist in Sassolis Rede klar herausgehoben. Wir wissen, die Hoffnung stirbt zuletzt, dass dies keine Sonntagsansprache an die nationalen Regierungen ist und wir müssen dafür auch aus dem Europaparlament heraus unseren Beitrag leisten. So machte Martina inzwischen mehrfach darauf aufmerksam, dass diese Art Nationalisierung der Europapolitik eine gefahrvolle Entwicklung in sich birgt, wenn die Regionen hier als politische Akteure in der Europapolitik tendenziell ausgebremst werden (siehe nachfolgender Beitrag und Beitrag zum Videodreh, weiter unten).   

Regionalausschuss: Debatten um Mehrjährigen FinanzrahmenBrüssel vorm Parlament 

Brüssel, Eingang zum Europäischen Parlament | Foto: Konstanze Kriese

Am 27. Mai hat die Kommission die lang erwartete Überarbeitung ihrer Vorschläge zum Mehrjährigen Finanzplan vorgelegt. Doch dies hatte sie eingebettet in die Vorstellung des riesigen Recovery/Wiederaufbau-Plans von 750 Milliarden Euro und genau so ist derzeit die Argumentation auf allen Ebenen: Was wir im Mehrjährigen Finanzplan jetzt an Kürzungen gegenüber unseren Vorschlägen von 2018 vorgeben, ist doch durch die Nutzung der neuen Töpfe aus dem Recovery-Plan wieder aufgefangen. Doch Martina sagt erst einmal klar: „Die Kürzungen bei der Regionalförderung, bei Kultur und Bildung im neuen Mehrjährigen Finanzplan sind nicht hinnehmbar. Der neue MFR-Vorschlag der Kommission fällt in diesen Kernbereichen des EU-Haushalts noch hinter den ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom Mai 2018 zurück, und schon der enthielt massive Kürzungen“. Und so erlebte Martina im Regionalausschuss ähnliche Argumentationen wie im Kulturausschuss von den Kommissarinnen: „Kommissarin Elisa Ferreira, die zu dieser Debatte eingeladen war, unterstrich die zentrale Rolle, die die Kohäsionspolitik bei der Reaktion der EU auf die COVID-19-Krise gespielt hat. Sie sagte, die Vorschläge zur wirtschaftlichen Erholung im Rahmen der ‚EU der nächsten Generation‘ würden eine starke ‚Kohäsions-DNA‘ haben. Die Regionalpolitiker*innen bestanden jedoch darauf, EU-Haushalt und Sonderfonds für die Krisenbewältigung als verschiedene, wenn auch kompatible Paar Schuhe zu betrachten.“ 

Letztlich ist dieser neue Mix ein Hort der Intransparenz und Verwirrung, denn letztlich sind Wiederaufbaumittel kein Ersatzinstrument für eine entwicklungsfähige Regionalpolitik. Nora Schüttpelz und Martina Michels versuchten Licht ins Dunkel der Fonds-Zusammenhänge zu bringen und auch die Kommission erläutert in diversen Factsheets (1), was sie da nun geplant hat, was davon kurzfristiger Wiederaufbau und was davon nachhaltige Förderpolitik sein soll. Wir bleiben jedenfalls dran, damit wie diese Mix-Strategie kritisch begleiten und Vorschläge zum Umsteuern unterbreiten können.

Vorschau beim Videodreh: Fest der Linken 19./20. Juni 2020 in Berlin

Videodreh beim ND (v.l.n.r.): Uwe Sattler, Martina Michels, Helmut Scholz | Foto: Konstanze Kriese

Am Donnerstag trafen sich Martina Michels und Helmut Scholz beim Neuen Deutschland in Berlin, die in diesem Jahr ihren Part auf dem Fest der Linken in Berlin anders vorbereiten als sonst. Denn das Fest wird in diesem Jahr online stattfinden, Musik und Gesprächsrunden sind damit allerdings von überall aus zu erleben. Das hat dann auch einen Vorteil und: An diesen Tagen muss nicht alles live sein. Es kann schon vorproduziert werden und genau das wurde am Donnerstag begonnen. Einleitend amüsierte sich Martina Michels über das Logo für die Deutsche Rastpräsidentschaft, die im Juli beginnt. Das Möbiusband, eine Art Unendlichkeits-Schleife, bei der man immer auf derselben Seite landet, verwunderte schon einige Journalisten, als es die Bundesregierung stolz präsentierte, weil das Motiv vielleicht doch nur auf Umwegen die Vielfalt Europas repräsentiert. Wie auch immer, im Videodreh wurden dann solche Themen wie Haushalt, Brexit, Zukunftskonferenz erörtert und wenn das Fest der Linken beginnt, könnt Ihr dazu auch noch Statements von Martin Schirdewan, Özlem Demirel und Cornelia Ernst hören. Es lohnt sich also, den Stand der Dinge in kompakter Form nachzuhören. Freuen wir uns auf ein neues Fest, in Formen, die immerhin der Barrierefreiheit eine neue Chance geben und vielleicht sogar eine andere Reichweite und neue Formate begründen und damit über das diesjährige Ereignis hinaus Bestand haben.

Kulturpolitik in Europa vor, nach und mit Corona in einer Radiosendung des Freien Sender Kombinats Hamburg

Foto: Klaus Peter Flügel, Hamburg

Am Donnerstag stand Konstanze Kriese in einer Musiksendung, der neoostdadasurrealpunkshow, Rede und Antwort zur Reichweite der Europäischen Kulturpolitik. Schon ohne Corona hat die Kultur den winzigsten Haushalt und ist eher ein Problemkind der Förderungen. Einerseits ist die Europäische Politik selbst stark auf die Kulturwirtschaft orientiert, andererseits nicht blind ob der vielen infrastrukturellen Aufgaben auch für öffentliche Einrichtungen, die den europäischen Kulturaustausch befördern, sei es der Lux Film Preis, die Hauptstadtkulturförderung oder andere genuin europäische Projekte. Und auch neben der Förderung gibt es viele Aufgaben, wie die Reform des Urheberrecht, der Einsatz für Medienfreiheit, die politischer Regulationen bedürfen, obwohl die Hoheit der Mitgliedstaaten bei der Kultur davon unberührt bleibt. Inmitten der Corona-Krise passierte dann in der Kultur ähnliches, wie in anderen Bereichen: Die schon lange bekannten Konflikte verschärften sich, insbesondere die miserablen Einkommen, die schlecht abgesicherte Arbeit der vielen Selbständigen.

Lange Zugfahrten, die ab Montag auch wieder über Ländergrenzen hinweg führen, machen es u. a. möglich, zwei Stunden mit Interviews und guter Musik zu lauschen, wenn es heißt: Sven J. Olsson vom Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) und Konstanze Kriese, Referentin der Europa-Abgeordneten Martina Michels (Die Linke), bringen uns auf den neuesten Stand, welche Folgen die Pandemie für den kulturellen Bereich haben könnte.… Dank an KP Flügel aus Hamburg für die Geduld und das beharrliche Nachhaken seit vielen Wochen, wenn es um die Situation von Künstlerinnen und Künstlern geht, die versuchen mitten in der Corona-Krise nicht nur ihre Existenz zu sichern, sondern auch weiter den künstlerischen Einspruch in den aktuellen Problemlagen vorantreiben.

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Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.