Martinas Woche 22 – 2023

Martina Miches auf dem Landesparteitag Sachsen-Anhalt, am 3. Juni 2023 | Foto: Peter Cichorius

Licht und Schatten im Brüsseler Miniplenum

Lieferketten-Richtlinie – Erinnerung an die Katastrophe in der Rana-Plaza-Textilfabrik 2013 in Bangladesch – Munitionsproduktion aus dem Wiederaufbaufonds? – Landesparteitag in Sachsen-Anhalt – Studientage in Malmö

Martina Michels, Konstanze Kriese

Nicht erst seit der Corona-Pandemie sind internationale Lieferketten ein entscheidendes Thema internationaler Handelspolitik, aber auch einer Restrukturierung einer modernen Industriepolitik insgesamt. Das sogenannte Miniplenum in Brüssel am Mittwoch und Donnerstag letzter Woche legte den Finger in die Wunde einer internationalen Arbeitsteilung, die die Lage von Beschäftigten im globalen Süden aus dem Blick verliert, während wir ein Fünf-Euro-T-Shirt erstehen. Die Probleme sind dabei nicht zuerst die sorglosen Konsument*innen-Entscheidungen, sondern Unternehmen, die z. B. in Asien produzieren lassen und dabei soziale Standards schleifen sowie auf Umweltschutz pfeifen. In der Plenarsitzung gab es daher, bevor über die Lieferketten-Richtlinie abgestimmt wurde, eine Erklärung der Kommissionspräsidenten, um an den 10. Jahrestag des Einsturzes des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch zu erinnern. Beim Gebäudeeinsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Sabhar kamen am 24. April 2013 1.135 Menschen ums Leben und 2.438 wurden verletzt. Diese Katastrophe ist leider nur eine von vielen Vergehen innerhalb einer ungerechten internationalen Arbeitsteilung, die gerade die „verlängerten Werkbänke“ in sogenannten Billiglohnländern nutzt, um sogenannten tarifäre Handelshemmnisse zu umgehen, kurz soziale und Umweltstandards zu unterlaufen, und aus den Investitionsplänen eines weltweit agierenden Unternehmens exorbitant hohe Gewinnmargen einstreichen zu können. Seit vielen Jahren kämpfen NGOs, Organisationen wie Weed, international aufgestellte Gewerkschaftsverbände und andere gegen diese Art des internationalen Handels.

Wenn mal Licht in Brüssel ist, wie bei der Abstimmung zur Lieferletten-Richtlinie, dann folgt der Schatten gleich auf dem Fuße. Verursacht ist dieser durch eine objektive Herausforderung, die schlicht umrissen werden kann mit der Frage: Wie kann der entsetzliche, völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands in der Ukraine beendet werden? Statt eines Gesamtpaketes, das Verhandlungsangebote skizziert, steht die militärische Ausrüstung der Ukraine ganz oben im Maßnahmen-Arsenal der EU-Institutionen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde am Donnerstag mit 446 zu 67 Stimmen bei 112 Enthaltungen angenommen, bei dem die Linke nicht dafür stimmte.

Am Samstag war Martina beim Parteitag nach Sachsen-Anhalt auf und am heutigen Montag geht es nach Malmö zu den Studientagen der Fraktion.

Internationaler Handel: Europaparlament setzt auf fairer internationale Kooperation

Unser handelspolitischer Sprecher, Helmut Scholz, konstatierte nach der Abstimmung am Donnerstagvormittag in Brüssel:

© European Union 2023 – Source : EP Philippe Stirnweiss

„Die heutige Abstimmung ist ein wichtiger Etappensieg für gerechtere, globale Wirtschaftsbeziehungen. Obwohl sich CDU/CSU in letzter Sekunde gegen den Schutz der Arbeitnehmerrechte stellten, will die Mehrheit des EU-Parlaments eine wirksame Lieferketten-Richtlinie: Alle großen europäischen Unternehmen ab 250 Beschäftigten sollen Verantwortung für Menschen- und Arbeitnehmerrechte übernehmen. Jetzt müssen die Regierungen der Mitgliedstaaten Farbe bekennen.“

Das Parlament beschloss im Brüsseler Miniplenum mit seiner Position zur Lieferketten-Richtlinie,

  • dass die Sorgfaltspflicht in die Unternehmensführung integriert werden muss;
  • Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und Verlust der biologischen Vielfalt bekämpft und auch sanktioniert werden.
  • Immerhin sind Geldstrafen von mindestens fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens bei Nichteinhaltung in der Richtlinie verankert.

EU einigt sich auf gemeinsame Ausstattung von Rüstungsproduktion für die Ukraine

Plenarsaal im EP in Brüssel, 26.5.2023 | Foto: Jörg Bochmann

„Das Parlament hat am Donnerstag den Gesetzentwurf zur Steigerung der europäischen Produktion von Munition und Flugkörpern gebilligt. Das Gesetz zur Unterstützung der Herstellung von Munition (ASAP) zielt darauf ab, die Lieferung von Munition und Flugkörpern an die Ukraine zu beschleunigen und den Mitgliedstaaten zu helfen, ihre Arsenale aufzustocken. Durch die Einführung gezielter Maßnahmen, einschließlich einer Finanzierung in Höhe von 500 Millionen Euro, soll das Gesetz die Produktionskapazität der EU erhöhen, um den derzeitigen Mangel an Verteidigungsprodukten zu beheben, insbesondere an Boden-Boden- und Artilleriemunition, Flugkörpern und deren Komponenten.“,

fasst das Parlament den Gesetzentwurf der Kommission zusammen.

„Die Wirksamkeit dieser Verordnung“, so der Pressedienst des Parlaments weiter, „wird bis Mitte 2024 unter Berücksichtigung der Entwicklung des Sicherheitsumfelds bewertet.“ Auf der Grundlage der Ergebnisse kann die Ausweitung dieser Maßnahmen und die Bereitstellung zusätzlicher Mittel in Betracht gezogen werden.

„Parallel dazu arbeiten die Abgeordneten an dem Gesetz für ein Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA), um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern zu unterstützen und den dringendsten kritischen Bedarf zu decken.“, werden wir weiter auf der Homepage des Europaparlaments informiert. Dies wirft jede Menge Fragen auf, wie sowohl Özlem Demirel schon mehrfach betonte, denn Vieles, was die Kommission derzeit vorlegt, hebelt die Europäischen Verträge aus. Zugleich sperrten sich Regionalpolitikerinnen und Regionalpolitiker, dass zum Aufbau weiterer Verteidigungskapazitäten in die Strukturfonds eingegriffen wird, die einem sozialen, ökologischen und nachhaltigen Zweck dienen sollen und nicht für Rüstungsgüter bereitgestellt werden dürfen. Aus dem Ausschuss hatten wir schon in der vergangenen Woche berichtet, in dem sich Martina dort klar und unmissverständlich gegen diese militante Regionalpolitik stellte. Entsprechend stimmten  linke Abgeordnete dem jetzigen Verordnungsentwurf in der Schlussabstimmung nicht zu.

Sachsen-Anhalts Linke bereitet sich auf kommende Wahlen vor

Martina Michels auf dem Landesparteitag in Aschereben, 3. Juni 2023 | Foto: Peter Cichorius

Martina fuhr am Samstag zum Landesparteitag der LINKEN Sachsen-Anhalts in Aschersleben. Dort hatte sie die Gelegenheit, darauf zu verweisen, dass mit den Europawahlen 2024 zugleich in acht Bundesländern Kommunalwahlen, und mit der Hamburger Wahl der Bezirksversammlungen sogar neun Regionalwahlen im gleichen Zeitraum wie die Europawahlen stattfinden. Sie konnte davon berichten, dass wie an einem Informations-Paket arbeiten, welches die europapolitische Ebene mit der Kommunalpolitik zusammenbringt, denn vom Europäischen Beihilferecht über sozialpolitisch und ökologisch intendierte Verordnungen und Richtlinien, wie zum Europäischen Mindestlohn bis zum Klimasozialfonds, greift Europa schon lange ganz unmittelbar in die Kommunalpolitik ein und dies weit über die bekannten Struktur- und Regionalfonds, die sogenannte Förderpolitik hinaus. Damit entstehen oft zugleich Fragen an die Bundesregierung und die Landesregierungen nach der Umsetzung europäischer Entscheidungen. Wir haben uns vorgenommen, dieses Geflecht durchschaubar zu machen und mit unseren linken Perspektiven zu verbinden. Martina kam also mit vollen Taschen und klaren Ideen und konnte sich somit produktiv in die Entscheidungen des Landesparteitages als Abgeordnete des Europaparlaments und Regionalpolitische Sprecherin einbringen.

Als neuer Ko-Landesvorsitzender wurde, neben der amtierenden Janina Böttger, Henrik Lange gewählt. Janina Böttger hatte einen günstigeren Nahverkehr und eine bessere Gesundheitspolitik zum Thema gemacht, zwei Felder, für die sich ebenso der Blick auf europäische Politik lohnt.

Aufbruch nach Malmö: Heute beginnen Studientage der Fraktion in Schweden

Europasignet am Plenarsaal | Foto: Komstanze Kriese

In dieser Woche wird unsere Fraktion zu Studientagen nach Malmö fahren. Noch bis Ende Juni hat Schweden den Ratsvorsitz in der EU. Geplant sind Treffen mit Politiker*innen aus der schwedischen, dänischen, norwegischen und finnischen Linken in Parlamenten, Parteien und Gewerkschaften, mit denen vor allem diskutiert werden soll, wie eine sozial-ökologische Transformation und eine europäische Industriepolitik aussehen müssen, die alle Beschäftigten mitnimmt und wie wir Tarifverträge stärken können, um Lohndumping zu verhindern.

Ein weiteres Thema wird die politische Rechtsentwicklung in vielen EU-Mitgliedstaaten sein, darunter auch Schweden und Dänemark. Eng damit verbunden ist ein weiterer Schwerpunkt der Studientage: In einem Panel werden wir Politiker*innen und anti-rassistischen Aktivist*innen aus mehreren EU-Staaten begrüßen und Erfahrungen und Möglichkeiten einer antirassistischen Mobilisierung diskutieren.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.