Martinas Woche 18 – 2023

1. Mai in Brüssel am Kunstberg, zusammen mit Transform und der Rosa-Luxemburg Stiftung | Foto: Roland Kulke

Fraktionswoche mit Zukunftspotential und Ausblick aufs Plenum

Vorschau: Plenum in Straßburg – Rüstung und Regionalpolitik – Korruption in der Politik – Parteivorsitzende in Brüssel – Migrationsgipfel ohne Hoffnung

Die vergangene Woche begann mit einem kämpferischen 1. Mai, in Brüssel zusammen mit Gewerkschaften, NGOs, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Transform, Brüsselerinnen, Brüsselern und neugierigen Tourist*innen auf dem Kunstberg mitten in der Innenstadt. 

Ab heute tagt das Europaparlament wieder in Straßburg. In der Reihe „That‘s Europe“ wird diesmal Olaf Scholz erwartet. Ob das alle freut? Nach dem Gezerre um das Verbrenner-Aus und dem fiskalpolitischen Kleingeist von Lindner, der sich mit seinem verkrusteten ökonomischen Sachverstand wie einst Schäuble zum Sparkommissar der EU aufschwingen will, wird sich die Begeisterung in Grenzen halten. Es nützt ohnehin so offensichtlich nur wenigen, wenn man sich aus Krisen und im Angesicht öko-sozialer Herausforderungen erster Ordnung glaubt, „heraussparen“ zu können. Investionen, die jetzt nicht getätigt werden, kosten in Zukunft Wirtschaftskraft, Beschäftigung und soziale Wohlfahrt für alle. Wir sind gespannt, wie die Abgeordneten auf die deutsche Blockadehaltung reagieren. Wir wollen jedenfalls kein deutsches Europa, sondern ein europäisch denkendes und weltoffen handelndes Deutschland. Guy Verhofstadt, einer der liberalen Abgeordneten, sagte gestern im Europa-Magazin der ARD über Scholz, dass er Pragmatismus beherrsche. Was wir aber brauchen, sind „Visionen, Visionen und nochmal Visionen für die EU“. Da stimmen wir einfach zu und sind gespannt auf die Aussprache, Dienstag ab 10:30 Uhr.

Aussprache im Fraktionsvorstand zu den Wahlen 2024 | Foto: PRESS UNIT THE LEFT

Die Tagesordnung der Plenartagung findet ihr hier und den pointierten Plenarfokus unserer Delegation könnt ihr hier nachlesen.

Regionalpolitik: Keine Strukturfonds-Gelder für Rüstungsproduktion!

„Das Argument von Kommissar Breton, ausgerechnet mit der Rüstungsproduktion deindustrialisierte, wirtschaftlich zurückgebliebene Regionen wiederbeleben zu wollen, ist einfach nur hämisch“

befand Martina unumwunden, als letzte Woche die Pläne der Kommission zur Munitionsproduktion bekannt wurden. Ganz unabhängig davon, wie man aktuell zu Waffenlieferungen für die Ukraine steht, die Strukturfonds der EU sind Instrumente für strategische langfristige Investitionen, die die Angleichung der Lebensverhältnisse bei gleichzeitigem klimagerechten Strukturwandel zum Ziel haben. Für strategische Entscheidungen, deren Tauglichkeit ohnehin auf einem anderen Blatt steht und offenen Visiers auch an anderen Stellen verhandelt werden muss, sind diese Fonds der EU-Regionalpolitik nicht gedacht. Und warum müssen nationale Rüstungsindustrien, die jetzt schon der erste Kriegsgewinner sind, auch noch gefördert werden? Ihren Auftrag, schneller zu produzieren, verstehen sie auch ohne derartige politische Anreize. Hier gibt es nur eine Gegenfrage: Wo sind die langfristigen Abrüstungsprojekte der EU?

Korruptionsbekämpfung: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu Gast in der Fraktionssitzung

Roberta Metsola zu Gast in der Fraktion, 3.Mai 2023 | Screen Shot – Fraktionssitzung

Die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola kam am vergangenen Mittwoch in unsere Fraktion, die derzeitig selbst an einem Verhaltenskodex für die Tätigkeiten der Abgeordneten arbeitet. Nach dem Katar-Gate u. a. Fällen von Korruption und Intransparenz in der Tätigkeit der Abgeordneten geht es um geeignete Maßnahmen, die Strukturen für dieses Verhalten zu ändern, denn verspieltes Vertrauen in die Arbeit von Abgeordneten ist nur sehr schwer wieder zu gewinnen. Und dabei geht es nicht um laue Appelle an die Abgeordneten, ihre Gespräche mit Lobbyist*innen transparent zu machen. Das geschieht eigentlich schon lange. Hier muss mehr geschehen, damit strukturell solche Korruption verhindert wird. Politik darf nicht käuflich sein. Die Debatte mit Metsola berührte aber noch ein weiteres Thema, was die Europäische Demokratie beschädigt: die häufigen Blockadehaltungen des Europäischen Rates beim Durchsetzen harmonisierter Regelungen z. B. in der Migrationspolitik. Hier geht es auch insgesamt darum, dass das Europaparlament mehr Durchsetzungskraft braucht, auch statuarisch im Gefüge der gesetzgebenden Europäischen Institutionen.

Linke Parteivorsitzende legen sich gemeinsam mit dem Vorstand der linken Fraktion im Parlament die Karten

Daphne Weber und Martina Michels in der Aussprache im Fraktionsvorstand, 4. Mai 2023 | Foto: PRESS UNIT THE LEFT

2019 war es unübersehbar. Die linke Fraktion im Parlament war geschrumpft. Nun hat sie – die beiden Pandemiejahre hoffentlich im Rücken – fast vier Jahre parlamentarische Erfahrungen miteinander gesammelt, Erfolge und viel Information vorzuweisen, was europapolitisch alles geht und was sich dringend ändern muss. Wie gehen Europäische linke Parteien in die Wahlen 2024? Wo drückt der Schuh in den Mitgliedsstaaten? Der Austausch zeigte unterschiedliches Herangehen an die Klimakrise, die kletternden Energie- und Lebensmittelpreise, die unerträgliche und ungelöste EU-Migrationspolitik. Fraktionen entwickeln auf ihre Weise eine friedliche, soziale, demokratische, aber auch feministische EU, indem sie viel Fachpolitik erarbeiten, sich mit NGOs vernetzen, aber diese Arbeit auch in ihre Parteien tragen müssen. Europapolitik finden genauso in Kommunen statt, wird dort mitgetragen und die Auseinandersetzung mit Alternativen für Europa ist durchaus dazu geeignet, linke Parteien zu stärken und zu erneuern. Erstmalig haben sich linke Parteien neben ihrem strategischen Austausch auch mit ihrer Kommunikation auseinandergesetzt und dies gleich praktisch, indem eine gemeinsame Kampagne für eine moderne Energiepolitik mit den Fachleuten für Öffentlichkeitsarbeit entworfen wurde. Von der LINKEN kam aus Deutschland Daphne Weber als Mitglied des geschäftsführenden Parteivorstandes, die auch am Mittwochnachmittag in unserer Delegationssitzung zu Gast war. 

Pro Asyl: Wenn Menschenrechte verschwinden: Wir wollen ein anderes Europa

titelt die NGO und schreibt einen Brief an die Parteivorstände der Koalition in Deutschland:

Ein Horrorszenario droht – und das mit Unterstützung der Bundesregierung: Flüchtlinge erreichen einen Staat an der EU-Außengrenze. Sie bitten um Asyl. Sofort werden sie inhaftiert. Alles, was sie ab diesem Moment von Europa noch zu sehen bekommen, sind Mauern, Stacheldraht und Sicherheitspersonal. Das soll jetzt Realität in der EU werden. Denn die Ampel-Koalition hat ihre im Koalitionsvertrag verankerte Position geändert: Innenministerin Nancy Faeser will den geplanten Grenzverfahren nun doch zustimmen.

Was in der Debatte als »Asylverfahren an den Außengrenzen« bezeichnet wird, hat mit einem fairen, rechtsstaatlichen Vorgang nichts zu tun. Geflüchtete erwartet vielmehr ein Schnellverfahren, an dessen Ende für viele die direkte Abschiebung in einen sogenannten »sicheren Drittstaat« steht, weil ihr Asylantrag als »unzulässig« abgelehnt wird. Ohne inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe.

Dagegen müssen wir protestieren – und die Zeit drängt, denn schon am 8. Juni wollen die Innenminister*innen im EU-Rat darüber entscheiden!“

Ihr könnt hier mit unterschreiben und den Druck bis zum 8. Juni, wenn sich die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel treffen, erhöhen.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.