Martinas Woche 15 – 2020. Brüssel vor´m nächsten Plenum

Foto: Konstanze Kriese

Martina Michels, Konstanze Kriese

Eurogruppe mit schwierigem Ergebnis – Vor 75 Jahren befreite sich das KZ Buchenwald – Trauer um Ernst-Georg Schwill – Leave No One Behind

Auch wir haben ein paar Tage innegehalten und das Osterfest daheim verbracht. 

Kurz vor Karfreitag hatte die Eurogruppe endlich einen Rettungspakete-Kompromiss für die Mitgliedsstaaten gefunden. Doch ob dieser wirklich rühmlich ist, werden wir wohl noch genauer unter die Lupe nehmen müssen. Europäische Solidarität könnte wirklich anders aussehen.

Wir möchten an die Selbstbefreiung des KZ Buchenwald vor 75 Jahren mit der Thüringer Erklärung erinnern.

Mitten in der vergangenen Woche traf uns die traurige Nachricht vom Tode des Schauspielers Ernst-Georg Schwill. 

Ab morgen bereitet sich unser Team, die Delegation und die Fraktion auf die nächste Plenarsitzung in Brüssel vor und das bedeutet für uns zugleich – mitten im Home-Office – weiter politisch die Auswege aus der Corona-Krise zu begleiten, Alternativen aufzuzeigen, die die sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen und die mangelnde europäische und globale Solidarität beenden. 

Eurogruppe tagte mit 500 Millarden-Ergebnis, jedoch ohne Eurobonds

Gleich zweimal tagte in der Woche vor Ostern die Eurogruppe, doch eigentlich nur, weil sie sich ohnehin schon 14 Tage vertagt hatte und sich auch am Dienstag keine Lösung abzeichnete, dass eine gemeinsame Schuldenhaftung als solidarisches Mittel der Wahl möglich werden könnte. Während Italien, Spanien und Frankreich daran festhalten, weigern sich Deutschland, die Niederlande, Österreich und Finnland und verweisen auf die neu geschaffenen Kreditmöglichkeiten der EZB. Auch wenn es einen Vermittlungsvorschlag von Deutschland und Frankreich gab, diesen heiklen Punkt erst einmal zu verschieben, ließen sich die Vertreter Italiens in der Nacht zum Mittwoch darauf nicht ein. Und ehrlich, nicht zu unrecht. Aus dieser Taktik „über den heiklen Punkt reden wir später noch mal“ ist schon zu oft ein Unter-den-Tisch-fallen für alternative Lösungen geworden. Nicht nur die Länder, auch in den politischen Lagern werden die Eurobonds, derzeit als Corona-Bonds bezeichnet, heftig diskutiert. Und es gab mit Lammert oder Röttgen sogar prominente Befürworter im konservativen Lager innerhalb der CDU. Martina Michels hatte sich positioniert wie auch Martin Schirdewan vor den Verhandlungen am Donnerstag. Was dann herauskam, war letztlich eine Lösung ohne Eurobonds und: Sie sind nicht vom Tisch und vertagt! Jetzt ist folgendes Paket geschnürt:

  1. KMU- Garantiefonds der Europäischen Investitionsbank EIB in Höhe von 200 Milliarden Euro
  2. Kurzarbeit-Programm „Sure“ mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro, welches auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurückgeht
  3. Kreditlinien des „Euro-Rettungsschirms“ ESM, bei dem bis zu 240 Milliarden Euro für besonders stark von der Pandemie betroffene Staaten zur Verfügung stehen sollen.    

Doch der 3. Punkt bleibt letztlich ein Zankapfel, denn der sollte, ähnlich wie während der Griechenlandrettung, an strenge Auflagen gebunden werden und wir ahnen, was dies heißt: Rentenreformen, Sozialabbau. Doch hier konnten weitgehende Lockerung und Handlungsspielräume für die kreditnehmenden Länder vereinbart werden, wie im Spiegel zusammengefasst.

Ein politisches Monitoring zu diesen Hilfen bleibt u. a. genauso wichtig, wie die weitere Debatte um Eurobonds, auch wenn sie aus der aktuellen Tagesordnung erst einmal verschwunden sind. Dies schon aus der Krisensituation heraus, die auf alle Mitgliedstaaten und die EU zugekommen ist, und deren Prognose derzeit noch sehr vage sein dürfte, weil der Pandemieverlauf ebenso unklar ist. Hier haben linke Parteien eine eigenständige Verantwortung, dass die Rettungsinstrumente scharf analysiert werden und andere Vorschläge, die es gab und gibt, in der öffentlichen Debatte bleiben.

11. April 1945 – Vor 75 Jahren hat sich das KZ Buchenwald befreit

Aus Anlass dieses Jahrestages entstand in dieser Woche die Thüringer Erklärung, international getragen: „Auch 75 Jahre nach der Befreiung sind uns Unmenschlichkeit und Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands bewusst. Wir ehren all jene, die sich widersetzten. Wir nehmen wachen Anteil an der Geschichte und dem Leid der Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zunächst in Deutschland und dann in den vom „Dritten Reich“ besetzten Ländern entrechtet, entwürdigt, ausgegrenzt, ausgeplündert und ermordet worden sind: allen voran die deutschen und europäischen Juden, aber auch Sinti und Roma, Kranke und Behinderte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, sozial Diskriminierte und alle, die im besetzten Europa oder als Deportierte im Reichsgebiet Zwangsarbeit leisten mussten oder Opfer von Besatzungs- und Kriegsverbrechen wurden…“ Hier ist die ganze Erklärung nachlesbar.

Wir trauern um Ernst-Georg Schwill

Der Schauspieler Ernst-Georg Schwill ist tot. Für unser Team, für Martina Michels und vor allem auch für unsere Berliner Kollegen Peter Cichorius und Peter Schmidt, eine schmerzhafte Vorstellung und großer Verlust, denn alle verband eine jahrelange Freundschaft, häufige Begegnungen, Austausch. Der wunderbare Schauspieler war zugleich ein guter Beobachter der kleinen Veränderungen im Zeitgeschehen. Aufmerksam, liebevoll und mit hintergründigem Humor hinterfragte er unseren Alltag in Miniaturen und Geschichten und wer ihm nicht nur auf der Leinwand folgten wollten, konnte Ernst-Georg Schwill in den letzten Jahren auch in Lesungen erleben. Ein besonderes Erlebnis war dabei eine Lesung aus seiner 2008 erschienenen Autobiografie „Is doch keene Frage nich“ in der Ständigen Vertretung des Landes Berlin in Brüssel, inmitten einer Besuchergruppe von  Martina Michels oder seine Auftritt im Café Sibylle. Wir vermissen ihn, seine klare, mal leise, mal bestimmte Stimme. Hier könnt ihr sein letztes Interview nachlesen

Brüssel vor der nächsten Plenartagung

Leerer Plenarsaal in Brüssel, 9. März 2020 | Foto: Martina Michels

Am 16. und 17. April 2020 findet erneut eine Plenartagung unter besonderen Bedingungen statt. Wie man an der Tagesordnung gut erkennen kann, sind die Abstimmungen sehr raumgreifend, weil viele Abgeordnete diese im  Home Office in einem besonderen Verfahren absolvieren. Das Zusammenspiel zwischen den Ausschüssen, den eigentlichen Teams hat sich weitgehend auf die Arbeit im Home-Office eingestellt, doch glaube niemand, dass dies irgendwie bequem oder unkompliziert. Martina Michels, die gerade in Vorbereitung dieser Plenartagung zu weiteren Corona-Hilfen auch aktiv im Regionalausschuss stundenlang in Video- und Telefonkonferenzen verbrachte, nutzt zugleich denselben Weg, um die Briefings der MitarbeiterInnen auszuwerten, die Öffentlichkeitsarbeit abzusprechen und dergleichen mehr. Da klingeln einer schon mal am Ende des Tages die Ohren und man sehnt sich nach manch persönlichen Kontakten auch in der laufenden Arbeit. Doch letztlich sind dies sicher die kleineren Übel im Leben mit Corona. Wichtiger bleiben für uns alle die Auswege, die politische Debatten um die Folgen.

Nachösterliches

Foto: Konstanze Kriese

Nach ein paar Tagen Osterfest unter ungewöhnlichen Umständen, steht für uns alle die Frage: Wie geht es weiter? Und da geht es nicht nur um das mögliche Skypen mit der Enkelin, der Anruf bei den Kindern, die in Portugal arbeiten, der verschobene Besuch bei den Eltern, die Planung der Hausaufgaben, die Gestaltung des nächsten Semesters, die eigentliche Arbeitsplanung, so man welche hat. Wir sehen, was Corona in vielen Ländern weltweit verursacht, wie viele soziale Folgen, wirtschaftliche Verwerfungen die Maßnahmen nach sich ziehen, die die Infektion verlangsamen sollen, damit z. B. die, die in Krankenhäusern arbeiten, dies unter sicheren und erträglichen Umständen tun können. Wir erleben eine Politik, die auf Sicht fährt, europäisch noch immer schwer zusammenfindet und kaum noch über den Tellerrand schaut, obwohl Corona uns doch allein so viel über Lieferketten und real über die Verflochtenheit in dieser einen Welt mit auf den Weg gibt. Gesundheitsschutz versus Grundrechte stehen genauso zur Debatte, wie der Umgang mit Fakenews oder die schlichte Frage danach, wie die Nachrichten aus anderen Regionen noch in unsere Wohnzimmer kommen, die Informationen darüber, dass Menschen ganz ohne Schutz nicht nur dem Virus ausgeliefert sind, sondern Seenotrettung einfach vor Malta eingestellt wird. Wegschauen ist keine Lösung! Wir können weiterhin die Bewegung der Seebrücke #leaveNoOneBehind unterstützen, aber auch unseren eigenen solidarischen Ideen sind hier keine Grenzen gesetzt. Meine Kollegin Özlem Demirel hat ein Video dazu gemacht.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.