Martinas Woche 13 – 2019

Strasbourg Essen Duisburg Ankara: Urheberrechtsreform – EFRE & Regionalpolitik im Parlament und vor Ort – Kommunalwahlen Türkei – Creative Europe – Erasmus+

Der Wochenrückblick kommt diesmal – nach einer Woche mit vielen denkwürdigen Abstimmungen in Straßburg – ein wenig später, weil wir gehofft hatten, dass wir noch am Sonntagabend über den Ausgang der Kommunalwahlen in der Türkei berichten können. Doch weit gefehlt. Der Sieg der CHP in den großen Städten im Westen und der HDP im Südosten ist zwar greifbar, aber seit gestern kurz vor Mitternacht stockten die Nachrichten. Istanbul wurde mit unmissverständlichen Danke-Plakaten der AKP gepflastert, doch gegen 10 Uhr heute Morgen musste die Hohe Wahlkommission einräumen, dass der Kandidat der CHP vorn liegt… Die Plenumswoche mit Abstimmungen zur Urheberrechtsreform, zum EFRE-Fonds, zu Kultur und Bildung hatte es in sich. Doch Martina fuhr gleich am Donnerstag weiter zum Regionalverband Ruhr nach Essen und diskutierte zur Regionalpolitik, sowohl in einer Veranstaltung als auch am Freitag in Duisburg beim Besuch in Projekten und einem Spaziergang durch Duisburg-Hochfeld.

EU-Urheberrechtsreform verweigert die Ankunft im 21. Jahrhundert

Alle Abgeordneten von DIE LINKE. (Sabine Lösing und Gabi Zimmer nicht im Bild) haben die Artikel 13 und Artikel 11 sowie den gesamten text von Axel Voss abgelehnt. Foto: MATTEO ALETTA, GUE/NGL

Die finale Abstimmung der heiß umkämpften EU-Urheberrechtsrichtlinie endete mit 348 zu 274 Stimmen. Alle sieben Abgeordneten der LINKEN im Europaparlament beteiligten sich nicht nur am Samstag zuvor bei den großen Demonstrationen, sie stimmen auch gemeinsam – wie die meisten ihrer Fraktionskolleginnen und -Kollegen – gegen das Trilog-Ergebnis. Gern hätten wir auch einzeln zu den Artikeln der Richtlinie abgestimmt, doch dies wurden durch eine knappe Niederlage von 312 : 317 Stimmen gegen die Einzelabstimmung aller Änderungsanträge verloren, auch wenn später zehn Abgeordnete ihr Stimmverhalten korrigierten und als alles vorbei war, ihren demokratischen Geist entdeckten. Sie gaben nachträglich ein Votum für die Einzelabstimmung ab. Ärgerlich, aber diese Einzelkorrekturen ändern nicht das erste Abstimmungsergebnis. Die finale Zustimmung zur Reform kommentierte Martina Michels:

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„Eine Reform und vor allem auch eine Harmonisierung des europäischen Urheberrechts wäre nötig gewesen und hätten wir auch sehr begrüßt, denn wir sind uns einig, dass das Urheber- und Urheberinnenrecht an das 21. Jahrhundert angepasst werden muss. Doch es votierte eine Mehrheit des Plenums dafür, sich weiterhin im 20. Jahrhundert zu verstecken: Naive Technikgläubigkeit und härtester Lobbyismus von Springer & Co. haben dazu geführt, dass wir jetzt mit einer Richtlinie konfrontiert sind, die die Meinungsfreiheit bedroht, die Medienpluralität einschränkt und den meisten Kreativen keinen Cent mehr bringen wird…“ Die ganze Meldung ist hier zu finden.

In ihrer Rede im Plenum ging Martina insbesondere auf den Vorwurf ein, wir wollten keine Regulierung großer Plattformen. Doch dies ist kompletter Unsinn. Da gäbe es viel zu tun. Martina hat deshalb in ihrer kurzen Intervention im Plenum gleich drei Richtungen genannt, die man für eine Regulierung beschreiben sollte. Mitte April wird nochmals der Rat zum Ergebnis entscheiden und mit Spannung wird erwartet, wie sich Deutschland dann verhält.

EFRE – Fonds für die regionale Entwicklung mit neuer Ausrichtung

„Der EFRE ist und bleibt ein sinnvolles Mittel zur Entwicklung der Städte und des ländlichen Raumes und damit im sozialen Ausgleich der europäischen Regionen unersetzbar. Neu ist eine Fokussierung auf ein grüneres Europa. Auch das begrüßen wir, aber dabei geht es nicht um dekorative Kosmetik, sondern um einen ganz grundsätzlichen sozial-ökologischen Umbau. Das haben wir mit zentralen Änderungsanträgen untersetzt, die Folgendes klarstellen: Sozial-ökologisches Umdenken und Strukturwandel gibt es nicht zum Nulltarif.“,  so Martina in ihrer Rede in Schrift und mit Ton vor der Abstimmung.

Creative Europe soll verdoppelt und Erasmus+ verdreifacht werden

Am Donnerstag standen zwei weitere Abstimmungen in Straßburg an, die zuvor ausgiebig im Kulturausschuss diskutiert wurden. Es geht um zwei der bekanntestes Förderprogramme in Kultur und Bildung und deren Profilierung und Ausstattung für die Jahre 2021 – 2027. Während Erasmus+ für eine Verdreifachung des Budgets auf 45 Milliarden Euro vorgeschlagen ist und damit eine hohe Anerkennung und Aufwertung erfahren würde, ist das kleine feine Programm Creative Europe selbst mit einer vom Parlament geforderten Verdopplung auf 2,8 Milliarden Euro noch immer hoffnungslos unterfinanziert. Die Details und Knackpunkte hat Martina kurz hier (Erasmus+) und hier (Creative Europe) kommentiert.

Europäische Regionalpolitik in Essen und Duisburg

Am Donnerstagabend kam Martina in Essen an und stand bei einer Abendveranstaltung der linken Fraktion des Regionalverbandes Ruhr Rede und Antwort zur Zukunft der europäischen Regionalpolitik. Eine muntere Debatte ließ dann zu später Stunde auch den Brexit nicht aus und viele damit verbundene Fragen zur Zukunft der EU, die ganz klar auch überall vor Ort entschieden werden. Besonders deutlich wurde dies beim Stadtspaziergang am Freitagvormittag durch Duisburg. Martina traf sich dort mit Stadtplanungsprojekten und unserer Stadtfraktion in Duisburg. Gemeinsam mit der Fraktionsvorsitzenden, Martina Ammann-Hilberath, die auch schon in Essen mit diskutiert hatte, spazierten wir durch den Duisburger Stadtteil Hochfeld, in dem sich von maroden Schulen bis zum permanenten Wegzug von Menschen, die gute Arbeit gefunden haben, die Problemlagen stapeln. Und trotzdem musste Martina darauf bestehen, dass EU-geförderte Projekte nicht die ungenügende Bewältigung von kommunalen Pflichtaufgaben auffangen sollen, sondern hier die Landesregierungen in der Verantwortung stehen. Zum Abschluss waren wir im Rathaus Duisburg zu Gast bei unserem linken Bürgermeister Erkan Kocalar, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und waren mitten in ganz irdischen Debatten linker Politik, bei Bündnisfähigkeit und sinnvoller Vernetzung, in der eine europäisch dimensionierte Kommunalpolitik ganz selbstverständlich war. Wir werden an dieser Stelle in Kürze noch ausführlicher von unseren Begegungen in Essen und Duisburg berichten.

Kommunalwahlen in der Türkei

Martina Michels – Free Leyla Gueven

Still waiting… auf das amtliche Endergebnis der Kommunalwahlen in der Türkei. Warum plötzlich die Wahlberichterstattung kurz vor Mitternacht endete, ist eigentlich offensichtlich. Das Ergebnis gefällt dem Präsidenten überhaupt nicht. Vor Mitternacht war klar, dass auch Istanbul an die Oppositionspartei CHP gehen könnte und damit die Macht der Regierungspartei AKP auch in der 14 Millionen Metropole, in der Erdoğans politischer Aufstieg einst begann, im lokalen Handeln gebrochen ist. Als sich am Vormittag die Nachrichten verdichteten, fasste Martina erste Schlussfolgerungen in einer Pressemeldung zusammen. Bis zur Stunde wird weiterhin neu ausgezählt, auch selbst wenn Erdoğan in einer zweiten TV-Ansprache einen weiteren Kommentar zum Ergebnis in Istanbul vermied und nur noch auf den Gesamtwahlsieg jenseits der großen Städte verwies.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.