Martinas Woche 11 – 2019

FridayForFuture-Aktivistinnen in Strasbourg, 13.3.2019 | Foto: Nora Schüttpelz

Strasbourg – Berlin – Rheinsberg: Türkei – Brexit – Antiterror-Verordnung – Urheberrecht mit & ohne uploadfilter – fridayforFuture – Regionalfonds & Stadt

Die vorvorletzte Plenumswoche in Strasbourg brachte diverse Aufregung vor und hinter den Kulissen. Zum einen spürt man die Eile, Verordnungen, die noch vor den Europawahlen im Plenum behandelt werden sollen, flugs durch die Ausschüsse zu bringen. Darunter ist die Verordnung, mit der online terroristische Inhalte bekämpft werden sollen und was begegnet uns da im Art. 6: die umstrittenen Uploadfilter. Der Kulturausschuss verabschiedete am Montag Abend seine Stellungnahme dazu in einer Sondersitzung.

Die Plenumswoche war ansonsten u. a. mit handelspolitischen Themen gefüllt, zu denen am besten mein Kollege Helmut Scholz Auskunft gibt und debattierte viele außenpolitischen Positionen, z. B. zum Partnerschaftsabkommen mit Afghanistan, wozu Sabine Lösung Stellung bezog. Weiterhin wurde der EU-Türkeibericht verabschiedet, zu dem Martina auch in der Debatte am Dienstag Abend sprach.

Nach Strasbourg kamen in dieser Woche besonders viele junge Menschen ins Parlament: FridayforFuture-Aktivist*innen und schauten sich den Parlamentsbetrieb an. Martina war nach dem Plenum noch bei Veranstaltungen in Berlin und fuhr am Samstag zur Klausur der Berliner Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus nach Rheinsberg.

Kampf gegen online Terrorismus: Und wieder grüßt der Uploadfilter

Was bei der Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen im Netz der umstrittenen Art. 13 ist, taucht im rasant behandelten Verordnungsvorschlag der Kommission zum Kampf gegen online Terrorismus unter dem Art.6 wieder auf. Diesmal geht es nicht um eine Überwindung des Value Gaps für einen Teil der Kreativen im Netz, sondern um „Proaktive Maßnahmen“, die Plattformen vorweisen sollen, um dieser Verordnung zu genügen und, oh Wunder, sie enthalten auch automatische Mittel. Ob diese Uploadfilter terroristische Inhalte von einem journalistischen Bericht über Terrorismus unterscheiden können, darf erneut heftig bezweifelt werden. Nachdem der Verbraucherschutzausschuss sich in seiner Stellungnahme gegen den Art.6 entschieden hat, wie netzpolitik.org zusammenfasste, hat der Kulturausschuss einen ellenlangen Kompromiss entworfen, der die Widersprüche, dass hier Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werden darf, nicht ausräumt. Martina hat gegen den auf Art.6 bezogen Kompromiss und einige weitere Kompromisse gestimmt und sich in der Schlussabstimmung dann, durch die mehrheitliche Annahme einer Version des Art. 6 gegen die Stellungnahme entschieden, die mit 17:2:1 Stimmen angenommen wurde. Schade besonders, denn sie hätte der urprünglichen Stellungnahme der sozialdemokratischen Berichterstatterin Julie Ward gern zugestimmt, die noch bei der Vorstellung die Streichung von Art. 6 und 9 vorschlug. Die seltsame 1-Stunden-Frist für die  Löschanforderungen ist wenigstens verschwunden. Wir sind nun gespannt, wie diese Verordnung im Grundrechtsausschuss LIBE in der kommenden Woche diskutiert wird, vor allem ohne Zeit für die demokratische Debatte um die besten Lösungen. Im Kulturausschuss wurde überdies informiert, dass es einen Antrag – der aber nicht vorlag – gäbe, aus der Verordnung eine Richtlinie zu machen, was eine Behandlung bis Mai vermutlich unmöglich macht.      

Fraktionssitzung in Strasbourg mit Gästen, 11.3.2019 | Foto: Nora Schüttpelz

FridayForFuture im Europaparlament

Am Dienstag und Mittwoch waren viele junge Leute in Strasbourg, die neugierig waren, wie und ob ihre Proteste für eine Zukunft, die sich der ökologischen Frage wirklich stellt, aufgenommen werden. Sie waren bei der Fraktionssitzung der Grünen und der GUENGL zu Gast und kamen auch in kleineren Gruppen zu den Abgeordneten. „Greta Thunberg hatte einen Traum: Jugendliche aus aller Welt nehmen ihre Zukunft selbst in die Hand. Sie startete im Alter von 15 Jahren einen Schulstreik für Klimaschutz, um Politiker zum Zuhören zu zwingen. Eine Bewegung wurde geboren: Tausende Schüler*innen und Studierende gehen seit Dezember 2018 wöchentlich auf die Straße. ‚Schluss mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen‘, lautet ihre Botschaft. Und weiter: ‚Wir werden das Schicksal der Menschheit verändern, ob Sie es mögen oder nicht. Gemeinsam werden wir aufstehen, bis wir Klimagerechtigkeit sehen. Die Zeit zum Handeln ist JETZT.‘“ Nora Schüttpelz und Martina Michels berichten ausführlich von den Debatten in Strasbourg.

Brexitkekse im Pressezentrum in Brüssel, 2018 | FOTO: Konstanze Kriese


Brexit – Presseschau

Mittlerweile schauen viele die lebendigen doch zugleich nichts lösenden Unterhausdebatten, um zu erfahren, wie es nun mit dem Brexit weitergeht. Gibt es zweites Referendum, eine Verlängerung für den Eintritt einer no-deal-Version, was geschieht mit Britinnen und Briten, die in anderen EU-Ländern arbeiten und leben, was mit EU-Bürgerinnen und Bürgern in Großbritannien aus anderen Mitgliedsstaaten? Was wird aus dem Karl-Freitagsabkommen? Der „Chaos-Brexit“ macht die Runde und wird in der Presseschau umfassend kommentiert und hier ist der Wortlaut der Pressemeldung von Gabi Zimmer.

EU-Türkeibericht für das Jahr 2018

Wahltag in Diyarbakir 1.11.2015 | Foto: Konstanze Kriese

Die Türkei steht vor Kommunalwahlen am 31.3.2019, das aktuelle Wahlwerbe-Video der HDP wird nicht im Fernsehen gezeigt. Spitzen des Eisbergs, dessen Umfeld im sehr kritischen Bericht der Sozialdemokratin Kari Piri zusammengefasst sind. Martina Michels betont in ihrer Pressemeldung „Ich habe es befürwortet, dass das Parlament sich grundsätzlich für eine Aussetzung der Beitrittsverhandlungen statt für einen Abbruch entscheidet und deshalb dem Bericht zugestimmt – mit zwei Abstrichen, wie den Äußerungen zur NATO-Partnerschaft und der einseitigen Positionierung zur PKK, die ich so nicht teile.“ und verwies – auch in ihrer Rede am Dienstag Nachmittag – noch einmal gesondert auf die Lage der Frauen in der Türkei, die nicht nur 8. März mit Gewalt an Demonstrationen gehindert wurden, sondern als Aktivistinnen, Politikerinnen, Journalistinnen und Schriftstellerinnen besonders unsichtbar und mundtot gemacht werden sollen.

Uploadfilter: CDU/CSU überrascht mit einem Konzept der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie

Also erst werden wir in Strasbourg der EU-Urheberrechtsrichtlinie mit dem umstrittenen Artikel 13 zustimmen und dann werden wir ihn in Deutschland nicht umsetzen. Das ist die Kurzform eines neuen Vorschlags aus Kreisen von Netz- und Rechtspolitiker*innen der CDU/CSU (hier kommentiert und eingebunden durch Matthias Hauer auf twitter), um den Protesten gegen die uploadfilter zu begegnen und vielleicht auch dem Verlust manch einer Wähler*innenstimme. Einmal mehr stützt sich so ein Vorschlag auf die These, dass Uploadfilter nicht im Gesetzestext stehen, was wörtlich auch stimmt. Doch alles, was dann im Gesetzestext steht, nämlich wie Plattformen einer Haftung für Uploads ihrer Nutzerinnen und Nutzer, die das Urheberrecht sträflich – und nicht gedeckt von Ausnahmen – missachten, steht, verlangt letztlich Uploadfilter, denn niemand kann Nutzungsverträge mit allen Kreativen auf der ganzen Welt abschließen, zumal nur ein Teil von Rechteverwertern vertreten wird, aber längst nicht alle und es alle auch gar nicht wollen. Wenn aber Plattformen diverser Größen und Arten vorweisen müssen, dass sie a) „bestmögliche Anstrengungen unternommen haben, um eine Zulassung zu erhalten“, die b) „im Einklang mit den hohen Branchenstandards professioneller Sorgfalt“ (Übersetzung – K. K.) steht, dann verhält es sich in etwas so, dass dies ohne Uploadfilter geht, wie es sinngemäß Sascha Lobo beschrieben hat: Komm bitte in 8 Stunden von Frankfurt nach New York. Du musst aber nicht den Flieger benutzen. (zit. nach der sehr lesenswerten aktuellen „Rechtliche Analyse der Pro- und Contra Argumente zu Artikel 13 der geplanten EU Urheberrechtsnovelle  von Wilde, Beuger, Solmecke, S. 20, vom  16.3.2019. Der cc-lizensierte Text steht hier zum Lesen zur Verfügung.)

Demo 2012 zu ACTA, das schlussendlich vom Parlament abgelehnt wurde | Foto: Karim Khattab

Was bleibt noch zu sagen: Gehen wir am 23. März 2019 wieder friedlich demonstrieren – hier alle Demo-Orte in Deiner Nähe – gegen eine EU-Urheberrechtsreform, die ihren Harmonsierungsanspruch im digitalen Zeitalter nur sehr zweifelhaft erfüllt. Das beste Beispiel ist wohl hier die CDU/CSU selbst, die die Europäische Harmonisierung nun gar nicht mehr interessiert und den Artikel 13 dann doch irgendwie anders umsetzen will, plötzlich doch mit Pauschallizenzen und einer neuen Urheberrechtsschranke, alles Vorschläge, die es schon gab, die aber vom Berichterstatter Axel Voss nicht angenommen wurden. Damit zeigt die CDU/CSU selbst, dass hier nicht zu Ende diskutiert wurde, weshalb sich ihre Brüsseler Kolleginnen und Kollegen besser dazu schon im Europaparlament bekennen sollten. Und: Es gibt ja nicht nur den Art. 13, wir haben da noch viel mehr Debattenbedarf und gehen trotzdem mit Riesenschritten auf die Abstimmung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in der Woche vom 25. – 28.3. in Strasbourg zu. 

Europa in der Mitte Berlins

Berlin-Mitte – Europapolitik-Debatte mit Martina Michels, 14.3.2019 | Foto: Ulrich Lamberz

Martina diskutierte am Freitag Abend auf einer Veranstaltung in Berlins-Mitte mit vielen Genossinnen und Genossen zur aktuellen Europapolitik. Schwerpunkte waren dabei für sie die Beseitigung der Altersarmut, der Umweltschutz, der Kohle-Ausstieg, die Energiewende, die  Abschaffung der Aufrüstungsverpflichtungen. Und natürlich verwies sie auf die aktuelle SaveTheInternet-Bewegung mit ihren beinahe 5 Millionen Unterschriften und auf die Debatten um die Klimapolitik, die nun von der FridayforFuture-Bewegung auch erneut auf der Straße geführt geführt werden. Wir müssen berücksichtigen, so Martinas Auffassung, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine solidarische EU wollen. Und sie sagt ganz klar als linke Politikerin: Ein Nichtverhältnis zur EU können wir uns nicht erlauben und brachte damit auch Bündnisoptionen in die Debatte.

Klausur in Rheinsberg – Debatte um ein Europäisches Berlin

Berliner Fraktionsklausur in Rheinsberg | Foto: Linksfraktion Berlin

Stadtpolitik mit einem europäischen Blick gab es am Samstag auf einer Klausur der linken Fraktion aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, die sich dafür ins schöne Rheinsberg zurückzog. Dabei ging es um die Europäische Struktur- und Förderpolitik, ums Wohnen, um das wachsende Netzwerk der solidarischen Städte, das europaweit den Problemstau bei der Asylpolitik, bei der Integration und vielen anderen Fragen, die am Ende den Alltag der Städte und Gemeinden berühren, in Angriff nimmt. Martina war auch zur Klausur gefahren, nicht nur weil sie Berlinerin ist, sondern weil sie in Brüssel im Regionalausschuss für eine solidarische Angleichung europäischer Regionen kämpft und hier natürlich auch den Austausch mit den Berliner Politikerinnen und Politikern regelmäßig nutzt.

Fishbowlergebnisse in einer Graphik der Linksfraktion Berlin

Die Schwerpunkte der Frühjahrsklausur der linken Abgeordnetenhausfraktion aus Berlin wurde u. a. mit Positionen unter dem Titel „Metropolen-Netzwerk für ein soziales und demokratisches Europa“ vorbereitet. Der Kultur- und Europasenator Klaus Lederer eröffnete die Klausur entsprechend und in den unterschiedlichen Diskussionsformen des Tages, in Podien und einer Fishbowl-Runde wurde die Netzwerkarbeit Europäischer Städte plastisch. Beeindruckend war, wie aus nahezu allen Fachgebieten der Fraktion Überlegungen geäußert wurden, mit denen die Notwendigkeit europäischen Handelns in Berlin erkennbar wurde. So wies Martina in der Diskussion auf breite Basisbewegungen hin, die von Schüler*innen, Frauen oder Netzwerkaktivist*innen getragen wird.
Eine weitere Diskussionsrunde beschäftige sich mit der „Zukunft eines transnationalen Europas – ein Europa der Regionen?“. Ausgangspunkt war die aktuelle Situation des Brexit. Martina wies darauf hin, dass noch zu viel Unwissenheit hinsichtlich der Ursachen des Brexit besteht. Im Zusammenhang mit den Entscheidungen des Europaparlaments erwähnte sie auch die Einbindung der linken GUE/NGL-Fraktion in die laufenden Verhandlungen. In Bezug auf Förderprojekte gab es großes Lob an die Stadt Berlin: im Unterschied zu früheren Jahren wurde erstmalig alle zur Verfügung stehenden Mittel zu 100 % ausgegeben. 

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.