Martinas Woche 11 – 2018

Strasbourg – Berlin: EU Haushalt – Afrin, der ISG und Rüstungsexporte – Gregor Gysi in der GUENGL – Europapolitische Sprecher*innen – Equal Pay Day

Es scheint dröge und kleinteilig: die Debatten um den EU-Haushalt nach 2020. Doch das ist politisch hochexplosiv, denn es geht um nicht weniger als um eine demokratische Legitimierung einer Finanzordnung in der EU, die sozialen Ausgleich schafft und nicht vom „Veto“ der Mitgliedsstaaten ständig diktiert wird. Die Zukunft Europas war auch in anderen Begegnungen der Woche in Strasbourg und Berlin das Top-Thema und letztlich ist die Europäische Union nicht im luftleeren Raum, so dass weder ihre Mitgliedstaaten, noch die Kommission und das Parlament zum völkerrechtswidrigen Krieg in Syrien, den die Türkei führt, schweigen können. Zwei Jahre nach der Mittteilung des Rates zum EU-Türkei-Deal haben sich neben der inhumanen Flüchtlingsabwehr vor den Augen der Weltöffentlichkeit weitere humanitäre Katastrophen in Syrien, sowohl in Ost-Ghouta, als auch in Afrin entwickeln. Es ist Zeit, die völkerrechtswidrigen Militäraktionen in Den Haag anzuklagen.

EU-Haushalt 2020 – 2027 – eine Frage zur Zukunft der EU

Martina Michels sprach am Dienstag in der Plenardebatte zu mehrjährigen Finanzplan nach 2020: „Es ist eine Frage, wie man eine Brexit-Haushaltslücke ausgleichen kann, aber im Kern geht es doch um die Frage: Wie soll die Zukunft der Europäischen Union aussehen? Wird es ein solidarisches Europa, bei dem die Angleichung der Lebensverhältnisse oberste Priorität hat? Übersetzen wir das in die Debatte um den finanziellen Rahmen, muss vor allem das vorhandene konkrete solidarische Instrument, die Kohäsionspolitik, gestärkt werden.“ Und letztlich sind alle Fragen so grundsätzlich, den eine Währungsunion braucht einen ernsthaften, demokratisch legitimierten Finanzrahmen genau wie eine Sozialunion und genau das fehlt und ist in der derzeitigen Konstruktion der EU gar nicht vorgesehen. Seit der Wirtschaftskrise bestimmen die Mitgliedsländer, die starken, wie Deutschland und Frankreich zumal und der Rechtspopulismus wächst unaufhörlich, auch weil wesentliche Antworten für eine solidarische Gesellschaft auf der EU-Ebene genauso ausbleiben wie in den Nationalstaaten. Martina Rede, direkt in der Debatte zum Mehrjährigen Finanzrahmen, mahnt die Dimension der Debatte an. Ausführlicher noch wird die Haushaltsdebatte in diesem Artikel unter dem Titel: „Was soll die Europäische Union machen und was soll sie sein?“ von Martina Michels und Nora Schüttpelz eingeordnet.

Afrin – Türkischer Angriff völkerrechtswidrig

Nicht nur die jüngsten Äußerungen Erdogans, in Afrin nicht nur einzumarschieren, sondern auch bleiben zu wollen, um dort nach der Verdrängung und Vernichtung der kurdischen und jesidischen Bewohnerinnen syrische Flüchtlinge aus der Türkei „rückzusiedeln“ macht einen wütend und ruft deutlich nach einem Einschreiten der Völkergemeinschaft, die allerdings nach dem angemahnten Waffenstillstand der UN völlig ausbleibt. Nun hat auch ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages eine dringende juristische Prüfung des widerrechtlichen Einmarsches der Türkischen Armee in Nordsyrien angemahnt. Die behauptete Selbstverteidigung, die die Türkei nach Art. 51 bei den UN angezeigt hatte, steht auf mehr als tönernen Füssen. Zugleich sind in inzwischen Hunderttausende auf der Flucht, aus einer Region, die bisher eher Flüchtlinge aus Aleppo und anderen Landesteilen aufgenommen hatte. Zum Gutachten und einem Pressestatement von Martina Michels, die auch im Europaausschuss des Bundestags mitarbeitet, geht es hier.

Mit dem Gutachten im Rücken hat sich die Deutsche Bundesregierung inzwischen ganz klar auch für ihre Beteiligung in Afrin zu verantworten, denn anders als es Gabriel noch zum Zeitpunkt der Freilassung von Denis Yücel gesagt hat, ist nun inzwischen bekannt geworden, dass die Waffenexporte an die Türkei auch seit Ende Januar in Millionenhöhe weitergegangen sind.

Gregor Gysi besuchte die GUENGL-Fraktion

Gregor Gysi und Gabi Zimmer, Fraktionssittzung, 13.3.2018 | Foto: Martina Michels

Mitten im Plenumsbetrieb konnten die Mitglieder der linken Fraktion im Europäischen Parlament in der vergangenen Woche den Präsidenten der Europäischen Linken, Gregor Gysi, begrüßen. Die Partei der Europäischen Linken stellt sich auf die Europawahlen 2019 ein, weshalb ein Blick in den europäischen Parlamentsbetrieb durchaus angezeigt ist. Der Debatten vom Brexit bis zu den Plänen einer wachsende Aufrüstung der EU im Rahmen von PESCO gibt es genug zu führen und zugleich wird von der Linken erwartet, dass sie Positionen zur Zukunft der EU bezieht, die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen und kritisch begleiten können. Entsprechend konstruktiv und energiegeladen stellte sich Gregor Gysi in der Fraktion vor und ganz klar, das war nur ein Anfang für weitere Besuche in Brüssel und Strasbourg. In den Gesprächen spielte natürlich auch die Einschätzung der nun arbeitsbereiten neuen Bundesregierung in Deutschland eine Rolle, immerhin wartete da nicht nur Macron seit Wochen auf Antworten. Die Pressekonferenz von Gregor Gysi und Gabi Zimmer ist hier abrufbar.

Berlin: Treffen der Europapolitische Sprecherinnen und Sprecher

Europapolitische Sprecher*innen in Berlin, 16.3.2018 | Foto: Ulrich Lamberz

Aus Landtagen, der Bundestagsfraktion, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Brüssel kamen erneut die Europapolitischen Sprecherinnen und Sprecher zusammen, um dieses mal u. a. mit Harald Wolf zur thematischen Verbindung der Europawahlen und der Kommunalwahlen 2018 zu beraten und da ist u. a. ein Blick auf Kohäsionspolitik nie verkehrt. Doch die Beträge sind letztlich, genau wie beim mehrjährigen Finanzplan größer. Es geht um EU-Politik nach 2019 im Ganzen, um greifbare Projekte, die mehr soziale Sicherheit bringen und damit aber auch um ernsthafte Schritte, die demokratische Legitimation der Europapolitik wieder zu ermöglichen.

Ein Wort zum Sonntag: Equal Pay Day, Jens Spahn und Frauenrechte

Heute ist Equal Pay Day: Einen guten Sonntag, vor allem allen Frauen, die bis heute über den 1. Januar hinaus beruflich gearbeitet haben, um endlich so viel Geld zu verdienen, wie Männer für dieselbe Arbeit schon bis zum 31.12.2017 bekommen haben. Es wird Zeit, dass der Gender Pay Gap der Vergangenheit angehört. Es wird auch Zeit, dass die bezahlte und die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt wird, dann wäre der Pflegeberuf sicher ganz schnell viel besser bezahlt.

Doch die Zeichen der neuen Bundesregierung scheinen frauenpolitisch in ganz andere Richtungen zu laufen. Die SPD zieht plötzlich ihren Antrag zurück, den Mittelalterparagraphen 219a abzuschaffen. Information zu Schwangerschaftsabbrüchen werden demnach weiterhin gegebenenfalls strafverfolgt. Doch damit nicht genug. Der neue Medienlautsprecher und Gesundheitsminister Spahn macht sich nicht zur zu HartzIV seine unqualifizierten Gedanken, jetzt gibt er auch noch den Lebensschützer und verurteilt Frauen, die vor der schweren Entscheidung eines Schwangerschaftsabbruches stehen. Es geht bei dieser schweren Entscheidung zuerst um Straffreiheit und freiwillige Beratung, statt Zwang, Druck und Verfolgung. Grad ist der 8. März vorbei, schon ist wieder Frauenkampf-Alltag.

Schönen Sonntag allseits.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.