Martinas Woche 10 – 2022: 

Straßburg Europaparlament | Foto: Nora Schüttpelz

Martina Michels, Konstanze Kriese

Europaparlament trifft sich in Straßburg

Flucht und Regionalpolitik – Medien und Krieg – Kulturerbe im Krieg um Bergkarabach – Unterstützung und Spenden

„Straßburg lag im Sonnenschein…“ geht einem dieser Tage nicht so leicht von den Lippen, obwohl es in der vergangenen Woche der frühlingshaften Wahrheit entsprach. Das März-Plenum des Europaparlaments war natürlich auch unabhängig von der Themenvielfalt der Woche vom Krieg in der Ukraine geprägt. Dieser abscheuliche Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine durchzog die Debatten um Energie- und Handelspolitik genauso wie die Diskussion und Verabschiedung von Fonds für Kommunen, die insbesondere den Flüchtenden aus der Ukraine zu Gute kommen sollen, obwohl unsere Fraktion permanent darauf hinweist, dass es keine Menschen auf der Flucht gibt, die man dann auch noch nach Pässen einteilen kann. Am Dienstagvormittag wurden ausländische Einflüsse in demokratische Strukturen in der EU diskutiert und am Mittwoch ging es dann auch um die Rolle der EU in der Welt, um deren Sicherheitspolitik. Ein schwieriges Thema in einer aufgeheizten und sehr unklaren Sicherheitslage mit einer unübersehbaren „Rückkehr“ zu heißen Kriegen. Einem Krieg diesmal in einer fühlbaren Nachbarschaft, in der Russland die Ukraine überfällt, das Kriegsszenario selbst jedoch wie ein neuartiger Ost-West-Konflikt, ein Kampf zwischen Freiheit und Diktatur erzählt wird. Und jeder und jedem wird klar, egal ob er diesen Erzählungen folgt oder nicht, dass ein derartiger Angriffskrieg auch ein Angriff auf die ohnehin fragile globale Sicherheitsarchitektur ist, die sich nach 1945 mit der UN und nach 1989 mit der OSZE für Europa nie wirklich stabilisiert hat. Offen ist für uns alle, wie wir die Zeichen wieder auf einen Entspannungskurs bringen, statt auf eine neue Spirale der Abschreckung und Aufrüstung zu setzen, die sowohl von vielen Mitgliedsstaaten als auch von der EU insgesamt jetzt sehr deutlich losgetreten wird. Dieser Kurs wird weder kurz- noch langfristig mehr Sicherheit versprechen, er wird höchsten die Kriegslogik stärker in unseren Alltag bringen. Doch dieser Tage ist der Ruf nach Rüstungskontrolle und Abrüstung eher ein leises Stimmchen, dem wir wieder Kraft verleihen müssen, ohne uns dahinter zu verstecken und zu Sanktionen und dem Recht auf Verteidigung zu schweigen und am Ende keine erkennbare Haltung zu erarbeiten. 

Umsetzung der Kohäsionspolitik 2021-2027 – mit besonderen Hilfen für Kommunen, die Menschen auf der Flucht integrieren werden

Screenshot: Martina Michels in der Debatte am 7. März 2022

Angesichts der aktuellen Entwicklungen des Krieges in der Ukraine, die dazu führen, dass jetzt schon 1,7 Millionen Menschen auf der Flucht sind, und es mit der Ausweitung der Kampfhandlungen auf den Westen der Ukraine täglich mehr werden, hatte die Kommissarin Elisa Ferreira in der vergangenen Woche angeregt, Kommunen und Regionen bei ihren Hilfsmaßnahmen für Flüchtende zu unterstützen. Um EU-Regionalfördermittel unbürokratisch umzuwidmen, wurden bereits mit der Corona-Krise Möglichkeiten geschaffen, deren Effekt vor allem darin besteht, dass Projekte in den Kommunen zu 100 % finanziert werden und Kommunen nicht daran scheitern, dass ihnen das notwendige „Kleingeld“ zur Ko-Finanzierung fehlt. Martina sprach dazu in der Plenardebatte gleich zum Auftakt am Montagabend, indem sie die Möglichkeiten der Umwidmung begrüßte und die Unterstützung als Teil einer aktiven Friedenspolitik verstanden wissen wollte. Zugleich steht dies nicht im Widerspruch zu den langfristigen Förderschwerpunkten, in denen es u. a. um die Ablösung unserer Lebensadern von fossilen Brennstoffen geht. Nun kommt es darauf an, aktuelle Hilfe und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden.

„Die Wahrheit stirbt im Krieg zu zuerst“ – Medien, Parteinahme, Berichterstattung im Krieg

Flaggen der Ukraine und der EU vor dem Parlamentsgebäude in Strasbourg | Foto: H. Scholz

Der seit 19 Tagen tobende Krieg in der Ukraine ist natürlich auch ein Krieg der Bilder, der Erzählungen in sozialen Netzwerken, ein Medienkrieg, der Politikerinnen und Politiker, die sich selbst täglich sachkundig informieren müssen, vor genau dieselben Probleme stellt, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger, die das Radio einschalten, Podcasts verfolgen und Artikel aller Art lesen, um zu verstehen, was gerade passiert.  Wenn Putins jüngste Mediengesetze dazu führen, dass man einen Krieg nicht mehr Krieg nennen kann, ohne zu riskieren 15 Jahre im Gefängnis zu schmoren, dann gibt es für Sender wie die ARD, das ZDF oder die BBC Fürsorgepflichten für ihre Kolleginnen und Kollegen vor Ort und dann ist eine Entscheidung, nicht mehr aus Moskau zu berichten, nachvollziehbar, obwohl damit unweigerlich Informationslücken entstehen. Überdies trifft diese Situation viele russische Journalistinnen und Journalisten, die noch immer den Versuch einer objektiven und regierungskritischen Berichterstattung unternehmen, doppelt. Auch sie verlassen das Land, zum Teil Richtung Armenien, Georgien, dahin, wo sie glauben, schnell einer Weiterarbeit aufrechterhalten können, mit eigenen Informationskanälen, einem hohen Quellenschutz und trotz alles in allem schwierigen Arbeitsbedingungen. Martina positionierte sich nach der zum Teil unsäglichen Debatte am Dienstagvormittag für die umfassende Unterstützung der Medienfreiheit (Debatte um „ausländische Einflüsse in demokratische Prozesse“, die jedoch eine gute Resolution zur Abstimmung vorlegte). Man kann ja einerseits beklagen, dass Medienfreiheit schwer in Gefahr ist, in diesem Fall nicht nur in Russland, doch dann muss man auch wirklich etwas dafür tun, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeit ohne Angst und mit ausreichenden Ressourcen tun können und auch Medienfreiheit-Initiativen nachhaltig Unterstützung bekommen und nicht von Projekt zu Projekt um ihre Förderungen bangen müssen.Der seit 19 Tagen tobende Krieg in der Ukraine ist natürlich auch ein Krieg der Bilder, der Erzählungen in sozialen Netzwerken, ein Medienkrieg, der Politikerinnen und Politiker, die sich selbst täglich sachkundig informieren müssen, vor genau dieselben Probleme stellt, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger, die das Radio einschalten, Podcasts verfolgen und Artikel aller Art lesen, um zu verstehen, was gerade passiert.  Wenn Putins jüngste Mediengesetze dazu führen, dass man einen Krieg nicht mehr Krieg nennen kann, ohne zu riskieren 15 Jahre im Gefängnis zu schmoren, dann gibt es für Sender wie die ARD, das ZDF oder die BBC Fürsorgepflichten für ihre Kolleginnen und Kollegen vor Ort und dann ist eine Entscheidung, nicht mehr aus Moskau zu berichten, nachvollziehbar, obwohl damit unweigerlich Informationslücken entstehen. Überdies trifft diese Situation viele russische Journalistinnen und Journalisten, die noch immer den Versuch einer objektiven und regierungskritischen Berichterstattung unternehmen, doppelt. Auch sie verlassen das Land, zum Teil Richtung Armenien, Georgien, dahin, wo sie glauben, schnell einer Weiterarbeit aufrechterhalten können, mit eigenen Informationskanälen, einem hohen Quellenschutz und trotz alles in allem schwierigen Arbeitsbedingungen. Martina positionierte sich nach der zum Teil unsäglichen Debatte am Dienstagvormittag für die umfassende Unterstützung der Medienfreiheit (Debatte um „ausländische Einflüsse in demokratische Prozesse“, die jedoch eine gute Resolution zur Abstimmung vorlegte). Man kann ja einerseits beklagen, dass Medienfreiheit schwer in Gefahr ist, in diesem Fall nicht nur in Russland, doch dann muss man auch wirklich etwas dafür tun, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeit ohne Angst und mit ausreichenden Ressourcen tun können und auch Medienfreiheit-Initiativen nachhaltig Unterstützung bekommen und nicht von Projekt zu Projekt um ihre Förderungen bangen müssen.

„Ethnische Homogenität ist eine Fiktion von Rassisten“ – Rede in der Plenardebatte um die Zerstörung von Kulturerbe im Krieg

Martina Michels in der Aussprache im Europaparlament, 10. März 2022 | Screenshot: Nora Schüttpelz

In einer Plenardebatte am Donnerstagvormittag kamen die anhaltenden Zerstörungen des Kulturerbes in und um Bergkarabach zur Sprache. In der gemeinsamen Resolution des Europaparlaments, die am selben Tag verabschiedet wurde, wurde ein Zugang internationaler Expert:innen gefordert, damit die Kulturgüter, insbesondere Kirchen, Klöster und Grabsteine, die einerseits Armenierinnen und Armeniern viel bedeuten, andererseits auch Teil des Weltkulturerbes sind, in ihrem derzeitigen Zustand kartografiert werden können und dieser Teil von Kriegsverbrechen lückenlos aufgedeckt wird. Zugleich wurde an die Adresse offizieller Institutionen Aserbaidschans deutlich formuliert, dass systematische Geschichtsfälschungen von der Weltöffentlichkeit nicht hingenommen werden.  Martina sprach in der Debatte und klärte in der Kürze der Redezeit, dass es keine homogenen ethnischen Gesellschaften gibt, auch wenn Nationalist:innen und Rassist:innen dies immer wieder Glauben machen wollen.

Krieg in der Ukraine jenseits des Plenarsaals

Es war beinahe egal, welches Thema in dieser Woche in Straßburg verhandelt wurde, natürlich spielte der Krieg in der Ukraine oft eine Rolle und tangierte auch die Sicht auf die langfristig geplanten Aussprachen, ob zum Anstieg der Gaspreise oder einer schleppenden nachhaltigen Energiepolitik. Doch unseren Abgeordneten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht es wie vielen anderen: Wo können wir praktisch helfen und unterstützen, wo spenden und mitorganisieren, damit Hilfe bei den Menschen auf der Flucht, bei Journalistinnen und Journalisten, bei Menschen, die dringend medizinische Versorgung benötigen, aber auch Zuspruch und das Gefühl, sie sind nicht allein auf der Welt, ohnmächtig und ohne Schutz, auch ankommen. Unsere Delegation hat bisher 5.950 Euro gespendet und auch praktisch unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen, ob in Brüssel, Berlin, in Leipzig oder in NRW, in Brandenburg und Thüringen, Initiativen vor Ort, die die Ankunft der Flüchtenden wieder zivilgesellschaftlich in die Hände genommen haben, ob mit oder ohne Unterstützung der Kommunen, der Länder oder aus EU-Mitteln.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.