Martinas Woche 10-2019

Frauenkampftag 8. März 2019. FOTO: CLAUDIA BEHNKE

Brüssel – Berlin – Paris – Magdeburg: Frauenkampftag – Klima – FridaysforFuture – Digitalsteuer – Macrons Europa – Proteste gegen die EU-Copyrightreform vor der Abstimmung

In wenigen Wochen sind Europawahlen und mittlerweile werden Zukunftsthemen intensiv auf den Straßen diskutiert. Einerseits tagen Umweltminister*innen der Mitgliedstaaten, um Konzepte einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 auszudiskutieren, andererseits gehen jeden Freitag Schülerinnen und Schüler für ihre Zukunft auf die Straße, die ohne Lösungen des ökologischen Problemstaus ziemlich düster aussieht. Frauen waren am 8. März weltweit zum Frauen*streik unterwegs.

Macron hat einmal mehr seine Zukunftvorstellungen zu einem gewissen „EuropaFirst“ in die öffentliche Debatte geworfen. Immerhin punktet er mit einer Einführung einer Digitalsteuer in Frankreich, so lange die EU dies auf die lange Bank schiebt.

Und last but not least: Zu Wochenbeginn entwickelte sich die Abstimmung über die EU-Urheberrechts-Richtlinie zu einem Krimi. Die EVP-Fraktion beantragte eine vorzeitige Abstimmung in der kommenden Plenumswoche, um die – europaweit für den 23. März anberaumten – Demonstrationen für Grundrechte im Netz, auszubremsen. Durch viele Spontandemonstrationen und klare Ansagen anderer EP-Fraktionen, einen derart durchsichtigen Aktionismus nicht mitzutragen, ruderte Manfred Weber dann wieder zurück und erklärte im Bericht aus Berlin, dass die Abstimmung wie geplant in der Plenumswoche vom  25.3. – 28.3. („März II“) stattfinden wird. Was in der kommenden Plenumswoche u. a. auf dem Programm steht, findet ihr hier.

8. März – Internationaler Frauen*kampftag

Martina war in dieser Woche auch mehr auf der Straße als am Schreibtisch oder in Meetings. Sie hat den Frauen*kampftag mit einer klassischen Aktion begonnen: Blumen für Frauen. Dies ist allein ein heiß umkämpfter Akt, seit Banksys geremixtes Blumenwurfbild auch innerhalb der Frauenbewegungen weltweit zum Einsatz kommt, denn es wurde nicht ohne Grund der Frauenstreik in diesem Jahr in den Mittelpunkt des Internationalen Frauentages gestellt. Mit einer Anerkennungsgeste allein sind die vielen Defizite bei der Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen nicht aufgewogen. Das ist schon klar. Überdies kämpfen Frauen nicht nur gegen die Diskriminierung in der Erwerbsarbeit, gegen Sexismus und häusliche Gewalt. Sie stehen auch in Mitteleuropa inmitten eines reaktionären Gegenwinds, wenn es gegen Reproduktionsrechte und sexuelle Selbstbestimmung geht. Die erbärmliche Entscheidung zum §219a, dem Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche und der Mitentscheidung der SPD für diesen üblen Kompromiss, spricht hier Bände. Dass nun Gesundheitsminister Spahn, statt fünf Millionen Euro für die Frauengesundheit auszugeben, fünf Millionen für die Bevormundung von Frauen ausgeben will, die eine schwere Entscheidung in einer Konfliktsituation treffen müssen, statt sie in ihrer Selbständigkeit anzuerkennen und zu stärken, ist unfassbar.

Da halten wir es einmal mehr mit der Spiegelkolumnistin Margarete Stokowski, die am 8. März twitterte: „…ich mache jeden Tag Frauentag, und für heute wär ich heute völlig zufrieden mit paar Blumen und Rücktritt von Jens Spahn.“

Und andererseits dokumentieren wir mit größter Freude, den Auftritt unserer Berlinerin Ines Schmidt im Berliner Abgeordnetenhaus, die mit ihrem Kampfgeist ins Herz und in Hirn trifft. 

EU-Klimastrategie, die FridaysforFuture-Kids und Greta Thunberg, die schwedische Frau des Jahres

Cornelia Ernst. FOTO: EUROPEAN UNION 2013

„Ich begrüße, dass sich die Umweltminister und -Ministerinnen der Mitgliedstaaten beim gestrigen Ratstreffen positiv zur EU-Langfriststrategie geäußert haben. Immerhin erkennen sie damit an, dass wir einen tiefgreifenden Umbau unserer Wirtschaft in den Bereichen Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Forschung brauchen, um eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 zu verwirklichen. Dennoch müssen die Ziele in der Langfriststrategie wesentlich ambitionierter ausfallen, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen…“ eröffnete Cornelia Ernst ihren Kommentar zum Gipfeltreffen und kritisiert, dass der Kohleausstieg u.v.m. wenig ambitioniert angepackt und weiterhin der Nutzung von Atomenergie gehuldigt wird. Dies ist angesichts des 8. Jahrestages des Nuklearunfalls in Fukushima fahrlässig und politisch irrsinnig. Hoffnungsvoll hingegen ist die FridayForFuture-Bewegung und die Tatsache, dass Schweden die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg zur Frau des Jahres ernannt hat. 

Digitalsteuer – Frankreichs Vorstoß

Martin Schirdewan. FOTO: SVEN SERKIS

Wir fordern schon lange eine Digitalsteuer auf europäischer Ebene und nun geht Frankreich voran und fordert damit auch den blockierenden Deutschen Finanzminister heraus: „Hier können Scholz und Co. zeigen, dass sie es mit der Gerechtigkeit ernst meinen. In einem zweiten Schritt könnte Scholz dann auch gleich noch seine unsägliche Blockade gegen die länderspezifische Berichterstattung aufgeben. Denn auch damit stellt er Konzerninteressen über jene der Bevölkerung“, sagt unser finanzpolitischer Sprecher der linken Delegation in Brüssel, Martin Schirdewan.

Macrons Europa

In einem Interview mit der taz wurde Martin Schirdewan nach Macrons Zukunftsplänen für Europa befragt und antwortete sehr differenziert, begrüsst das Wachrütteln der Bundesregierung, Digitalsteuern und den Kampf gegen Rechts, sagt zugleich klar und deutlich: „Ich finde, dass Macrons Forderungen nach einer weiteren Aufrüstung der europäischen Union und die Verschärfung der Abschottungspolitik falsch sind.“ Und weil Martin Schirdewan zugleich feststellt, dass Macron hier seine Sorbonne-Rede leicht renoviert erneut präsentierte, verweisen wir hier noch einmal auf unsere Publikation:  „EU erneuern? Was wollen Macron, Merkel, die EU-Institutionen – eine Auseinandersetzung von links“, die im Büro Michels 2018 entstanden ist.

Gegen Uploadfilter & die derzeitige EU-Copyrightreform: auf den Straßen und im Netz

Eine gehörige Portion Feigheit vorm demokratischen Argument erfasste Anfang der Woche die EVP-Fraktion im Europaparlament, denn sie beantragte nach den aufflammenden Protesten gegen die Urheberrechts-Reform und die Ankündigung von europaweiten Demonstrationen gegen Art. 13 und Art.11 für den 23. März 2019, eine Vorverlegung der Abstimmung in die kommende Woche. Das führte wiederum zu vielen kleineren spontanen Demonstrationen gegen die verbindlichen Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht für Presseverlage in der vergangenen Woche und siehe da: Manfred Weber, der Fraktionsvorsitzende der EVP und interessierter Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten, ruderte im Bericht aus Berlin zurück und verkündete, dass es doch keine Vorverlegung der Abstimmung geben wird. Die Beantragung war allerdings amtlich, der Versuch war da, das Demokratierverständnis der Befürworter des Grundrechte gefährdenden Artikel 13 für jede und jeden sichtbar. Martina Michels hatte gleich zwei Interviews zum Thema gegeben: einmal knackig und kurz für das Meinungsbarometer und einmal ausführlich für den EUropa-blog/Freitag.

Und immer neue Facetten erreichen die Demonstrationen und Debatten. Einmal gab es auf twitter eine kurze, amüsante Geschichte des Leistungsschutzrechtes von Ásta Helgadóttir,ehemaliges Mitglied des Isländischen Parlaments, aus dem ersichtlich wurde, dass schon 1850 versucht wurde, selbiges einzuführen, weil gerade die alten Geschäftsmodelle der Verleger ins Wanken kamen… Hier geht es zu diesem erhellenden 26-teiligen Kettentweet (ENG).

Zum anderen ist bei Artikel 13 noch völlig unklar, wie mit CC-Lizenzen und Extra-Schullizenzen für kostenlose Lernangebote unter einem Modus der verpflichtenden Filterung umgegangen wird und wie auf diese Weise viele kleine feine semi-professionelle Angebote überleben können. Hier ist ein Beispiel für die vielen ungelösten Fragen, die mit dem einfachen Ruf, „ja, dann müssen die Plattformen eben für alles Lizenzen erwerben“, nicht lösbar sind. Längst haben sich Kommunikationsformen herausgebildet, gerade im Creative Commons-Bereich, die eben nicht mit dem Berufskünstler, der Popsängerin identisch sind, die die Lizenzen für ihr Bild oder ihren Song via Verwertungsgesellschaften gegenüber den Plattformen verkaufen und darüber ihr Einkommen generieren. Dieses einfache Verwertungsmodell trifft eben nur einen Teil der im Netz auffindbaren Angebote, die Gegenstand von Kommunikation und gegenseitiger und vernetzter Nutzung sind. Die im Eigenverlag arbeitenden Autorinnen und Autoren – die sogenannten selbstpublisher – warnen daher, ebenso wie die Zentralstelle für Unterrichtsmedien im Internet (ZUM) vor der Einführung des Artikel 13.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.