Studientage der GUENGL-Fraktion in Carrickmacross in Irland

Foto: Peter Cichorius

von Martina Michels

In dieser Woche trafen sich viele Mitglieder und Beschäftigte unserer Fraktion im Europäischen Parlament in Carrickmacross, einem kleinen Ort in der Nähe zu Nordirland, der einstmals das Castle des Earl of Essex beherbergt haben soll. Abgeordnete aus dem Gastgeberland von Sinn Féin, Martina Anderson, Liadh Ni Riada und Matt Carthy sowie Luke Ming Flanagan, ein unabhängiger Abgeordneter luden den Parteivorsitzenden von Sinn Féin, Declan Kearney, John Douglas, den Vorsitzenden des Irischen Gewerkschaftskongresses, sowie unabhängige Wissenschaftler und Journalistinnen ein.

Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten sie die politische Zielstellung der Wiedervereinigung Irlands, die Geschichte des Nordirlandkonflikts, die Sicht auf die EU und die Gewährung von Menschenrechten. Und so ging es einmal mehr um die schwierige Melange, zum einen von historisch durchaus imperialen Gebilden, wie Großbritannien unabhängig sein zu wollen, was aus der Geschichte des Nordirlandkonflikts mehr als nachvollziehbar wird, doch dabei nicht unbedingt das Kind mit dem Bade auszuschütten. Deshalb wurde auch die Frage: „Wie hältst Du es mit der EU?“ ausgiebig erörtert. Interessant waren dann Argumentationen, dass eine Art Brexit, jegliches oft rein finanz- und wirtschaftspolitisch angedachte Austreten aus der EU, eine große Lücke hinterlassen würde. Würde man vollständig aus der EU austreten, auch im Verständnis des Mitgliedstaates, so würde plötzlich eine Human Rights Akte fehlen, die derzeit durch die Verträge der EU abgedeckt wird. Solch einen Zustand der Rechtlosigkeit, der in der Geschichte Sinn Féins oft genug aus politischen Gefangenen Kriminelle gemacht hatte, möchten Mitglieder von Sinn Féin nicht wieder haben und ihnen ist daher der Verbleib in einer EU, die natürlich dringend reformbedürftig ist, zu wertvoll, um sie für eine „halbe“ Unabhängigkeit und Wiedervereinigung auf’s Spiel zu setzen.

Am Dienstag Abend fuhren dann Mitglieder und Mitarbeiter der Fraktion und der Abgeordneten quer durch die Grenzgebiete. Dabei wurden wir von ehemaligen Häftlingen geführt, die zur Geschichte Irlands, der IRA, der Entstehung von Sinn Féin und zur derzeitigen Lage, Geschichten und Geschichte erzählten, die heute vom Kasernenumbau zu Wohnzwecken und von der Wiederbelebung der lokalen Wirtschaft gekennzeichnet sind ohne dass die politischen Widerstreite beigelegt sind. Aus der Zeit der harten militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem britischen Militär und der IRA, als kein Ansatz des Friedensprozess greifbar schien, stammte folgendes Bonmot eines Iren: „Wir werden so lange gegen die Briten kämpfen, bis sie mit uns reden müssen. Doch das Reden wird ungleich schwerer sein, als das Kämpfen.“ Unser baskischer Abgeordneter ergänzte den großen Fragenkatalog noch um weitere Erfahrungen aus seiner Region, in der immer Militarisierung, Flüchtende und Friedenshoffnung zum Alltag auf einem steinigen Weg zur Versöhnung präsent waren und sind.

Vor dem Hintergrund der Studientage erscheinen die politischen Themenbündel, die uns alle umtreiben, wie kommen wir zu friedlichen Konfliktlösungen, zur Integration von Flüchtenden, die uns sonst oft in anderer Weise begegnen, nochmals in einem anderen Licht. Selbst innerlinke, oft fruchtlose Debatten zwischen Regieren und Opponieren werden dann ganz irdisch, wenn Regierungen, wie Syriza, ähnliche Fragen bewegen und gemeinsam mit Wählerinnen und Wählern bewegen müssen.

Auch deshalb haben wir uns auf den Studientagen erneut mit Möglichkeiten der Schuldenrestrukturierung beschäftigt und europaweiten linken Alternativen.

Dies war vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse der vorangegangenen Woche in Griechenland und der kommenden Wahlen in Portugal, dann in Spanien und Irland von aktuellster Bedeutung.

Eine kleine Übersicht zu den Debatten könnt ihr auch hier finden.