Landesparteitag Sachsen-Anhalt

Dessau, 18.04.2015

Redebeitrag Martina Michels, MdEP

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,

ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, heute auf eurem Landesparteitag sprechen zu dürfen und vor allem, dass unsere Zusammenarbeit in meiner Zuständigkeit für Sachsen-Anhalt inzwischen schon selbstverständlich geworden ist.

Ich überbringe auch gleich herzliche Grüße direkt aus Brüssel von unserer Delegation der LINKEN im Europaparlament.

Wie eng Europapolitik und Landespolitik miteinander verknüpft sind, spürt man gegenwärtig gerade hier, in Sachsen-Anhalt, sehr deutlich. (Wulf hat in seinen Ausführungen ja bereits darauf verwiesen).

Unstimmigkeiten und Schludrigkeit im Umgang mit EU-Geldern können blitzschnell millionenschwere Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben. Der in Rede stehende Fördermittelstopp – übrigens der erste in der Geschichte Sachsen-Anhalts – wird nicht unerhebliche Folgen für das Land haben. Und er ist zutiefst inhaltlich begründet. Wenn beispielsweise wesentliche Vorgaben der EU beim Mitteleinsatz zur Schulsanierung schlichtweg ignoriert werden, dann kann man wenn´s schief geht auch nicht so einfach auf die Bürokraten in Brüssel verweisen. Aus gutem Grund ist die Förderung der Schulsanierung mit der Entwicklung neuer pädagogischer Konzepte verbunden. Das weist sehr deutlich darauf hin, dass hier ein klares bildungspolitisches Ziel formuliert wurde – ein Ziel, dass wir als LINKE übrigens voll unterstützen. Es geht eben nicht um das Stopfen von Haushaltslöchern für fällige Bauvorhaben, bei denen die Landesregierung selbst voll in der Pflicht steht. Da kann sich die Hasselhoff-Mannschaft auch nicht einfach so rausreden und den Finger auf die böse EU zeigen. Hier sind wichtige bildungspolitische Ziele einfach außer Acht gelassen worden. Wenn dann noch mehr als 20% bewilligter Fördergelder falsch verwendet wurden, dann sind das auch keine harmlosen Verwaltungsfehler mehr. Ich nenne das verantwortungslose Regierungsarbeit – man kann auch sagen Politikunfähigkeit!

Falsche Prioritätensetzung und Gutsherrenart führen dazu, dass Millionen in den Sand gesetzt werden und, was viel schlimmer ist, die Mittel für wichtige Projekte im Land letztlich fehlen. Und für diese Folgen muss die Landesregierung auch klar und deutlich zur Rechenschaft gezogen werden. DIE LINKE in Sachsen-Anhalt tut gut daran, diesen Dingen auf den Grund zu gehen und den Finger in die Wunde zu legen. Unsere Unterstützung aus Brüssel ist euch dabei gewiss.

Wir wissen alle, dass Europa in unseren Gemeinden und Städten, in den Regionen, viel präsenter ist, als wir es oft wahr haben wollen. Darüber haben wir schon mehrfach gemeinsam debattiert. Ja, es bleibt bei unserem Projekt „Europa in den Kommunen“, welches wir mit eurem Kommunalpolitischen Forum weiter konkret ausgestalten wollen. Auf meinen Touren in Bitterfeld, Hettstädt, im Mansfelder Land oder in der Region mittlere Altmark, überall sind wir sowohl auf großes Interesse als auch auf wirklich sinnvolle Projekte gestoßen, die es wert sind, gefördert und verallgemeinert zu werden. Und immer ging es dabei um die Verknüpfung von Landes- und Kommunalpolitik mit der Europapolitik. Das sollten wir weiter vertiefen und für den bevorstehenden Wahlkampf produktiv nutzen.

Und die Themen dazu liegen ja auf der Hand: Nächste Woche wird es in Brüssel eine linke Konferenz geben, wo sich KommunalpolitikerInnen aus ganz Europa treffen, um über das Thema „Gebietsreformen und TTIP“ zu debattieren. Diese quasi kommunalpolitische Konferenz (REALPE) ist ein fester Bestandteil unserer Fraktionsarbeit in Brüssel.

Ich würde mich riesig freuen, wenn wir z.B. bei der nächsten Konferenz einen deutschen Landesregierungsvertreter Wulf Gallert einladen könnten, der über den Zusammenhang von angemessener Flüchtlingsunterbringung im Land Sachsen-Anhalt und europäischer Flüchtlingspolitik referieren würde. Er würde nämlich nicht, wie so viele andere Politiker, stehen bleiben beim Bedauern der andauernden Tragödien auf dem Mittelmeer, das zum Grab für viele Flüchtlinge geworden ist, die den Weg in ein menschenwürdiges Leben gesucht haben und an den Außengrenzen der EU scheiterten. Er würde aus realer Sicht erklären, wie BürgermeisterInnen, BürgerInnen, Flüchtlingsorganisationen, Kommunen – und auch im Ansatz die Landespolitik – mit den Problemen allein gelassen werden, weil die EU und nationale Regierungen ihre Hausaufgaben nicht erledigen. Sie beklagen lieber statt endlich zu handeln und überlassen damit zugleich das Feld rechtsradikalem rassistischem Gedankengut. Dieser Bankrotterklärung herrschender Politik, liebe Genossen, haben wir als Linke doch etwas entgegenzusetzen. Und gerade dafür lohnt es sich, in den kommenden Monaten zu streiten.

Es ist völlig richtig, hier in Sachsen-Anhalt 2016 einen politischen Richtungswechsel zu fordern. Das ist weder vermessen, noch absurd oder hochgegriffen. Es ist das Mindeste, was wir fordern müssen und es muss ein konkretes Bild ergeben, wie wir uns das vorstellen – hier in Sachsen-Anhalt, mitten in Europa.

Und, liebe Genossen, wir stehen mit unseren Forderungen doch auch nicht mehr allein.

Wenn Thomas Fricke, der frühere Chefökonom der Financial Times in Deutschland jetzt in der neuen Wirtschaftskolumne der Süddeutschen Zeitung die jahrelange Marktgläubigkeit der Wirtschaftspolitik von der Großen Koalition bis zur EU angreift, dann steht doch da allerhand zur Debatte. Auch die neue linke griechische Regierung, die zum ersten Mal das System der EU angreift und dafür wild angegriffen und verunglimpft wird, setzt den Stachel ins Fleisch der Europagruppe. Hier bröckelt doch überall die Überzeugung für den Kurs, der Europa in eine Staatsschuldenkrise geführt hat.

Mein geschätzter Fraktionskollege Manolis Glezos, der Vielen bekannte griechische Nationalheld, der einst die Naziflagge von der Akropolis riss und heute 92-jährig der älteste Europaabgeordnete ist, sagte jüngst zugespitzt und treffend in einer Fraktionsdebatte: „Euer Solidaritätsbekenntnis zu uns geht mir inzwischen auf den Wecker! Die brauchen wir eigentlich gar nicht. Wir müssen unsere Arbeit selbst leisten. Ihr Linken überall, macht eure Hausaufgaben, da wo ihr seid! Das brauchen wir viel mehr.“ Und Recht hat er damit.

Zum Abschluss noch ein Wort zum heutigen europaweiten Aktionstag gegen TTIP. Ihr habt ja da hinten dazu einen Stand eingerichtet und könnt euch selbst informieren. Auch das TTIP wird sich bis in die Kommunen hinein auswirken. Die Verhandlungen gehen jetzt in die entscheidende Phase. Schon einmal hat das Europaparlament in seiner Verantwortung im internationalen Handel NEIN gesagt. Das war bei ACTA. Es besteht jetzt die Chance, auch diesmal Nein zu sagen. Das geht aber nur mit breitem außerparlamentarischen Druck. Wir dürfen also nicht nachlassen in der Mobilisierung gegen TTIP, CETA und TISA!

Lasst uns also im Sinne von Manolis Glezos unsere Hausaufgaben machen und gemeinsam an einem Politikwechsel 2016 in Sachsen-Anhalt arbeiten. Dieser Parteitag wird dazu die richtigen Weichen stellen. Dafür wünsche ich Euch und uns gemeinsam viel Erfolg!