Kommunalpolitische Bildung – eine 30 jährige Erfolgsgeschichte

30.Jahre kf mit Martina Michels in Berlin, 14.1.2023 | Foto: Peter Cichorius

Rede zum 30. Jubiläum des Kommunalpolitisches Forums Berlin

Martina Michels

Am 14. Januar 2023 beging das „kommunalpolitische forum berlin“ sein 30jähriges Jubiläum. Martina war als längjährige Vorsitzende seit der Gründungszeit zu dieser Rückschau geladen und konnte auf eine erfolgreiche und heute genauso lebendige Bildungsarbeit zurückblicken. 

Wir dokumentieren hier ihre Laudatio zu diesem Treffen, denn die Kommunalpolitik, die Martina lange aus der Bezirks- und Landesperspektive begleitete, bestimmte auch ihren politischen Blick als sie als Europaabgeordnete 2013 nach Brüssel ging. 

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

Wir ehren heute ein Geburtstagskind, das „kommunalpolitische forum berlin“ (kf), das in die Jahre gekommen ist, Geschichte geschrieben hat und heute ein stabiler Faktor in der Berliner Kommunalpolitik geworden ist. Wir ehren damit aber vor allem uns selbst, die vielen Aktivist*innen und Weggefährten, die in diesen 30 Jahre dabei waren. Wer hätte damals gedacht, dass wir uns in einem Kreis wie heute zusammenfinden würden und auf eine lange bewegte Geschichte zurückblicken können.

Martina Michels und Michael Grunst, 14.1.2023 | Foto: Peter Cichorius

Ich selbst hatte die Ehre, an dieser Geschichte ein Stück mitgeschrieben zu haben. Als ich vom heutigen Vorstand angesprochen wurde, so eine Art Laudatio auf dem heutigen Festakt zu halten, war ich ehrlich gesagt selbst überrascht, dass ich in den Anfangsjahren mehr als ein Jahrzehnt den Vorsitz innehatte. Aber so ist das mit unseren Erinnerungen – mal abgesehen vom Älterwerden –,  wir können gemeinsam stolz sein, etwas Bleibendes geschaffen zu haben das in der Kommunalpolitik eine wichtige Verankerung gefunden hat. Und mit „Uns“ meine ich viele Engagierte, die heute alle noch ihre Ehrung erfahren werden.

Dabei war es am Anfang ganz und gar nicht so selbstverständlich für uns, sich den kommunalpolitischen Problemen als Bildungsaufgabe zu widmen.

In den Wendejahren zu Beginn der 90er Jahre strömten viele Herausforderungen und neue Sichtweisen auf uns ein. Als gewählte Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses spürten wir täglich die Brisanz der Problemlagen in einer sich rasant erweiterten Stadt. Uns alle einte das Gefühl, alles gleichzeitig anpacken zu müssen und dabei vieles neu zu bewerten, Viele Mandatsträger*innen waren inzwischen in Verantwortung auf Bezirks- und Landesebene gekommen. Gerade für Bezirksverordnete, deren Arbeit zusätzlich zum Beruf und meist in den Abendstunden stattfindet, kam es auf unterstützende Bildungsangebote an, um sich mit kompetenter Stimme einmischen zu können.

Als ich 1994 gefragt wurde, ob ich mir eine Arbeit für die Kommunalpolitik mit dem Vorsitz des Kommunalpolitischen Forums Berlin vorstellen könnte, war mir die Tragweite der Aufgaben noch nicht vollends klar. Das Berliner Forum war erst 2 Jahre zuvor für die PDS gegründet worden und nahm seinen Platz im Verbund mit den Foren in den anderen ostdeutschen Ländern ein. Ich erinnere mich noch wie damals, wie Prof. Heinz Bartsch, der Gründervater des kf, in mein Büro kam und mich mit Leidenschaft versuchte für die Kommunalpolitik zu begeistern.

30.Jahre kf mit Martina Michels in Berlin, 14.1.2023 | Foto: Peter Cichorius

Klar war von Anfang an für uns, Landes- und Bezirkspolitik besser zu vernetzen.  Ich selbst war seit 1991 Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus geworden und widmete mich den Problemen der Landesebene. Insgesamt sind es dann in der Folge fast 15 Jahre Vorsitz geworden, was dafür spricht, dass es auch für mich eine interessante und spannende Aufgabe war. Ich hatte von Anfang an kompetente und engagierte Mitstreiter*innen, denen ich zu großem Dank verpflichtet bin und die teilweise noch heute engagiert dabei sind. Zu ihnen gehören Uwe Melzer, Petra Brangsch, Jens-Peter Heuer, Dagmar Pohle, Micha Grunst und viele andere.

Für uns war die wichtigste Aufgabe, die Themenfelder herauszufinden, die von besonderem Bedarf und Interesse für Bezirkspolitiker*innen waren und dafür geeignete Bildungsformate zu entwickeln. Es ging uns darum, Handlungsoptionen zum aktiven Einmischen zu erarbeiten. so, wie es heute noch auf dem Internetauftritt des kf als Leitmotiv mit den Worten von August Bebel beschrieben wird:

„Politische Bildung wird dadurch aber nicht gewonnen, dass man die Massen von öffentlichen Angelegenheiten fernhält, sondern dadurch, dass man sie zur Ausübung politischer Rechte zuläßt. Ohne Übung kein Meister.“

Schnell kristallisierte sich die aktive Einbringung in die jährlichen Haushaltsberatungen als eine der schwierigsten Fragen in den BVV-Fraktionen heraus. Daraus entwickelte sich unsere Broschüre „Haushalten – aber wie“ von Dr. Jens-Peter Heuer. Sie entwickelte sich schnell zu einer beliebten Handreichung und wird heute noch nach ständiger Aktualisierung gern genutzt – auch über die Landesgrenze von Berlin hinaus. Mit dem aufkommenden Rechtsruck in der Gesellschaft galt es, wirksame Gegenstrategien zu entwickeln. Hierbei spielte der gegenseitige Erfahrungsaustausch, den wir organisierten, eine wichtige Rolle. Ein weiterer Schwerpunkt war, die Handlungsoptionen in der Kinder- und Jugendpolitik, die besonders für die Bezirkspolitik wichtig sind, zu bearbeiten. Ob Wohnungspolitik und Stadtentwicklung u. a. m. – es gab für uns vielfältige Herausforderungen zu bearbeiten. Das „kommunalpolitische forum berlin“ hat sich mit den Jahren einen wichtigen und geschätzten Platz unter den Bildungsvereinen erobert.

Und darauf können wir alle gemeinsam stolz sein.

Als ich 2013 ins Europäische Parlament wechselte haben mir insbesondere die Erfahrungen auf dem Gebiet der Kommunalpolitik sehr geholfen, den Blick für die Probleme vor Ort zu schärfen. Zu wissen, was in den Regionen und Kiezen vor Ort benötigt wird, ist auch wertvoll auf europäischer Ebene. DIE LINKE steht gerade jetzt vor der Herausforderung, europäisch zu denken und zu handeln. Viele Entscheidungen auf EU-Ebene haben große Auswirkungen vor Ort. Das ist vielfach noch zu wenig bekannt. Dabei stoßen wir im Alltag auf Schritt und Tritt auf EU-Regelungen. Jeder Schulbau, jede neue Straße, die gebaut werden soll, basiert auf europäischer Gesetzgebung. Hier sehe ich einen wichtigen Ansatzpunkt für die kommende Arbeit des Kommunalpolitischen Forums Berlin.

Ich wünsche dem Forum noch viel weitere Erfolge und allzeit solche engagierten Mitstreiter*innen, wie ich sie erleben durfte!