Europa-Abgeordnete prüfen Nutzung von EU-Fördermitteln

Foto: Marina Michels

Martina Michels war in dieser Woche mit einer Delegation des Ausschusses für regionale Entwicklung unterwegs, um zu erfahren, wie EU-Förderfonds im französischen Überseedepartment La Réunion durch die Regionalregierung eingesetzt werden.

Erste Station: ein Besuch bei der Verwaltungsbehörde und beim Bürgermeister der Stadt Port. Bis Ende des Jahres 2018 wird die Region 1,4 Milliarden Euro von den für 2014 bis 2020 insgesamt zur Verfügung stehenden 2 Milliarden Euro EU-Geldern verwendet haben. Das Europaparlament wird Anfang 2019 mit dem Haushalt für den Zeitraum 2021 bis 2027 („Mehrjähriger Finanzrahmen“) auch über die Mittel für die Regionen in äußerster Randlage (ORS) beschließen, zu denen die Insel La Réunion gehört.

Die Abgeordneten holen daher über die Legislaturperiode verteilt in den verschiedenen Regionen Europas Feedback ein, ob die EU-Regionalpolitik den Bedürfnissen vor Ort gerecht wird. Zugleich machen sie sich ein Bild davon, ob die Vorgaben und Ziele der Förderpolitik eingehalten werden. Sie wollen genau wissen, ob mit dem Fördermitteleinsatz tatsächlich Verbesserungen der Infrastruktur, des Zugangs zu Beschäftigung und Gesundheitsdienstleistungen und der Lebensbedingungen der Bevölkerung insgesamt erreicht werden.

Das Beispiel der Stadt Port

In Port werden mehrere Großprojekte mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) ko-finanziert, beispielsweise Vorhaben zur Förderung der Wirtschaft der Gemeinde wie das „Port Center“ oder das Projekt „Türen zum Ozean“, bei dem es um die Rückgewinnung des maritimen Charakters der Stadt geht.

Doch es gibt auch ein Projekt, das seit 2015 auf dem Plan steht, jedoch noch auf Eis liegt: Die Abwasseranlage. Port ist eine der trockensten Städte in der Region und mithilfe der geplanten Abwasseraufbereitungsanlage soll Wasser für die städtische Grünflächenbewässerung und für die Industrie zu Verfügung gestellt werden. Nachhaltige Entwicklung und Wirtschaftsförderung – das klingt erstmal gut. Doch zunächst standen die französischen Gesundheitsvorschriften dem Vorhaben im Wege. Seit einem Jahr einen hat der Bürgermeister die Erlaubnis, das Projekt abzuschließen. Doch nun führt der Mangel an Ressourcen zum Stillstand. Und so hofft die Stadt, den Bau der Anlage in der nächsten Förderperiode mit frischen Mitteln auf Kurs bringen zu können.

Dieser Fall zeigt einige der Kommunikations- und Abstimmungsschwierigkeiten zwischen der EU-Ebene, den nationalen Behörden und den Verantwortlichen für die konkreten Vorhaben in den Regionen und Kommunen.

Auch weitere Aspekte diskutierten die Europaabgeordneten mit Olivier Hoarau, Bürgermeister von Port: Ist die Verwaltung des EFRE durch die regionale Ebene effektiv? Werden die Mittel immer gerecht verteilt? Die Bewertung bleibt schwierig. Einig ist man sich, dass Europäische Mittel nicht für politische Eigeninteressen einzelner politscher Entscheidungsträger verwendet werden dürfen.

Foto: Marina Michels

Beispiel Zuckerrohr-Produktion

Die Zuckerrohrwirtschaft, so wird oft gesagt, hänge am Tropf der EU-Fonds, sei also künstlich ab Leben gehalten. Doch die Zuckerproduktion ist offenbar noch immer wichtig für die Beschäftigungssituation in La Réunion. Gäbe es weniger Zuckerrohr, wäre die ohnehin hohe Arbeitslosenquote vermutlich noch um einiges höher. Der Besuch der Zuckerohr-Fabrik „L’usine Bois Rouge“ ermöglichte den Abgeordneten zudem den Einblick, dass in diesem Sektor innovative Entwicklung möglich ist.

  • MARTINA MICHELS

Die „NRL“

Aktuell steht ein weiteres Projekt an, zu dem Vorarbeiten und intensive Prüfungen längst nicht abgeschlossen sind: Der Bau der neuen Küstenstraße „NRL“ (Nouvelle Route du Littoral“). Es würde sich immerhin um enorme Investitionen handeln, wenn diese Straße gebaut würde. Daher wird genauestens geprüft, ob sich das Vorhaben an dieser Stelle und wie geplant lohnt: Die Straße soll nämlich im Meer, neben der Insel und rundherum gebaut werden – und ist bei der Bevölkerung hochumstritten.

Der „Glutofen“

Eine weitere Station des Besuchs ist am letzten Tag eine Tour zum vulkanologischen Observatorium. Auf La Réunion befindet sich einer der weltweit aktivsten Vulkane, der „Piton de la fournaise“, was so viel bedeutet wie „Glutofenfelsen“.  Klar, dass hier Wert auf Forschungsförderung gelegt wird.

In La Tampon, einer vulkanischen Region, unterstützt die EU darüber hinaus ein Projekt zur Urbanisierung. Hier entstehen große  Wasserreservate, um das Regenwasser, welches in der Regenzeit ungenutzt ins Meer floss, aufzufangen und dem ländlichen Raum zur Verfügung zu stellen.

Martinas Fazit zur Reise: 

„Einmal mehr bestätigte sich, wie wichtig die Einbeziehung der lokalen Ebenen bei der Entscheidungsfindung zur Verwendung der Fördermittel ist. Gerade vor Ort können Bedarf und Umsetzungsmöglichkeiten am besten eingeschätzt werden. Der Ansatz der lokalen Verantwortlichen, die ökonomischen Ziele mit der Verbesserung der Infrastruktur, der Senkung der hohen  Arbeitslosigkeit und der Umweltverbesserung zu verknüpfen, sind EU- Unterstützung wert.“

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.