Plenarfokus Februar II – 2024

Vorschau auf die Plenarwoche des Europäischen Parlaments vom 26. bis 29. Februar 2024 in Straßburg

Özlem Alev Demirel, Cornelia Ernst, Martina Michels, Martin Schirdewan, Helmut Scholz

Pressekonferenz
der Ko-Vorsitzenden der Fraktion THE LEFT:

Martin Schirdewan (Die Linke) & Manon Aubry (La France Insoumise)

Dienstag, 27. Februar 2024, 11.30 Uhr
EP-Pressesaal ‚Daphne Caruana Galizia’

(LOW N-1/201)
Livestream / Livestream

 Cornelia Ernst, MdEP, energie- und klimapolitische Sprecherin von Die Linke im EP:

‚Einrichtung der Plattform „Strategische Technologien für Europa“‘

Gemeinsame Debatte Dienstag, 27. Februar, ab 9 Uhr

Die „Plattform für strategische Technologien für Europa“ verkörpert das Problem mit der europäischen Industriepolitik: Es fehlen die Mittel. Ursprünglich wurde seitens der Kommission ein europäischer Souveränitätsfonds versprochen – doch auf diesen wartet man bis heute vergeblich, da einzelne Mitgliedsstaaten sich dagegenstemmen. STEP sollte diese Lücke zumindest zeitweise kompensieren und eine europäische Antwort auf das US-amerikanische Investitionspaket (IRA) formulieren. Doch von den zu Beginn versprochenen frischen zehn Milliarden Euro – das EP 13 Milliarden – sind lediglich 1,5 Milliarden für den Verteidigungsfonds geblieben. Damit wird das eigentliche Vorhaben ad absurdum geführt. Was bleibt, ist die Öffnung bestehender Fonds für STEP-Projekte, wobei diese Projekte viel zu breit ausgelegt sind. Damit geht auch eine Umverteilung von öffentlichem Reichtum einher, denn Fonds, deren Mittel mitunter für Investitionen in öffentliche Infrastrukturen und KMUs vorgesehen waren, werden nun auch für andere Zwecke umgewidmet.

 Martin Schirdewan, MdEP, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion THE LEFT:

‚Führerscheine‘

Debatte Dienstag, 27. Februar, ab ca. 11 Uhr – Abstimmung Mittwoch, 28. Februar, ab 12 Uhr

Wieder einmal versucht sich die EU darin, Dinge komplizierter zu machen und zu verschlimmbessern. Bei der Reform der Führerscheinrichtlinie werden wir die geplante verpflichtende, regelmäßige Gesundheitsüberprüfung ablehnen. Der Bevormundungszwang der EU ist unverhältnismäßig. In Deutschland haben sich zum Beispiel die anlassbezogenen Untersuchungen bewährt. Es gibt keinen Grund, eine neue Branche zu erschaffen, die sich mit der Kontrolle des Gesundheitszustands der Bevölkerung beschäftigt.

 Martina Michels, MdEP, Sprecherin von Die Linke im EP und Mitglied der Israel-Delegation:
‚Krieg im Gaza-Streifen‘

Debatte Dienstag, 27. Februar, ab 15 Uhr

Dieser Krieg muss beendet werden. Die Entwicklungen im Gazastreifen und eine mögliche Bodenoffensive in Rafah verschlimmern die humanitäre Katastrophe weiter und helfen keiner der seit mehr als 4 Monaten verschleppten Geiseln. Eine sofortige und wirksame Umsetzung der vom Internationalen Gerichtshof angeordneten vorläufigen Maßnahmen zu Schutz und Versorgung der Menschen ist dringend. Israel ist dabei in der Verantwortung, aber auch wir. UNWRA ist durch keine andere Hilfsorganisation austauschbar. Die Einstellung von Zahlungen für humanitäre Hilfe durch einige EU-Mitgliedstaaten ist unverantwortlich und unmenschlich. Nichtsdestotrotz müssen die schwerwiegenden Anschuldigungen gegen UNRWA-Beschäftigte präzise aufgeklärt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und die internen Kontrollen entsprechend gestärkt werden.

 Martina Michels, MdEP, Sprecherin von Die Linke im EP und Mitglied der Euronest-Delegation:
‚Engere Beziehungen zwischen der EU und Armenien und die Notwendigkeit eines Friedensabkommens zwischen Aserbaidschan und Armenien‘

Debatte Dienstag, 27. Februar, ab ca. 16.30 Uhr

Die Waffenruhe zwischen Armenien, das 2020 von Aserbaidschan angegriffen wurde, kam wesentlich unter Vermittlung Russlands zustande. Die EU war damals weder imstande die Minsk-Gruppe ernsthaft zu aktivieren, noch angesichts der vielen fehlenden Komponenten des Waffenstillstandes einen Beitrag zu Friedensverhandlungen mit Verbindlichkeiten und Sicherheitsgarantien insbesondere für Berg-Karabach einzubringen. Russland war in seiner Vermittler- und Schutzmachtrolle, insbesondere für Armenien immer sichtbarer nicht mehr verlässlich. Während Blockaden und erneute Kampfhandlungen Aserbaidschans sogar humanitäre Katastrophen nach sich zogen, irritierten überdies protokollarische Schulterschlüsse zwischen von der Leyen mit dem Alijew-Regime, das als Gastlieferant der EU weiterhin mit Samthandschuhen angefasst wird. Sollte die EU hier ihre Politik der Doppelstandards endlich zugunsten besserer Beziehungen zu Armenien aufgeben, dann wäre dies zu begrüßen. Friedensverhandlungen mit einem Nachhaltigkeitssiegel wären dringend, doch dann müsste die EU genauso ihr Verhältnis zur Türkei auf den Prüfstand stellen, die sich gerade seit 2020 eng mit den Mächtigen in Baku verbunden hat.

– Özlem Alev Demirel, MdEP, außenpolitische Sprecherin von Die Linke im EP:

‚Europäische Sicherheit und Verteidigung‘

Debatte Mittwoch, 28. Februar, ab 9 Uhr

Auch im Bericht über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zum Anlass für massive EU-Militärausgaben im Bereich der Aufrüstung nimmt, liegt der Fokus ausschließlich auf einem militärischen Sieg der Ukraine statt auf Waffenstillstand und Verhandlungen, um das Sterben zu beenden. Dieser Bericht, inklusive der EU-Rüstungsstrategie und eines eigenen Rüstungskommissars, ist eine Steilvorlage für Frau von der Leyens zweite Amtszeit. Mit der geforderten Operationalisierung von Artikel 42 Absatz 7 EUV, wird die EU zu einem De-facto-Militärbündnis gemacht. Neben dem Ruf nach einem Kommissar für die Verteidigungsunion wird erneut nach der schnellen Einsatzfähigkeit mit mindestens 5 000 ständigen Truppen für EU-Militäreinsätze gerufen. Das Einstimmigkeitsprinzip in der GSVP-Entscheidungsfindung soll abgeschafft werden, was vor allem die Macht der großen Mitgliedsstatten weiter stärkt. Zum Thema feministischer Außenpolitik erschöpft sich das Verständnis in der vermehrten Teilnahme von Frauen an militärischen Missionen – das ist absurd und falsch! Wir lehnen diesen Bericht ab und haben eine Minderheitenposition und Änderungsanträge eingereicht.

 Cornelia Ernst, MdEP, asyl- und migrationspolitische Sprecherin von Die Linke im EP:

‚Statusvereinbarung über operative Tätigkeiten, die von Frontex in Senegal durchgeführt werden ‘

Abstimmung Mittwoch, 28. Februar, ab 17 Uhr

Mit dem potenziellen Statusabkommen mit Senegal würde Frontex zum ersten Mal mit einem Exekutivmandat in einem Drittstaat agieren, der nicht in Europa liegt oder an die EU grenzt. Unser Bericht ist eine kritische Analyse, sowohl im Hinblick auf einen möglichen Einsatz von Frontex im Senegal als auch auf die sich verschlechternde Menschenrechtslage im Land. Sollten die Verhandlungen beginnen, wogegen der Bericht Vorbehalte äußert, geben wir klare Empfehlungen in Bezug auf Kontrolle, Transparenz und Schutz der Grundrechte.

– Helmut Scholz, MdEP, verfassungspolitischer Sprecher von Die Linke im EP:

‚Vertiefung der EU-Integration mit Blick auf eine künftige Erweiterung‘

Debatte Mittwoch, 28. Februar, ab 18 Uhr

Nachdem die Kommission im Dezember die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau empfohlen und Georgien den Kandidatenstatus zuerkannt hat, finalisiert nun das Parlament seine Position zur anstehenden Erweiterung. Der von AFET und AFCO erarbeitete Bericht betont sowohl die Wichtigkeit eines leistungsabhängigen Verfahrens als auch die Notwendigkeit, die EU selbst auf eine Erweiterung vorzubereiten. Beide sich gegenseitig bedingenden Prozesse müssen Hand in Hand gehen und in weitest möglicher Transparenz gestaltet werden. Institutionell bedeutsam wird die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip im Rat besonders hervorgehoben. Kritisch sehen wir die prioritär betonte geostrategische Ausrichtung des Berichts: Der EU-Beitritt eines Landes darf nicht zum geopolitischen Spielball verkommen. Dazu wird völlig versäumt, eine im Hinblick auf Krieg und Klimakrise nötige Anpassung der Kohäsionspolitik zu fordern, um besonders prekären Regionen eine Chance auf Wiederaufbau und Transformation zu geben. Und leider bleibt im Bericht die Herausarbeitung der sozialen Dimension, Aspekte der Finanzierung und künftigen Ausgestaltung des EU-Budgets, mit den neu zu setzenden Schwerpunkten in der Gemeinsamen Agrar-, der Kohäsionspolitik und anderen Politikfeldern, unterbelichtet.

– Helmut Scholz, MdEP, handelspolitischer Sprecher von Die Linke im EP:

‚EU-Chile-Abkommen‘

Debatte Donnerstag, 29. Februar, ab 9 Uhr – Abstimmung, ab 12 Uhr

Für die EU-Kommission ist das Abkommen mit Chile ein Etappensieg im neuen Wettlauf um seltene Rohstoffe. Chile ist die wichtigste Schatzkammer der Welt für Lithium, ein zentraler Grundstoff für die Rettung der Autoindustrie. Die EU kann das Mineral bereits jetzt zollfrei aus Chile einführen – wieso also der Druck auf das Parlament, den neuen Handelsdeal zügig durchzuwinken? Das Andenland verpflichtet sich fortan, die Versorgung der europäischen Industrie zu sichern und auf jegliche Vergünstigungen für inländische Abnehmer zu verzichten. Im Klartext: Faire Entwicklungschancen, der Aufbau von Zukunftsindustrien ist nicht erwünscht – die Schätze des globalen Südens sehr wohl! Dazu kommt: Die Ausweitung der Lithiumförderung bedroht indigene Gemeinschaften und wird die Wasserkrise im Land weiter verschärfen. Schutzmechanismen für vom Bergbau betroffene Gemeinden sieht das Abkommen nicht vor.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.