Impfstrategie der EU: Frau Präsidentin gab sich die Ehre

Martin Schirdewan und Ursula von der Leyen - v.l.n.r. - Screenshot aus der Fraktionssitzung am 8.2.2021 | Foto: Konstanze Kriese

Martina Michels, André Seubert

Ursula von der Leyen zu Gast in der Fraktionssitzung am 8. Februar 2021

Frau Präsidentin gab sich die Ehre, in dieser Woche, in der Fraktionssitzung der Linken. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, nahm an unserer Online-Sitzung teil, um zur EU-Impfstrategie Rede und Antwort zu stehen. So eine Debatte sollte in einer Demokratie ganz normal sein: die Chefin einer Exekutivbehörde erklärt sich vor allen gewählten Abgeordneten. Doch die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin hatte sich nur mit den Fraktionen getroffen, auf die sie sich im Europaparlament (EP) stützt: konservative, sozialdemokratische, liberale und grüne. Der Linksfraktion stand sie dieses Gespräch erst nach einer offiziellen Beschwerde zu. Und dann auch nur im geschlossenen Rahmen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Deshalb verzichtete die Linksfraktion ausnahmsweise darauf, ihre Sitzung öffentlich zu übertragen. Die Linken schluckten diese Pille, um im Gegenzug wichtige Informationen zur viel diskutierten Corona-Impfstrategie zu bekommen.

Die EU-Kommission war von den Mitgliedstaaten beauftragt worden, die nötigen Impfdosen für alle EU-Bürger*innen gegen das Corona-Virus zu bestellen, die Verträge mit den Pharma-Konzernen auszuhandeln und für eine gerechte Verteilung in der EU zu sorgen. Eigentlich ein löbliches Vorgehen, um nationalistische Konkurrenz um die Impfstoffe zu verhindern. Doch die Umsetzung hat bisher leider nur mäßig geklappt.  Seit Wochen steht die Kommissionspräsidentin wegen der Impfstrategie in der Kritik, weil andere Länder wie beispielsweise Großbritannien sehr viel schneller mit den IMpfungen vorankommen. Die Impfungen gelten als die wichtigste Waffe im Kampf gegen das neuartige Virus. Je mehr Menschen geimpft sind, desto schneller können Beschränkungen gelockert werden, die schwer auf der europäischen Gesellschaft und Wirtschaft lasten.

Nun versuchte Frau Von der Leyen ihre gescholtene Strategie vor der Linksfraktion zu verteidigen. An Kritik sparten auch die linken Abgeordneten nicht. Sie machten besonders die mangelnde Transparenz der Verträge, das Problem des Patentschutzes und das Scheitern der weltweiten Covax-Initiative zum Thema. Die Fraktionsmitglieder forderten, dass die Kommission endlich alle Verträge mit den Pharmakonzernen offenlegt, um volle Transparenz über Preise, Lieferumfang und Haftungsfragen zu schaffen. Außerdem drängten sie, dass der Patentschutz für Corona-Impfungen aufgehoben wird, so wie von Indien und Südafrika vorgeschlagen, unterstützt von der WHO. Nur so kann schnell und ausreichend Impfstoff hergestellt werden, um die weltweite Pandemie zu bekämpfen.

Die Linksfraktion will auch, dass die Impfungen als öffentliches Gut angesehen werden, nachdem Milliarden Euro Steuergeld in die Forschung und Produktion gesteckt wurden. Beides lehnte Von der Leyen ab, wie nicht anders zu erwarten war. Die Milliardengewinne der Konzerne liegen ihr wohl doch mehr am Herzen als der schnelle Kampf gegen den Virus.

Martina Michels fragte die Kommissionspräsidentin, wo sie in der Debatte um Impfnachweise stehe. Die gute Nachricht: zumindest solange nicht alle die Chance hätten, sich impfen zu lassen, dürfe es keine Vorteile für geimpfte Menschen geben, antwortete Von der Leyen. Große Kritik gab es auch für den fehlenden Ehrgeiz der EU, die von ihr selbst mitbegründete, weltweite Covax-Initiative zu stärken. Damit sollte eine faire Verteilung der Impfungen, gerade auch in armen Ländern in Afrika gesichert werden. Nach WHO-Angaben wurde dort bisher kaum jemand geimpft. Von der Leyen rechtfertigte sich damit, fünfmal so viel Impfdosen bestellt zu haben als Menschen in der EU leben. Der Rest würde dann armen Ländern zur Verfügung gestellt. Die Frage ist nur, wann das sein wird. Selbst in der EU hinkt der Zeitplan sträflich.

Überzeugen konnte die Kommissionspräsidentin die Linksfraktion letztlich nicht. Deshalb drängte Manon Aubry im Namen der Linksfraktion in der Plenarsitzung diese Woche auf einen Untersuchungsausschuss, um mögliche Fehler der Kommission bei der EU-Impfstrategie aufzudecken. Nur so lässt sich verlorenes Vertrauen der EU-Bürger*innen vielleicht zurückgewinnen.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.