Europaparlament kritisiert scharf den Sieg der nationalen Egoismen:

Rat opfert für den Haushalt die Rechtsstaatlichkeit und die Klimaziele

Martina Michels, Sprecherin der Delegation DIE LINKE. Im Europäischen Parlament und Koordinatorin ihrer Fraktion GUENGL im Regionalausschuss des Europäischen Parlaments kommentiert die Resolution des Europäischen Parlaments zur Einigung des Rates für den Wiederaufbau und den Mehrjährigen Finanzrahmen inmitten der Corona-Pandemie:

„Heute beschloss das Europäische Parlament in einer Resolution, dass die Einigungen des Europäischen Rates vom vergangenen Wochenende nicht die geeigneten Antworten auf den Wiederaufbau der EU in der Covid19-Krise sind.“

„Wer als historisch feiert, dass der Europäische Rat sich am Wochenende endlich auf ein Wiederaufbau-Paket in der Covid19-Krise geeinigt hat, hat sich offenbar mit einer EU abgefunden, die politische Herausforderungen gar nicht mehr europäisch anpacken will. Dass Klimawandel, Digitalisierung, Migration keine nationalen Phänomene sind, war schon vor der Corona-Krise klar. Dass unsere Gesundheitssysteme jedoch auch von internationalen Lieferketten, gut ausgebildetem Pflegepersonal und öffentlicher Forschung abhängig sind, hat die Covid19-Pandemie der Europäischen Politik deutlich vor Augen geführt.“

„Die Kommission spricht nach der Einigung auf das Wiederaufbaupaket Next Generation und dem Vorschlag für einen gekürzten Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 – 2027 (MFR) zurecht von einer bitteren Pille. Ja, es gibt erstmalig einen europäischen Schuldenmechanismus. Ja, es gibt einen ganz kleinen Einstieg in europäische Steuern. Doch den Budget-Einigungen wurden die wichtigsten Zukunftsfragen und ein echter Rechtsstaatlichkeits-Mechanismus, der nicht zu Lasten der Regionen geht, geopfert.“

„Wer beim Klima, die Haushaltsansätze vom 31,6 Mrd. auf 8.4 Mrd. Euro kürzt, wer den Fond für einen gerechten Übergang in Kohleregionen (JTF) von 40 auf 17 Mrd. Euro stutzt, wer erneut bei der Gesundheitspolitik, der Bildung (Erasmus+), der Kultur (Creative Europe) spart, hat die Europäische Integration, die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger den nationalen Egoismen geopfert.“

„Das Europaparlament kämpft mit seiner heute verabschiedeten kritische Resolution um sein Mitsprachrecht beim Wiederaufbau inmitten der Corona-Pandemie und damit um mehr Europäische Demokratie, um soziale und nachhaltige Politik. Die Arbeit von Journalist*innen, Richter*innen, Gewerkschaften, die Rechte von Frauen, die Zukunft der Jugendlichen kann man nicht in Budgetverhandlungen opfern. Der Wille für Nachverhandlungen vor allem über den Mehrjährigen Finanzrahmen ist mit dem heutigen Tag klar formuliert. Unsere linke Fraktion (GUENGL) hat der gemeinsamen Resolution mehrheitlich zugestimmt, auch wenn wir uns zukünftige Haushalte ohne wachsende Verteidigungsfonds wünschen und dies auch weiterhin fordern werden.“

Zusammenfassend kommentiert Martina Michels:

„Wer das Corona-Wiederaufbaupaket und den EU-Haushalt nicht an Rechtsstaatlichkeit und die Klimaziele bindet, hat Europa nicht verstanden.“

Hintergrund:

Resolution des Europaparlaments (Entwurfsfassung) vom 22. Juli 2020,

Abstimmung 23. Juli: 14:30 Uhr

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 17.–21. Juli 2020

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.